Elia Viviani reist an diesem Wochenende mit einem klaren Plan nach Turin: Den seltenen Frühsprint nutzen und sich eine Chance auf das Rote Trikot sichern. Die Vuelta 2025 startet am 23. August mit einer flachen Etappe von Turin nach Novara. Vieles deutet darauf hin, dass dieser Auftakt in einem Massensprint endet – genau das Szenario, auf das der Italiener seit Monaten hinarbeitet.
Nach vier Jahren ohne Teilnahme an einer Grand Tour weiß der 36-Jährige, dass ihn eine harte Vuelta erwartet. „Ich komme, weil ich weiß, dass es nur wenige Chancen geben wird – ähnlich wie beim Giro oder der Tour. Am Ende sind nicht viele Sprinter dabei, und wenn ich es in einen Sprint schaffe, habe ich meine Möglichkeit“, erklärte Viviani gegenüber Bici.Pro.
Vorbereitung auf den Tag X
Für Viviani steht der Samstag im Mittelpunkt. „Ich werde ihn wie ein Eintagesrennen behandeln. Ich möchte frisch am Start stehen, denn für mich ist der Samstag die Vuelta. Danach schauen wir von Tag zu Tag weiter“, sagt er.
Das Eröffnungswochenende ist für die schnellen Männer entscheidend, ehe die Vuelta in den Bergen härter wird. Seine Vorbereitung legte Viviani deshalb nicht ausschließlich auf den Sprint aus. In Livigno trainierte er intensiv an den Anstiegen und verbrachte drei Wochen in der Höhe mit sieben Teamkollegen. „Ich habe die klassischen Sprint-Blöcke beibehalten, aber die Arbeit im Kraftraum reduziert. Meine Herangehensweise: der erste Tag zählt, nicht die drei Wochen.“
Zur Wettkampfeinstimmung fuhr er die Polen-Rundfahrt und zeigte anschließend auch in Hamburg gute Form – bis ihn ein Reifenschaden kurz vor dem Finale stoppte.
Konkurrenzdruck im Massensprint
Viviani weiß, dass die Konkurrenz stark ist. „Es wird einen Pedersen geben, der brennt, und auch Philipsen. Vor allem Pedersen ist die Referenz für das Grüne Trikot und die Sprints.“ Tatsächlich präsentierte sich Mads Pedersen zuletzt in Dänemark in überragender Form, während Jasper Philipsen seine Konstanz auf flachen Etappen erneut unter Beweis stellte.
Dennoch bleibt Viviani optimistisch. „Wenn ich es in den Sprint schaffe, habe ich Chancen.“ Unterstützung erhält er dabei von Lotto, das ihm mit Jasper De Buyst einen erfahrenen Anfahrer an die Seite stellt.
Seine Straßenkarriere schien schon fast beendet, bevor Lotto ihm Anfang 2025 einen neuen Vertrag gab. Nun hat er die Gelegenheit, es noch einmal auf höchstem Niveau zu beweisen.
Mehr als nur ein Sprint – das große Ganze
Die Vuelta ist für Viviani mehr als ein einzelner Etappensieg. „Ich liebe die Idee, dass das Rennen in Madrid endet, wo ich schon gewonnen habe. Wenn ich die Vuelta durchfahre, werde ich die Saison genießen. Vielleicht bringt mir das sogar Chancen bei der Weltmeisterschaft, weil ich in Topform ankomme.“
Er reflektiert auch die Lücke der vergangenen Jahre: „Mir hat viel gefehlt – emotional und sportlich. Jede Saison dreht sich um die drei Grand Tours. Körperlich habe ich das wirklich vermisst.“ Ein Sieg in der Türkei zu Beginn der Saison gab ihm neues Selbstvertrauen: „Ich wollte wieder Rennen fahren und gewinnen. Das habe ich getan, und wenn ich einmal gewinne, will ich immer mehr.“
Realismus und Aggressivität im Mix
Trotz seiner klaren Zielsetzung bleibt Viviani flexibel. „Ich will nicht 17 Tage auf dem Rad verbringen und nur auf vier Sprints warten. Wenn sich eine Chance in einer Ausreißergruppe ergibt, werde ich sie nutzen.“
Seine Strategie: maßvolle Aggression. Nicht auf Glück hoffen, sondern Gelegenheiten aktiv ergreifen.
Blick in die Zukunft
Auch über seine Karriere nach 2025 denkt Viviani nach, wenn auch vorsichtig. „Die Ideen sind klarer und ruhiger als im letzten Jahr. Wir sprechen über ein weiteres Jahr, wenn alle zufrieden sind. Wenn die Saison mit einem Feuerwerk endet, warum nicht noch einmal verlängern? Aber jetzt zählt nur die Vuelta – mit vollem Fokus.“
Fazit
Für Elia Viviani ist die Auftaktetappe von Turin nach Novara mehr als nur ein Sprint. Es ist die Chance auf das Rote Trikot, die Rückkehr auf die Bühne der Grand Tours und ein möglicher Wendepunkt in seiner späten Karriere. Mit Lotto an seiner Seite, einer ausgewogenen Vorbereitung und einem klaren Plan will er das Beste aus dieser seltenen Gelegenheit machen.
Am Samstag entscheidet sich, ob Viviani seine Vuelta mit einem Paukenschlag eröffnet – oder ob die Konkurrenz ihm den Weg versperrt. Sicher ist: Für den Italiener ist es weit mehr als ein Etappenstart. Es ist ein Neustart.