Die siebte Etappe der Vuelta a Espana hatte alles, was Radsportfans lieben: Attacken, Taktik und Emotionen. Im Mittelpunkt stand das UAE Team Emirates – und allen voran Juan Ayuso. Der junge Spanier meldete sich mit einem eindrucksvollen Etappensieg zurück und bewies, dass er trotz Rückschlägen in dieser Rundfahrt nicht abzuschreiben ist.
Sein Landsmann Jay Vine ebnete den Weg, während João Almeida die Favoritengruppe beschäftigte und sogar Jonas Vingegaard ins Visier nahm – auf dem Rad und später auch verbal. „Er ist einfach die ganze Zeit auf dem Gaspedal. Man konnte sehen, dass er nicht nur gewinnen wollte, sondern auch ein Statement setzen wollte“, kommentierte Analyst Spencer Martin im Podcast The Move.
Mit diesem Erfolg feierte die Mannschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten bereits ihren dritten Etappensieg in Serie, zwei davon aus Ausreißergruppen heraus. Für Ayuso war es der erste Tageserfolg seiner Vuelta-Karriere – und ein klares Signal, dass er an guten Tagen in den Bergen jeden schlagen kann.
Ein Sieg mit Symbolkraft
Ayuso hatte vor der Etappe keine Chancen mehr im Kampf um das Rote Trikot. Doch am langen Anstieg nach Cerler zeigte er, dass er an Form zugelegt hat. Nach einer offensiven Fahrt setzte er sich von seinen Mitstreitern ab und ließ der Konkurrenz keine Chance.
„Wir wissen nicht genau, was gestern passiert ist, aber heute war er klar der Stärkste“, urteilte Johan Bruyneel. Der belgische Ex-Teamchef hob hervor, dass Ayuso nicht nur taktisch clever fuhr, sondern auch physisch dominierte: „Er musste die erste Stunde praktisch allein arbeiten, um überhaupt in die Gruppe zu kommen. Dass er am Ende trotzdem die Kraft hatte, die Etappe zu entscheiden, ist beeindruckend.“
Der Vergleich mit den Favoriten im Gesamtklassement fiel ebenfalls bemerkenswert aus. Zwar büßte Ayuso im Schlussanstieg etwas Zeit gegenüber den Top-Kapitänen ein, doch der Rückstand blieb gering. Bruyneel: „Wenn er bei den Favoriten geblieben wäre, hätte er vermutlich auch dort mithalten können. Seine Leistung zeigt, dass er trotz allem das Potenzial für Großes hat.“
Im Gesamtklassement ist Ayuso zwar chancenlos, doch genau darin liegt seine Freiheit. Ohne Druck auf die Gesamtwertung kann er Etappen ins Visier nehmen – oder sich in den Dienst seiner Teamkollegen stellen. Besonders João Almeida, der aktuell die besten Karten der Emiratis im Kampf um das Podium besitzt, könnte profitieren.
„Ich hoffe, dass das Team ihn künftig auch als Helfer einsetzt“, analysierte Bruyneel. „Almeida ist zusammen mit Ciccone der härteste Konkurrent von Vingegaard. Dafür braucht er Unterstützung in den Bergen, und Ayuso kann diese Rolle perfekt ausfüllen.“
Es deutet sich also an, dass die Vuelta für Ayuso zu einem doppelten Schauplatz wird: einerseits als Bühne für eigene Erfolge, andererseits als Prüfstein, wie sehr er sich ins Mannschaftsgefüge einordnet.
Ayusos Jubel an der Ziellinie blieb nicht unbemerkt.
Ist Ayuso ein Teamplayer?
Sein Triumph in Cerler löste auch eine alte Debatte neu aus: Ist Juan Ayuso wirklich ein Teamspieler? Schon länger kursieren Gerüchte, er denke über einen Abschied von UAE nach. Vor wenigen Tagen berichtete die spanische AS, dass er ab 2026 bei Lidl-Trek unterschreiben könnte – obwohl sein Vertrag mit UAE offiziell bis 2028 läuft.
„Am Ende sind das Schlagzeilen, die sich gut verkaufen“, meint Bruyneel. „Innerhalb des Teams dürfte das keine so große Rolle spielen. Wichtig ist, dass Ayuso ein starker Fahrer ist und heute die Etappe mit den meisten Höhenmetern der gesamten Vuelta gewonnen hat.“
Auch João Almeida fand nach dem Etappensieg anerkennende Worte für seinen Teamkollegen – ein Hinweis darauf, dass das Verhältnis im Team stabiler sein könnte, als es in den sozialen Medien oft dargestellt wird.
Neues Kapitel in der Rivalität zwischen UAE und Visma?
Neben Ayusos Solo stand auch der Schlagabtausch zwischen UAE und Team Visma im Rampenlicht. Am letzten Anstieg attackierte Almeida mehrfach. Vingegaard und Giulio Ciccone folgten, doch durch mangelnde Zusammenarbeit verpuffte der Versuch. Nur Marc Soler konnte sich mit einer späten Attacke ein paar Sekunden sichern.
Das Gesamtklassement blieb weitgehend unverändert – abgesehen vom Ausscheiden von David Gaudu und Antonio Tiberi, die das Rennen verlassen mussten.
Die Spannungen zwischen UAE und Visma traten jedoch deutlich zutage. „Es gibt da eine Art Hassliebe“, erklärte Bruyneel. „Die VAE mögen Visma nicht, und Visma mag die VAE nicht.“ Besonders Almeida zeigte nach dem Ziel, dass er sich von Vingegaards Fahrweise provoziert fühlte.
„Jonas zieht nie richtig mit, er folgt oder attackiert – mehr macht er nicht“, kritisierte Almeida. Zwar räumte er ein, dass es Vingegaards gutes Recht sei, taktisch zurückhaltend zu fahren, doch die Spitze saß.
Almeida gegen Vingegaard
Almeidas Worte waren kein zufälliger Ausrutscher. Sie spiegeln wider, dass die Rivalität zwischen den beiden Teams längst über das rein Sportliche hinausgeht. Bruyneel brachte es auf den Punkt: „Wenn Almeida das bei der Tour gesagt hätte, wäre es eine Schlagzeile für drei Zeitungsseiten. Bei der Vuelta geht so etwas fast unter.“
Dabei zeigt sich genau hier, wie sehr das Rennen an Schärfe gewinnt. Vingegaard bleibt der große Favorit, doch Almeida hat bewiesen, dass er keine Angst vor dem Dänen hat – weder auf der Straße noch im verbalen Schlagabtausch.
Nach einem Drittel der Vuelta ist klar: UAE Team Emirates spielt eine zentrale Rolle im Kampf um Etappen und Gesamtwertung. Ayuso hat seine Kritiker mit einem starken Sieg verstummen lassen, Almeida hält die Ambitionen auf das Podium am Leben, und das Team beweist mannschaftliche Stärke.
Die kommenden Bergetappen versprechen weitere Attacken und Rivalitäten. Ob Ayuso erneut eigene Chancen erhält oder zum Edelhelfer wird, bleibt offen. Sicher ist jedoch: Mit ihm und Almeida hat UAE zwei Fahrer, die Vingegaard und Co. unter Druck setzen können.