Das
Team Visma | Lease a Bike hat im Vergleich zu finanzstarken Konkurrenten wie UAE Team Emirates – XRG oder Red Bull – BORA – hansgrohe deutlich weniger Budget zur Verfügung. Entsprechend kreativ musste die niederländische Mannschaft in der Kaderplanung für 2026 agieren – und überraschte dabei mit mehreren unerwarteten Verpflichtungen. Eine davon ist
Filippo Fiorelli, der seine gesamte Profikarriere im italienischen Bardiani-Team verbracht hat. Der 30-jährige Sizilianer soll künftig als Anfahrer für
Wout van Aert und
Matthew Brennan eingesetzt werden.
Spätstarter mit beeindruckendem Aufstieg
Fiorelli ist ein ungewöhnlicher Fall im modernen Radsport. Erst 2020, im Alter von 25 Jahren, erhielt er seinen ersten Profivertrag bei VF Group – Bardiani CSF – Faizanè. Dort bewies er sofort sein Potenzial: Bereits in seiner Debütsaison fuhr er bei zwei Etappen des Giro d’Italia in die Top Ten – ein Einstand, der selbst die Teamleitung überraschte.
Ein Wechsel in die WorldTour schien für den Italiener lange unerreichbar. „Ehrlich gesagt, nein. Ich hatte die Hoffnung fast aufgegeben“, erzählt Fiorelli im Gespräch mit OA Sport. „Dann kam eine gute erste Saisonhälfte, und plötzlich meldete sich Visma. Ich habe einen Zweijahresvertrag unterschrieben – ein Traum ist wahr geworden.“
Vielseitiger Sprinter mit Allround-Qualitäten
Zwar hat Fiorelli bisher nur einen Profisieg errungen, doch seine Stärken liegen in seiner Vielseitigkeit. Offiziell gilt er als Sprinter, doch er kann auch mit kurzen Anstiegen und mittelschweren Bergen gut umgehen. Beim Giro d’Italia 2021 verpasste er in Sestola nur knapp den Etappensieg am Berg, und 2023 belegte er beim Sprintfinale in Rom hinter Mark Cavendish den dritten Platz.
Sein Durchbruch kam jedoch beim Giro d’Abruzzo 2024: Auf den ersten beiden Etappen wurde er Zweiter, auf der Königsetappe nach Roccaraso Siebter. Am Ende gewann er die Punktewertung und belegte Rang fünf in der Gesamtwertung. Seine Leistungen in den Sprints, an kurzen Anstiegen und über längere Distanzen überzeugten schließlich auch die Scouts von Visma.
Neue Rolle im Starteam
„Das Team hat mir das Projekt sehr klar erklärt“, berichtet Fiorelli. „Sie haben mich direkt nach dem Giro kontaktiert und mir ihre Pläne präsentiert. Besonders beeindruckt hat mich, wie detailliert sie meine Fahrtechnik analysiert haben – sogar meine Fähigkeit, Stürze zu vermeiden, war Teil der Auswertung. Eine verletzungsfreie Saison ist Gold wert.“
Künftig wird Fiorelli im Sprintzug eine Schlüsselrolle einnehmen – als letzter Mann für Wout van Aert und Matthew Brennan. Eine neue Herausforderung für den Italiener, der bislang selbst als Chefsprinter an den Start ging. „Ich werde der letzte Mann sein, aber auch eigene Chancen bekommen. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, darf ich meine Karte spielen.“
Schritt in eine neue Dimension
Der Wechsel zu einem WorldTour-Team bedeutet für Fiorelli den Eintritt in eine neue sportliche Dimension. „Visma ist eine Organisation auf höchstem Niveau“, sagt er anerkennend. „Ohne Bardiani etwas nehmen zu wollen – sie haben großartige Arbeit für den italienischen Radsport geleistet. Aber bei Visma spürt man die Professionalität eines der besten Teams der Welt.“
Mit seiner Erfahrung, seinem Spätstart und seiner Lernbereitschaft könnte Fiorelli zum stillen Erfolgsfaktor in Vismas Sprintzug werden – und zugleich zum Symbol dafür, dass man auch jenseits des klassischen Talentalters noch den Weg an die Spitze finden kann.
Nur wenige hätten dem Bardiani-Fahrer zugetraut, dass er bei Visma zum Vorreiter wird. @Sirotti