"Lasst den Mann einen Tag lang in seinem Ruhm schwelgen" – Isaac del Toro antwortet mit purer Klasse

Radsport
durch Nic Gayer
Donnerstag, 29 Mai 2025 um 11:30
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Isaac Del Toro hat auf der 17. Etappe des Giro d’Italia 2025 eindrucksvoll zurückgeschlagen – und wie. Nur 24 Stunden nach einem schwierigen Tag setzte der junge Mexikaner vom UAE Team Emirates ein kraftvolles Ausrufezeichen. Mit einer entschlossenen Attacke, cleverer Renntaktik und messerscharfer Kurventechnik gewann er nicht nur die Etappe, sondern überzeugte auch Skeptiker wie Johan Bruyneel, der seinen Auftritt als „eine schöne Antwort an alle Zweifler und vor allem an sich selbst“ bezeichnete.

Del Toro kämpft – und gewinnt

Schon zu Beginn der Etappe ging es zur Sache. „Massive Ausreißversuche“, wie Spencer Martin von The Move analysierte, prägten die erste Rennphase. Inmitten des Chaos wurde Del Toro kurzzeitig zurückgeworfen – doch statt auf Teamhilfe zu warten, trat er selbst an. „Er sprintet einfach über eine ziemlich große Lücke“, beschrieb Martin die Szene. Es war das erste Zeichen, dass Del Toro wieder auf der Höhe war.
Eine große Spitzengruppe mit 40 Fahrern – darunter Vertreter von Visma, UAE und EF Education–EasyPost – prägte das Rennen. Am Mortirolo setzte Richard Carapaz ein Signal, griff kurz vor dem Gipfel an und schien sich einen Vorteil zu verschaffen. Del Toro fiel zunächst zurück. „Er driftet im Anstieg zurück“, beobachtete Martin, während Fahrer wie Simon Yates, Egan Bernal und Derek Gee stark wirkten. Carapaz erreichte die Kuppe mit einem Helfer im Schlepptau – ein bedrohliches Szenario.
Doch UAE hatte einen Plan. „Sie haben Del Toro wieder nach vorne gebracht“, erklärte Martin. Adam Yates machte Tempo, hielt den Rückstand gering. Als es in den finalen Anstieg ging, 12 Kilometer vor dem Ziel, war Del Toro wieder in Schlagdistanz.
Ist del Toro jetzt der Favorit auf den Gesamtsieg?
Ist del Toro jetzt der Favorit auf den Gesamtsieg?

Der entscheidende Moment

Neun Kilometer vor dem Ziel explodierte die Gruppe der Favoriten. Del Toro hielt sich vorn, überquerte den Gipfel als Erster – und dann kam seine Spezialität: Abfahrt. Im Regen fuhr er technisch sauber und mutig, ließ Carapaz und Bardet stehen. „Er fährt einfach so schnell durch die letzte Kurve“, kommentierte Martin beeindruckt. Carapaz kam nicht mehr heran – Del Toro siegte.
Im Rückblick lobte Bruyneel die Taktik: „Das war der Plan – auf dem Mortirolo nicht zu reagieren.“ Und auch wenn er einräumt, dass solche Pläne nur gut klingen, wenn sie aufgehen, war das Kalkül aufgegangen.

Vorsprung ausgebaut – Spannung steigt

Mit dem Etappensieg und dem Zeitbonus vergrößerte Del Toro seinen Vorsprung. 25 Sekunden gewann er auf Adam Yates, 26 auf Derek Gee. Richard Carapaz verlor erneut Zeit und liegt nun 41 Sekunden zurück, Yates 51, Gee 1:57 Minuten. „Wir haben jetzt eine Art große Vier“, sagte Martin – ein enges Rennen also, das sich auf den letzten beiden Bergetappen entscheiden dürfte.

Was kommt noch?

Die Etappen 19 und 20 versprechen extreme Härte. Bruyneel bleibt skeptisch: „Ich denke, dass Carapaz auf den letzten beiden großen Etappen sehr wahrscheinlich die Oberhand behalten wird.“ Martin stellte ebenfalls Del Toros Kletterfähigkeiten infrage: „Er ist einer der Besten auf hügeligem Terrain, aber ich habe immer noch Fragen zu seinem Klettern.“
Beide erinnerten daran, dass Del Toro nach dem zweiten Ruhetag mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte – ein Muster, das UAE im Blick behalten muss. Denn: „Es gibt keine Ruhetage mehr“, wie Bruyneel betonte.
Juan Ayuso, ein früherer Hoffnungsträger, hat nach seiner Knieverletzung den Anschluss verloren. „Mit ihm stimmt etwas nicht“, sagte Bruyneel. Die Körpersprache, die Leistung – all das spreche eine klare Sprache.
Juan Ayuso hat Isaac Del Toro nicht unterstützen können
Juan Ayuso hat Isaac Del Toro nicht unterstützen können
Egan Bernal liegt auf Rang sechs – mit einem Rückstand von 4:43 Minuten. Bruyneel glaubt, dass mehr drin wäre, wenn Bernal konservativer fahren würde: „Er sollte in diesem Rennen Dritter oder Vierter werden.“
Simon Yates? Eher passiv, glaubt Martin. „Ich erwarte keine große Attacke von ihm“, sagte auch Bruyneel. Beide sehen Carapaz als Del Toros gefährlichsten Gegner.

Etappe 18 als kurze Verschnaufpause

Die 18. Etappe dürfte für die Gesamtwertung keine große Rolle spielen. Mit 144 hügeligen Kilometern rund um den Comer See und 50 flachen Kilometern Richtung Mailand rechnen Martin und Bruyneel mit einem Massensprint. Favoriten: Olav Kooij, Kaden Groves, Mads Pedersen. Bruyneel glaubt an Kooij: „Er ist ein kleines bisschen schneller.“ Martin tippt auf Groves: „Er liebt Etappen mit vielen Kilojoule.“
Ausreißversuche sind dennoch möglich. Matthias Vacek gilt als starker Außenseiter. „Wenn es eine Ausreißergruppe gibt, ist es schwer vorstellbar, dass jemand anderes als Vacek gewinnt“, meinte Martin.

Fazit: Alles offen – und doch ein Ausrufezeichen gesetzt

Noch ist nichts entschieden. Aber Del Toros Auftritt auf Etappe 17 war ein starkes Statement. Oder, wie Bruyneel es formulierte: „Lasst den Mann einen Tag lang in seinem Ruhm schwelgen... das war pure Klasse.“
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