Bei seiner siebten
Tour de France wird
Wout Van Aert erneut mehrere Rollen übernehmen: Edeldomestique, Klassikerjäger, Allrounder. Im Medientalk vor dem Grand Départ spricht der Belgier gegenüber RadsportAktuell über seine jüngste Erkrankung, die Folgen des Giro, die neue Paris-Etappe – und warum er sich nicht auf das Punktetrikot konzentrieren will.
Frage: Wout, Sie waren zuletzt krank. Wie geht es Ihnen jetzt – pünktlich zum Tour-Start?
Van Aert: Zum Glück wieder gut. Es war ein kleiner Rückschlag mit sehr schlechtem Timing – in der Nacht vor den belgischen Meisterschaften wurde ich im Teamhotel krank. Am Sonntag konnte ich kaum etwas essen. Aber zum Glück war es nur ein Magen-Darm-Virus, und am Montag konnte ich schon wieder aufs Rad steigen. Das war schnell überstanden.
„Ich fühle mich immer noch etwas schwächer“
Frage: Wird das Ihre Leistung bei der Tour beeinträchtigen?
Van Aert: Ich hoffe natürlich nicht. Ich fühle mich immer noch etwas schwächer als noch vor einer Woche, aber ich bin sicher, dass ich mich von der Krankheit erholt habe. Wenn das Rennen beginnt, wird sich zeigen, wie weit ich wirklich bin.
Frage: Im Fernsehen sagten Sie, Sie wollen auf Etappensiege gehen. Bekommen Sie dafür Unterstützung vom Team – trotz des Ziels Gelb für Jonas Vingegaard?
Van Aert: Ganz allein werde ich das sicher nicht schaffen. (lacht) Natürlich ist der Gesamtsieg für Jonas das große Ziel. Aber viele der Etappen, auf die ich hoffe, sind auch für ihn wichtig – etwa, um in Position zu bleiben. Wir werden also Hand in Hand fahren, mit einem superstarken Team, das in den Finals präsent ist.
Frage: Wenn Sie eine Etappe gewinnen – wird das Grüne Trikot dann doch zum Thema?
Van Aert: Nein. Ich denke nicht an das Grüne Trikot. Dafür müsste ich bei den Massensprints mehr Punkte holen – und jeden Tag um Platzierungen kämpfen. Mit unseren Ambitionen im Gesamtklassement ist es auch mal gut, einen Tag mit weniger Druck zu haben. Mir hat es vor ein paar Jahren Spaß gemacht, Grün zu gewinnen – aber noch mehr Spaß haben mir die Etappensiege gemacht. Und genau darauf konzentriere ich mich diesmal.
Frage: Worauf liegt Ihr Fokus – auf den Zeitfahren und Sprintankünften?
Van Aert: Es kommt immer auf die Etappe an. Aber ja, ich denke, meine besten Chancen liegen in den anspruchsvollen Finals – eher als bei klassischen Massensprints.
Frage: Im Team stehen Jonas, Simon und Matteo stark im Fokus. Gibt Ihnen das mehr Freiheit?
Van Aert: Ich sehe das nicht als Problem. Innerhalb des Teams ist alles sehr gut ausbalanciert. Es gibt klare Ziele für jeden, und ich bekomme Unterstützung für das, was ich bei dieser Tour erreichen will. Und was den Druck betrifft: Der ist immer da – damit kann ich umgehen.
„Für mich ist das eine schöne Strecke“
Frage: Die erste Woche der Tour verspricht Chaos – viele sprechen von einem „Klassiker-Profil“. Sehen Sie das auch so?
Van Aert: Absolut. An manchen Tagen wird es sich wie ein Frühjahrsklassiker anfühlen. Die Strecke ist sehr interessant – es gibt viele Etappen mit kniffligen Finals, die für Attacken gemacht sind. Natürlich werden die Berge am Ende entscheiden, aber die erste Woche kann das Rennen schon prägen. Für einen Fahrertyp wie mich ist das eine schöne Strecke.
Frage: Sie sind den Giro gefahren – und letztes Jahr die Vuelta nach der Tour. Erwarten Sie ein ähnliches Niveau jetzt bei Ihrer zweiten Grand Tour des Jahres?
Van Aert: Das wäre schön. Nach der Vuelta im letzten Jahr war das ein positives Gefühl – darum habe ich dieses Jahr selbst beim Team angeregt, zwei Grand Tours zu fahren. Aber es ist keine exakte Wissenschaft. Vieles im Radsport ist heute datenbasiert – aber nicht alles lässt sich planen oder vorhersagen.
Frage: Sie haben gute Erinnerungen an Nordfrankreich – Calais, Ventoux…
Van Aert: Das sind zwei meiner schönsten Siege. In Calais im Gelben Trikot zu gewinnen, war besonders emotional. Und der Ventoux-Sieg bleibt unvergesslich. Es ist schon lustig, dass wir bei dieser Tour beide Gegenden wiedersehen – ich werde auf jeden Fall daran denken, wenn wir dort vorbeikommen.
Frage: Beim Giro waren Sie auch Helfer für Simon Yates. Mit so vielen Kletterern im Team – was ist Ihre Rolle in den Bergen?
Van Aert: Wir planen das nicht im Detail im Voraus. Klar ist, dass andere im Team stärker am Berg sind als ich. Ich werde sicher nicht der Letzte sein, der arbeiten muss – aber ich bin flexibel einsetzbar. Wenn ich Teil einer Gruppe bin, die vor dem Feld liegt, kann das auch nützlich sein.
Frage: Spüren Sie körperlich, dass Sie den Giro in den Beinen haben?
Van Aert: Im Moment ist es schwer zu sagen – vor allem nach der letzten Woche mit der Krankheit. Ich fühle mich eigentlich gleich, aber das lässt sich besser beantworten, wenn die Tour vorbei ist.
Frage: Zum Abschluss: Die neue Streckenführung auf dem Montmartre in Paris – Chance oder Risiko?
Van Aert: Ich war kein Fan der Änderung. Ich mochte das klassische Finale auf den Champs-Élysées – auch wenn viele denken, es sei eine Parade. Ich kann Ihnen sagen: Diese eine Stunde dort ist brutal – man muss ständig wachsam sein, und der Sprint ist hart. Für mich war es ein historisches Finale. Aber gut, die neue Strecke liegt mir wahrscheinlich besser – ich hoffe nur, dass keine Stürze oder Defekte das Ergebnis beeinflussen. Das wäre bitter.