Die zweite Etappe der Tour de Suisse bot erneut ein hügeliges Finale, das perfekt für explosive Fahrer wie Puncheure gemacht war – und das Finale wurde dem erwarteten Chaos mehr als gerecht.
Direkt nach dem Start setzten sich Mauro Schmid, Jonas Rutsch und Silvan Dillier vom Feld ab. Die drei Schweizer Fahrer bildeten mit Zustimmung des Pelotons die Fluchtgruppe des Tages, wurden jedoch nie weiter als zwei Minuten weggelassen. Der Grund: Viele Teams witterten ihre Chance auf den Etappensieg in einem reduzierten Sprint. Besonders Picnic und BORA – hansgrohe übernahmen die Verantwortung in der Verfolgung und hielten das Trio stets auf Schlagdistanz. Noch vor dem letzten Anstieg wurden die Ausreißer gestellt.
Im Finale ging es stetig bergauf – nicht extrem steil, aber mit konstanten 3–4 % genug, um den klassischen Sprintern die Beine schwer zu machen.
Vincenzo Albanese von EF Education–EasyPost erwies sich als der Stärkste auf den letzten Metern und krönte sich mit seinem vierten Profisieg.
Stimmen zur Etappe
Am Ende baten wir einige unserer Autoren um ihre Einschätzung: Was war entscheidend, was lässt sich aus diesem Finale lernen, und was bedeutet der Sieg von Albanese für die weitere Tour?
Kieran Wood (CyclingUpToDate)
Es war eine besondere Szene: Vincenzo Albanese überquert jubelnd die Ziellinie und holt sich bei der Tour de Suisse seinen ersten Sieg auf WorldTour-Niveau. Nach zahlreichen Top-Platzierungen in den letzten Jahren ist der lang ersehnte Durchbruch endlich geglückt – ein emotionaler Moment für den Italiener.
Abgesehen vom umkämpften Sprint gab es auf dieser Etappe wenig Überraschungen. Ein bemerkenswerter Lichtblick war jedoch die späte Attacke von
Jan Christen. Der junge Schweizer aus dem UAE Team Emirates zeigte sich mutig und offensiv – ein vielversprechender Hinweis auf das Potenzial, das in ihm steckt. Für sein Team, das im Gesamtklassement bisher unauffällig agiert, war es ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Ivan Silva (CiclismoAtual)
Das Profil der Etappe war überschaubar – zu wenig selektiv, um große Unterschiede zu schaffen. Ein Massensprint lag in der Luft. Zwar versuchte Jan Christen mit einem späten Angriff, das Szenario zu durchbrechen, doch sein Timing war nicht optimal. Es erinnerte etwas an ein typisches Szenario von Mallorca, bei dem ein Fahrer attackiert, gestellt wird und ein Teamkollege den Sieg holt – doch dafür fehlte hier die nötige Härte im Finale.
Trotzdem bleibt die Etappe in Erinnerung: Vincenzo Albanese feierte seinen ersten Sieg bei einem WorldTour-Rennen – ein echter Meilenstein. Für den Italiener, der erst in seiner zweiten Saison auf höchstem Niveau fährt, ist es ein bedeutender Erfolg. Ein Moment, den er wohl nie vergessen wird.
Carlos Silva (CiclismoAtual)
Die zweite Etappe der Tour de Suisse verlief ohne große Überraschungen. Drei Fahrer setzten sich früh ab und prägten weite Teile des Rennverlaufs, doch am vorletzten Anstieg übernahm Tudor das Kommando im Feld, erhöhte das Tempo spürbar und sorgte für das Ende der Ausreißerträume. Picnic PostNL und Red Bull – BORA kontrollierten über weite Strecken das Geschehen und sorgten für ein konstantes Tempo.
Im Anstieg zur Zielankunft übernahm EF Education First die Initiative. Die Amerikaner hatten den Etappensieg im Visier, doch ein Angriff von Jan Christen sorgte kurzfristig für Unruhe. Der Schweizer wagte knapp drei Kilometer vor dem Ziel einen Überraschungsangriff und ging mit etwas Vorsprung in die Schlussphase. Doch die Energie reichte nicht – der UAE-Fahrer wurde kurz vor dem Ziel gestellt.
200 Meter vor dem Ziel setzte Vincenzo Albanese zum Sprint an und sicherte sich mit einem überzeugenden Antritt seinen ersten WorldTour-Sieg – ein verdienter Lohn für jahrelange Konstanz und Entschlossenheit.
Félix Serna (CyclingUpToDate)
Ich mag die Tour de Suisse – es gibt hier keine langweiligen Flachetappen, bei denen schon vor dem Start klar ist, dass ein Massensprint das Ergebnis bestimmt. Selbst heute, wohl der flachste Tag der gesamten Ausgabe, konnten sich die klassischen Sprinter nicht durchsetzen.
Was mich allerdings überraschte: In den letzten fünf Kilometern formierte sich wieder eine recht große Gruppe. Trotz des ansteigenden Finales – wenn auch nicht besonders steil – hatte ich erwartet, dass sich das Feld stärker zersetzt und eine kleinere Gruppe um den Etappensieg kämpft. Doch dazu kam es nicht. Die meisten Fahrer hielten sich zurück. Sprinter wie Pavel Bittner wussten, dass dies ihre einzige echte Chance war – verständlich, dass sie alles daran setzten, dabei zu bleiben.
Nur Jan Christen wagte den Vorstoß – ein mutiger, wenn auch letztlich erfolgloser Versuch. Was allerdings für Stirnrunzeln sorgt: Christen soll laut Mikkel Bjerg entgegen der Teamtaktik gehandelt haben. Statt António Morgado im Sprint zu unterstützen, ging er auf eigene Faust in die Offensive – offenbar ohne Absprache mit dem Team.
Die
UAE Team Emirates - XRG wirken wie ein Zirkus, sobald Tadej Pogacar nicht mitfährt. Schon beim Giro d’Italia sorgten taktische Missverständnisse rund um Juan Ayuso für Kopfschütteln. Nun also Christen, der eigene Wege geht – und ein Teamkollege, der ihn öffentlich kritisiert, statt das intern zu klären. Dazu kommt Joao Almeida, der gestern bereits einräumte, dass die Gesamtwertung wohl gelaufen sei. Ein neuer Tag, ein neues Kapitel im chaotischen Buch der UAE ohne ihren Anführer.
Man darf gespannt sein, wie es morgen weitergeht.