Nach der Tour de France Femmes 2025 stand
Sarah Gigante im Fokus der Medien – nicht nur für ihre beeindruckenden Kletterleistungen, sondern auch wegen ihrer Defizite bergab. Die Fahrerin von AG Insurance - Soudal glänzte am Berg als eine der Stärksten, doch in den Abfahrten wurde sie zur Zielscheibe der Kritik.
„Ein Großteil davon ist einfach fehlende Rennerfahrung. Ich habe nicht oft die Gelegenheit, im Peloton Pässe hinunterzufahren, und hatte in den letzten Jahren nur wenige Renntage“,
erklärte Gigante im Domestique Hotseat-Podcast. „Ich bin zwar schon lange Profi, aber wenn man immer wieder sechs Monate pausieren muss, rostet man eben ein.“
Die Saison 2025 war für die Australierin ohnehin von Rückschlägen geprägt. Wegen einer Endofibrose-Erkrankung konnte sie erst Ende Mai bei der Tour of Norway starten. Ihr Comeback fiel jedoch spektakulär aus: nur einen Monat später gewann sie zwei Bergetappen beim Giro d’Italia Women.
Dieser Erfolg trug ihr einen Platz auf dem finalen Podium ein. Zwei Wochen danach forderte sie am Col de la Madeleine sogar Pauline Ferrand-Prévot heraus – am Ende sprang dennoch „nur“ Rang sechs in der Gesamtwertung heraus. Mehr als 23 Renntage werden es in diesem Jahr allerdings nicht werden: Ein Trainingssturz vor den Weltmeisterschaften führte zu einem Oberschenkelbruch.
Während Gigante bergauf längst zur Weltelite gehört, bleiben die Abfahrten ihre Achillesferse. Sie selbst verweist auf technische Faktoren, die ihr Probleme bereiten:
„Ich habe den Unterschied wirklich unterschätzt. Vielleicht klingt das wie eine Ausrede, aber man muss sich erst an das Gefühl der tiefen Rennlaufräder gewöhnen, mit denen wir fahren – im Vergleich zu meinen kleinen Trainingsrädern daheim“, erklärte sie.
Nach der Tour de Suisse zog Sarah Gigante bereits Konsequenzen und nahm technische Anpassungen vor, die sich spürbar auf ihre Leistungen auswirkten:
„Ich konnte meine Bremsen bei Stürzen nicht richtig erreichen. Das haben wir nach der Schweiz und vor dem Giro verändert – und ich hatte sofort das Gefühl, dass das einen großen Unterschied macht“, erklärte sie. „Die Bremsen sind einfach weit weg, und mit meinen kleinen Händen ist es in solchen Situationen schwieriger, die Hebel zu greifen.“
Grundsätzlich sieht Gigante ihr Abfahrtsverhalten gar nicht so kritisch. Doch der Kontrast zu ihrer außergewöhnlichen Kletterstärke verstärkt den Eindruck, dass die Australierin bergab besonders schwächelt – zumal sie häufig mit Fahrerinnen konfrontiert ist, die als ehemalige Mountainbike- oder Cyclocross-Weltmeisterinnen technisch perfekt ausgebildet sind.
„Ich glaube, der ganze Medienrummel entstand nur, weil ich so gut klettern kann. Zwischen meinen Kletter- und Abfahrtsleistungen gibt es eine große Lücke. Das heißt aber nicht, dass ich die schlechteste Abfahrerin der Welt bin oder – wie manche schreiben – langsamer als ihre Oma“, so Gigante.
Die Kritik blieb nicht ohne persönliche Folgen. Immer wieder landeten unschöne Nachrichten in ihren Postfächern:
„Viele Leute hielten es für nötig, mir privat oder direkt unter meinen Beiträgen zu schreiben. Wenn ich nach Hass suchen würde, würde ich ihn sicher finden. Aber muss man mich wirklich persönlich anschreiben?“
Trotz dieser Schattenseiten überwiegt für Gigante das Positive:
„Die Berichterstattung über den Frauenradsport ist unglaublich und wächst stetig. Natürlich bringt das auch Nachteile mit sich, wenn man mehr in der Öffentlichkeit steht. Aber wenn es bedeutet, dass unser Sport größer und besser wird, nehme ich das gern für das Team in Kauf.“