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Tadej Pogacar war es sportlich gesehen ein ruhiger Tag im Gelben Trikot – doch die Pressekonferenz nach der 17. Etappe hatte es in sich. Statt Renntaktik und Sprintentscheidungen dominierten politische und emotionale Fragen das Gespräch mit dem slowenischen Topfavoriten. Menschenrechte, Arroganz-Vorwürfe gegen sein Team und seine Erwartungen an die berüchtigte Etappe zum Col de la Loze – Pogacar stellte sich den Themen mit einer Mischung aus Selbstsicherheit und diplomatischer Vorsicht.
Auf der Straße hatte Pogacar einen nassen, hektischen Tag sicher überstanden. Während zahlreiche Sprinter in Stürze verwickelt waren, hielt sich der 25-Jährige aus allen brenzligen Situationen heraus, verlor keine Zeit – und bewahrte sich seine gute Ausgangsposition für die kommenden beiden Bergetappen in den Alpen. Denn am Donnerstag wartet eine der Königsetappen der Tour: 5.500 Höhenmeter und ein gnadenloses Finale am Col de la Loze, wo Team Visma | Lease a Bike zum Angriff blasen dürfte.
Pogacar selbst gab sich betont gelassen – und spielte gleichzeitig mit psychologischer Raffinesse: „Ich hoffe, dass sie die Etappe forcieren, sich den Ausreißern anschließen und am ersten oder zweiten Anstieg das Tempo erhöhen. Aber vor allem am Col de la Loze werden sie alles geben. Ich werde auf sie warten, ich werde bereit sein.“ Eine selbstbewusste Kampfansage, aber auch ein Seitenhieb in Richtung Visma, das in den Pyrenäen Schwächen offenbart hatte. Besonders brisant: Pogacar verlor 2023 am Loze mehrere Minuten – eine Rechnung, die er laut eigener Aussage begleichen will. „Ich freue mich sehr darauf“, so der Slowene.
Unerwartet wurde Pogacar auch mit der immer wieder diskutierten Menschenrechtslage in den Vereinigten Arabischen Emiraten konfrontiert – dem Hauptsponsor seines Teams. Der UAE-Kapitän wich einer direkten Positionierung aus und verwies auf die sportliche Entwicklung in der Region: „Jedes Mal, wenn ich dort bin, sehe ich, wie sich die Sportinfrastruktur verbessert. Der Sport wächst in den Emiraten, und sie investieren besonders in den Radsport. Ich bin seit fünf oder sechs Jahren regelmäßig dort, und ich sehe, dass immer mehr Leute mit uns trainieren. Darauf bin ich stolz.“
Auch die Diskussion um die angeblich „arrogante Fahrweise“ seines Teams ließ Pogacar nicht unkommentiert. Vor allem Nils Politt hatte in den letzten Tagen mit kompromisslosen Manövern – etwa gegen Alexandre Delettre auf der 16. Etappe – für Aufsehen gesorgt. Teamchef Jean-René Bernaudeau (TotalEnergies) warf UAE Team Emirates sogar vor, „Botschaften“ an das restliche Feld zu senden.
Pogacar verteidigte die Linie seiner Mannschaft offen: „Wir wollen nicht arrogant sein, wir wollen uns das Rennen so einfach wie möglich machen. Ich denke, einige Leute, die das sagen, sollten einfach schweigen. Ich weiß, das mag arrogant klingen, aber das ist meine Meinung.“
Ein Statement, das sicher nicht überall gut ankommen wird – aber erneut zeigt, dass Pogacar in dieser Tour nicht nur sportlich im Zentrum steht. Während er auf der Straße fast unantastbar wirkt, wird er abseits der Etappen zunehmend zum Gesicht eines Teams, das gleichermaßen bewundert wie kritisch beobachtet wird. Doch eines bleibt klar: Am Donnerstag zählt nur die Straße. Und dort, sagt Pogacar, „werde ich bereit sein“.