Romain Bardet warnt Jungstar Seixas: „Unbeschwertheit ist das Schwerste im Radsport“

Radsport
Donnerstag, 27 November 2025 um 7:00
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Paul Seixas hat seinen Einstieg in den Profi-Radsport mit einem Paukenschlag gefeiert. Vor allem zum Saisonende sorgte der Teenager für Aufsehen: Er gewann die Tour de l’Avenir, stand bei den Europameisterschaften der Elite auf dem Podium und belegte später Rang sieben bei Il Lombardia. Für einen Fahrer, der erst im kommenden September 20 Jahre alt wird, sind das außergewöhnliche Resultate. Für die französischen Fans sind sie ein Grund zum Optimismus – nach einer Dekade, in der ihre „Dauphins“ Romain Bardet und Thibaut Pinot den seit Bernard Hinaults fünftem Tour-de-France-Titel 1985 anhaltenden Hunger auf einen Heimsieg nicht stillen konnten.
„Man muss sich immer vor Augen halten, dass eine Karriere von außen oft kurz wirkt – für die Fahrer selbst ist sie jedoch lang“, sagte Romain Bardet, vierfacher Tour-Etappensieger und Träger des Gepunkteten Trikots, gegenüber Ouest-France.
Bardet war einst selbst die große Hoffnung des französischen Radsports und trug die Erwartungslast gemeinsam mit Thibaut Pinot – eine Bürde, die sich letztlich als zu schwer erwies. Mit 25 Jahren wurde Bardet Zweiter der Tour de France hinter Chris Froome, mit einem Rückstand von vier Minuten auf den Briten.
Und obwohl noch mehrere starke Saisons folgten – darunter das Jahr darauf, als er als Gesamtdritter nur zwei Minuten vom Toursieg entfernt war –, verlagerte Bardet seinen Fokus nach und nach auf andere Ziele. Vielleicht auch, um dem enormen Druck der französischen Öffentlichkeit zu entkommen.

Bardet als Lehrstück

Vor diesem Hintergrund weiß Bardet, dass seine eigene Laufbahn Lehren bereithält. So beeindruckend es ist, dass Seixas bereits jetzt mit den Besten mithalten kann – die Entscheidung, auf ein Grand-Tour-Podium oder sogar auf den Gesamtsieg hinzuarbeiten, muss aus ihm selbst heraus reifen.
„Ich bin weit davon entfernt, jemandem Ratschläge erteilen zu wollen, aber man muss die langfristige Karriereplanung im Blick behalten. Das Schwierigste im Radsport ist, sich die Unbekümmertheit zu bewahren“, erklärt Bardet und verweist dabei auf Tadej Pogačar. „Das sehen wir selbst bei ihm, wenn sich bei der Tour de France möglicherweise Müdigkeit einschleicht.“
Auch der slowenische Ausnahmefahrer wisse, so Bardet, wann es notwendig sei, Druck herauszunehmen, Pausen einzulegen oder Ziele zu verändern – um sich den Spaß am Leistungssport zu erhalten.
Paul Seixas steht schon in jungen Jahren bei den Europameisterschaften neben Tadej Pogacar und Remco Evenepoel auf dem Podium
In jungen Jahren stand Paul Seixas bereits bei den Europameisterschaften neben Tadej Pogacar und Remco Evenepoel auf dem Podium
Genau das empfiehlt Bardet auch Seixas: Seine Karriere sollte sich nicht ausschließlich um die Tour de France – oder ein anderes einzelnes Rennen – drehen, schon gar nicht, wenn sich dieses Ziel als unverhältnismäßig schwer erweist. „Jenseits der reinen körperlichen Leistung und der Fähigkeit, sich jedes Jahr zu verbessern, geht es darum, diesen inneren Flow zu bewahren, damit Paul die Höhen erreicht, für die er bestimmt ist.“
Vor allem aber bereitet Bardet die Euphorie mancher Fans Sorgen, die den 19-jährigen Seixas bereits auf dem Podium der Champs-Élysées sehen, obwohl er noch keine einzige Grand Tour bestritten hat.
„Diese Erwartungshaltung beunruhigt mich ein wenig – angesichts der enormen Anforderungen an junge Athleten heute“, erklärt er. „Um Profi zu werden, müssen sie Erwartungen erfüllen, die deutlich höher sind als zu unserer Zeit. Das zeigt sich in Leistungsniveaus, die sie schon in sehr jungem Alter erreichen.“
Bardet schließt mit einem warnenden Gedanken: „Diese Entwicklung und die daraus resultierende mentale Belastung können die langfristige Motivation untergraben. Man muss das richtige Gleichgewicht finden – und das ist bei jedem Athleten sehr individuell.“

Der Schlüssel heißt Abwechslung

Ein abwechslungsreiches Rennprogramm sei dabei entscheidend. „Im WorldTour-Kalender fahren wir oft dieselben Rennen fünf-, sechs-, sieben- oder sogar zehnmal. Es fehlt an Vielfalt“, erklärt Bardet und beschreibt, wie sehr ständige Wiederholung an der Moral zhren kann. „Man muss diese Frische über die Jahre bewahren – auch um den Körper auf andere Weise aktiv zu halten.“
Entsprechend sollten die kommenden Jahre für Seixas vor allem eine Lernphase sein, bevor er sich der ganz großen Aufgabe widmet. „Es ist wichtig, in den ersten Profijahren das Staunen über neue Rennen zu behalten und den Umfang Schritt für Schritt zu steigern. Paul sollte auch in zwei oder drei Jahren noch Lust haben, Veranstaltungen zu entdecken, die er noch nie gefahren ist.“
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