Sean Kelly hat eine der klarsten, geerdetsten Einschätzungen zu Remco Evenepoels Tour-de-France-Perspektiven abgegeben und argumentiert, der Belgier könne die Rundfahrt in den kommenden Jahren gewinnen – allerdings erst, wenn die beiden dominierenden Kräfte ihren Griff lockern.
Im Gespräch mit Velo skizzierte die irische Legende kurz nach dem viel beachteten Wechsel des 25-Jährigen zu
Red Bull - BORA - hansgrohe einen langfristigen Fahrplan für Evenepoels Gelbes-Trikot-Ambitionen.
Bemerkenswert ist, dass Kellys Urteil nur wenige Tage nach Tadej Pogacars Geständnis kommt, er sei „erschrocken“, dass Evenepoel mit seinem neuen Umfeld noch besser werden könnte.
„Es macht mir Angst, dass er noch besser wird“, sagte Pogacar. „Für Remco könnte der Wechsel gut sein… es wird interessant, ob er den nächsten Schritt machen kann. Ich hoffe nicht, denn ich finde, er ist schon jetzt ziemlich stark und dominant.“
Kelly: Evenepoel kann die Tour gewinnen – doch Pogacar ist „im Moment unantastbar“
Kelly zögerte nicht, als er gefragt wurde, ob Evenepoel eines Tages die Tour gewinnen könne. „Ich denke, Remco würde die Tour unter den richtigen Bedingungen gewinnen“, sagte er Velo. „Und auf jeden Fall, wenn die zwei Großen aus dem Weg sind.“
Bei diesem Anspruch sieht Kelly keine Abschwächung und hält den amtierenden Weltmeister für eine Klasse für sich. „Die Tour gegen Pogacar zu gewinnen, ist derzeit nur schwer vorstellbar“, sagte er. „In den ersten Bergetappen der Tour sahen wir, wie er einfach weggefahren ist. Er hat Vingegaard zwei Minuten abgenommen und den anderen fast vier… Ich finde, er ist im Moment unantastbar.“
Auch
Jonas Vingegaard bleibt ein zentraler Faktor, wenngleich Kelly anmerkt, dass das Altersprofil des Dänen die Balance mit der Zeit verschieben könnte. „Wenn sich Remco noch ein bisschen verbessert, kommt er Vingegaard definitiv näher. Und natürlich ist Vingegaard auch älter.“
Red Bull-BORAs Projekt: „Sie machen alles für Evenepoel“
Kellys Optimismus für Evenepoels langfristige Zukunft ist eng mit seiner Überzeugung verknüpft, dass das neue Teamumfeld die Leistungsgrenze des Belgiers anheben kann. Der Ire betonte, dass Red Bull-BORA-hansgrohe trotz Führungsfiguren wie Primoz Roglic, Florian Lipowitz, Jai Hindley, Giulio Pellizzari und Dani Martinez offenbar voll darauf setzt, die Struktur um Evenepoel herum aufzubauen.
„Sie müssen Remco definitiv zeigen, dass sie hinter ihm stehen“, sagte Kelly. „Sie verändern das Personal, sie machen alles für Evenepoel. Ihre Erwartung ist, dass er die Tour in den nächsten ein, zwei Jahren gewinnen kann.“
Doch dieser Umbau braucht Zeit. Für 2026 sieht Kelly Evenepoel nicht als Pogacar-Sturz: „Wenn er das Niveau dieses Jahres ins nächste mitnimmt, sehe ich niemanden, der ihn im Kampf um den Toursieg ernsthaft herausfordert.“
Das lange Spiel
Kellys Einordnung positioniert Evenepoel letztlich als künftigen, nicht als unmittelbaren Tour-Anwärter: als Fahrer, dessen Stunde schlagen könnte, wenn Pogacars Prioritäten sich verschieben oder Vingegaards Leistungszenit zu bröckeln beginnt.
Bis dahin sind Geduld und stetige Weiterentwicklung Pflicht. Als Fahrplan für den neuen Aushängesprinter von Red Bull - BORA - hansgrohe ist das so klar und realistisch wie jede Analyse in der Phase nach dem Transfer.