Die 16. Etappe des Giro d’Italia 2025 war mehr als nur ein schwerer Tag in den Alpen – sie könnte als jener Moment in Erinnerung bleiben, an dem das Rennen kippte. Eine Etappe, die nicht nur Favoriten straucheln ließ, sondern eine gesamte Teamstrategie demontierte. Als sich das Peloton durch Schnee, Nebel und gnadenlose Anstiege quälte, geriet der Traum der Vereinigten Arabischen Emirate vom perfekten Giro ins Wanken.
Der Tag begann mit einem Paukenschlag: Primoz Roglic, einer der großen Sieganwärter, stieg nach einem erneuten Sturz in das Teamauto – kommentarlos, fast beiläufig. Damit endete nicht nur seine Giro-Ambition, sondern auch ein möglicher Showdown zwischen ihm und der Doppelspitze von UAE.
Denn die bröckelte kurz darauf selbst auseinander.
Juan Ayuso, vor der Etappe noch auf Rang drei der Gesamtwertung und mit großen Vorschusslorbeeren bedacht, verlor früh den Anschluss. Als EF Education-EasyPost am Santa-Barbara-Pass das Tempo verschärfte, fiel Ayuso überraschend schnell zurück. Kein Gegenangriff, kein letztes Aufbäumen – nur ein resigniertes Zurückbleiben. Ayuso, der zukünftige Star, ließ sich durchreichen und beendete den Tag als 17. der Gesamtwertung. Von der Podiumsvision blieb nichts.
Damit lag die Verantwortung vollständig auf den Schultern von
Isaac Del Toro. Der 21-jährige Mexikaner trägt seit der zweiten Woche das Rosa Trikot und war bislang eine der Entdeckungen des Rennens. Doch auch er kam an seine Grenzen – und das ausgerechnet am entscheidenden Schlussanstieg nach San Valentino. Nach über 200 Kilometern Kampf ließ er erst Richard Carapaz ziehen, dann auch Simon Yates. Am Ende verlor Del Toro 1:35 Minuten auf Carapaz, Yates liegt nur noch 26 Sekunden hinter ihm. Das Rosa Trikot hängt an einem seidenen Faden.
In dieser angespannten Situation richtet sich der Blick plötzlich auf jemanden, der gar nicht in Italien ist: João Almeida. Der 26-jährige Portugiese gewann in diesem Jahr bereits die Tour de Romandie und Itzulia Basque Country. Seine Grand-Tour-Erfolge – Vierter, Dritter, Sechster beim Giro, Fünfter und Neunter bei der Vuelta, Vierter bei der Tour als Helfer – sprechen für sich. Doch bei UAE ist er weiter nur Helfer, kein Leader. In der Hierarchie steht er hinter Ayuso, Del Toro – und natürlich Tadej Pogacar.
Dabei zeigt Almeida genau das Profil, das in der dritten Woche eines großen Etappenrennens zählt: Er bricht nicht ein. Er glänzt selten mit Solo-Attacken, aber er fährt konstant, kalkuliert und wird mit jedem Tag stärker. Wenn alle anderen einbrechen, ist Almeida meist noch da – und das ohne Spektakel, aber mit Verlässlichkeit.
Diese Etappe in den Alpen wirft eine unangenehme Frage für UAE auf: Haben sie erneut auf das falsche Pferd gesetzt? Ayuso ist gescheitert, Del Toro zeigt erstmals Schwäche. Und der Fahrer, der für genau solche Situationen gebaut scheint, durfte nicht starten. Hätte man auf Almeida gesetzt, stünde das Team vielleicht nicht vor dem Scherbenhaufen einer gescheiterten Doppelspitze.
Almeidas Abwesenheit wird nun zur Mahnung. Es geht nicht nur darum, ob er diesen Giro hätte gewinnen können – sondern darum, dass er ihn wohl überlebt hätte. Und manchmal ist das alles, was zählt. Wenn UAE in Mailand ohne Rosa Trikot dasteht, wird man sich an diesen Tag erinnern. Und sich fragen, ob Konstanz nicht mehr wert gewesen wäre als ein weiterer verfrühter Griff nach den Sternen.