"Mehr als ein Wasserträger" – Ilan Van Wilder rückt ins Zentrum von Evenepoels Tour-Ambitionen

Radsport
durch Nic Gayer
Freitag, 20 Juni 2025 um 13:00
remcoevenepoel
Fünfzehn Tage bleiben Remco Evenepoel und seinem Team Soudal - Quick-Step, um sich auf das vielleicht schwierigste Unterfangen ihrer bisherigen Karrieren vorzubereiten: der Kampf gegen die geballte Übermacht von Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard bei der Tour de France 2025. Und nach dem durchwachsenen Auftritt beim Criterium du Dauphine scheint klar: Sie werden jeden dieser Tage brauchen.

Zwischen Hoffnung und Realität

Evenepoel beendete die Dauphine auf Platz vier und sicherte sich den prestigeträchtigen Etappensieg im Einzelzeitfahren – ein Beweis seiner Klasse im Kampf gegen die Uhr. Doch sobald es bergauf ging, offenbarte sich einmal mehr ein vertrautes Muster: Gegen die Elite der Kletterer verlor der Belgier an Boden. Was dabei besonders ins Gewicht fällt: In der entscheidenden Phase war er erneut auf sich allein gestellt.
Mit dem Ausfall von Mikel Landa nach dessen schwerem Giro-Sturz (Wirbelsäulenverletzung) ist der belgische Hoffnungsträger nun endgültig ohne echten Bergkapitän. Die Rolle des wichtigsten Helfers fällt nun Ilan Van Wilder zu – 25 Jahre alt, solide Saison, wachsender Einfluss.

Van Wilder: Vom Talent zum Schlüsselspieler

Van Wilder, einst „Remcos Schatten“, ist inzwischen selbst ein gestandener WorldTour-Fahrer. Top-10-Ergebnisse bei Paris–Nizza, Baskenland-Rundfahrt, Volta ao Algarve und aktuell bei der Tour de Suisse belegen seine Konstanz. Noch wichtiger: Auf der Königsetappe der Schweiz-Rundfahrt konnte er mit Joao Almeida mithalten – ein Fahrer, der bei der Tour eine der Säulen von Pogacars Superteam sein wird.
„Ich fühle mich gut“, sagte Van Wilder im Gespräch mit IDLProCycling.com. „Es war keine perfekte Woche, aber ich habe gesehen, dass ich mit den Besten mithalten kann – das gibt mir Motivation.“ Diese Selbstsicherheit ist nicht bloß Zweckoptimismus, sie basiert auf realer Entwicklung. „Seit der Tour letztes Jahr bin ich deutlich zäher geworden. Ich kann auch nach schlechten Tagen noch liefern – das war früher nicht der Fall.“
Ilan van Wilder wird für Evenepoel eine entscheidende Rolle spielen
Ilan van Wilder wird für Evenepoel eine entscheidende Rolle spielen

Die große Verantwortung

In der Theorie ist Van Wilder bereit, Verantwortung zu übernehmen. In der Praxis wird diese größer ausfallen, als es jedem Kapitän lieb sein kann. Denn die Probleme im Team Soudal häufen sich:
  • Louis Vervaeke kämpft nach Schlüsselbeinbruch um den Anschluss.
  • Valentin Paret-Peintre kehrt erst von einer Verletzung zurück.
  • Max Schachmann zeigte bei der Dauphine Schwächen.
Und abgesehen von Van Wilder fehlt es an Fahrern mit echter Kletterqualität. Das macht den 25-Jährigen nicht nur zu einem Edelhelfer – sondern zur zentralen Figur im GC-Projekt von Evenepoel.

Das strukturelle Problem

Während UAE und Visma von eingespielten, in der Tiefe beeindruckenden Kadern profitieren, bleibt bei Quick-Step der Eindruck eines Teams, das auf diesen Dreifachkampf nicht vorbereitet ist. Der Umbau vom Klassiker-Team zur Grand-Tour-Mannschaft ist im Gange – aber noch nicht abgeschlossen. Die Tour de France 2025 kommt womöglich ein Jahr zu früh.
Denn selbst wenn Van Wilder seine Entwicklung fortsetzt, wird Evenepoel an den ganz steilen Tagen weiterhin isoliert sein. Ein Helfer, selbst ein sehr guter, reicht nicht gegen Sivakov + Almeida + Yates (UAE) oder Sepp Kuss + Van Aert + Simon Yates (Visma).

Kann das Duo trotzdem glänzen?

Vielleicht. Denn Evenepoel bleibt ein Sonderfall – explosiv, angriffslustig, taktisch intelligent. Mit kluger Etappenwahl, defensivem Klettern und offensivem Zeitfahren ist ein Podium möglich. 2024 wurde er Dritter – und das mit ähnlicher Situation.
Doch eines ist klar: Wenn Soudal - Quick-Step nicht erneut auseinanderfällt, liegt das vor allem an Ilan Van Wilder. Nicht als Wasserträger – sondern als Träger der Tour-Hoffnungen Belgiens.
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