Cardiff, 2025 – Geraint Thomas hat in seiner langen Karriere alles erlebt: olympisches Gold, den größten Sieg seiner Laufbahn bei der Tour de France 2018, aber auch schmerzhafte Niederlagen wie beim Giro 2019. Doch nichts trug so viel Gewicht wie sein letzter Zieleinlauf bei der Tour of Britain 2025, als der 39-Jährige in Cardiff unter frenetischem Jubel seine 19-jährige Profikarriere beendete.
Emotionen auf heimischem Boden
Für Thomas, der seine ersten Runden einst auf der Maindy-Bahn drehte, war das Heimspiel in Wales der perfekte Rahmen für den Abschied. Tausende Fans säumten die Straßen, 4.000 feierten anschließend im Cardiff Castle – die Tickets waren binnen einer Stunde ausverkauft. „Es war einfach unwirklich. It was so good“, erzählte er im Podcast Watts Occurring mit Luke Rowe.
Beim Zieleinlauf konnte der Waliser seine Emotionen kaum zurückhalten. „Ich ließ Swifty bis zum Schluss, weil ich wusste, dass ich wahrscheinlich zusammenbrechen würde“, gestand er. „Wir umarmten uns und weinten beide.“
Die Vorbereitung auf die Etappen war geprägt von Routine – und dennoch anders. „Ich hatte fast vergessen, dass ich ein Radrennen fahren muss“, lachte Thomas. Selbst kleine Episoden, wie eine neutralisierte Passage wegen einer Kuhherde, bleiben ihm in Erinnerung. Auf den letzten Kilometern wurde es stiller, fast schon kontemplativ: „Als ich durch Birchgrove fuhr, wurde ich emotional und spürte einen Kloß im Hals.“
Das, was bleibt
In den Gesprächen mit Rowe wurde deutlich, was Thomas am meisten fehlen wird: die Kameradschaft. „Das ist das, was ich am meisten vermissen werde – füreinander fahren, sich quälen, zusammenhalten“, sagte er. Für einen Mann, der 16 Jahre bei Sky/INEOS fuhr, war dieses Gemeinschaftsgefühl genauso prägend wie seine größten Siege.
Vom Fest zur Normalität
Natürlich endete der Abschied mit einer großen Party – walisischer Gesang inklusive. Doch der Morgen danach war weniger glorreich: „Sonntagnacht war ich krank… Auf halbem Weg die Treppe hinauf, kotzte ich in eine Schüssel. Ich war ein Großer“, erzählte Thomas lachend.
Nun folgt der Alltag. Schulbeginn für seinen Sohn, Familienzeit, ein Junggesellenabschied in Portugal – „zurück zur Realität“, wie er es selbst formulierte.
Ein Vermächtnis für den Radsport
Thomas’ Karriere spannt sich über fast zwei Jahrzehnte und mehrere Epochen. Vom ersten Tour-Start 2007 bis zu den Duellen mit Evenepoel und Vingegaard 2025 verkörperte er Beständigkeit. Er wird als Tour-Sieger, Doppel-Olympiasieger und einer der größten britischen Fahrer in Erinnerung bleiben. Doch vor allem bleibt er als jemand, mit dem sich die Fans identifizieren konnten – menschlich, nahbar, immer mit einem Augenzwinkern.
In Cardiff schloss sich der Kreis: Ein Junge, der auf den Straßen seiner Heimat das Radfahren lernte, verabschiedete sich dort, wo alles begann – gefeiert wie ein Volksheld.