„Ich dachte, sie wären direkt hinter mir“ – Wout Van Aert über seinen legendären Champs-Élysées-Sieg

Radsport
Freitag, 22 August 2025 um 12:30
WoutVanAert
Der Solosieg von Wout van Aert auf den Champs-Élysées war schon in dem Moment für die Geschichtsbücher bestimmt. Doch wie der Belgier in der neuen Tour-de-France-Dokumentation seines Teams Visma | Lease a Bike verrät, war sein Triumph von einer überraschenden Wendung geprägt: Van Aert hatte keine Ahnung, dass er Tadej Pogacar am Montmartre distanziert hatte – und der Sieg längst sicher war.
Es ist ein seltener Anblick, Pogacar straucheln zu sehen – schon gar nicht im Gelben Trikot und am letzten Anstieg der Tour de France. Doch die 2025er Ausgabe lieferte genau dieses Spektakel. Beim unkonventionellen Pariser Finale war die Gesamtwertung wegen des Regens neutralisiert worden, viele Fahrer wählten daher eine vorsichtige Linie auf dem glitschigen Stadtkurs. Van Aert jedoch nicht. Pogacar ebenso wenig. Und schon gar nicht am Montmartre.

Der entscheidende Moment

Sechs Kilometer vor dem Ziel, an der Côte de la Butte Montmartre – einem Kopfsteinpflasteranstieg, der schon beim olympischen Straßenrennen 2024 für Dramatik gesorgt hatte – zündete Van Aert die entscheidende Attacke. Selbst Pogacar musste abreißen lassen. Was folgte, war eine Solofahrt durch Paris, die in einem Triumphzug über die Champs-Élysées gipfelte.
Doch hinter der Fassade aus Kontrolle und Stärke herrschte zunächst Unsicherheit. „Ich fuhr am Ende der Gruppe, wurde angerempelt und wäre fast gestürzt“, erinnert sich Van Aert in den Teamaufnahmen. „Genau in dem Moment gingen Jorgenson und Campenaerts nach vorne. Ich dachte nur: ‘Oh nein, das wird lächerlich aussehen, wenn ich rausfalle, während die da vorne für mich alles geben.’“

Kampf um die Position

Van Aert musste daraufhin wertvolle Körner lassen, um rechtzeitig vor dem Montmartre wieder in Position zu kommen. „Ich habe ständig ins Funkgerät gerufen, dass ich nicht mehr vorne bin“, erzählt er lachend. „Das hat viel Energie gekostet, nur um wieder nach vorn zu kommen.“
Einmal dort angekommen, drehte er sich nicht mehr um. Pogacar konnte das Tempo nicht halten, Van Aert flog über den Montmartre und fuhr allein in die Pariser Nacht hinaus. Doch dem Belgier war nicht bewusst, dass er längst enteilt war: „Ich war extrem nervös. In meinem Ohr hörte ich nur Rufe, also dachte ich, sie sind direkt hinter mir. Ich habe nicht gewagt, nachzulassen.“
Tatsächlich hatte niemand mehr Sichtkontakt. Nur die Motorräder jagten Van Aert – und er merkte es nicht. „Erst auf der Zielgeraden sah ich, dass ich 500 Meter Vorsprung hatte. Ich habe mir im Grunde umsonst Krämpfe eingefahren, weil ich so hart gefahren bin“, sagt er lachend. „Aber natürlich war es das alles wert.“

Ein Sieg mit Symbolkraft

Für Van Aert war dieser Tag mehr als nur ein sportlicher Erfolg. Nach einer Saison, die von Verletzungen und Rückschlägen geprägt war, war es sein erster Etappensieg bei dieser Tour – und womöglich der bedeutendste seiner Karriere.
Für Experten und Fans ist er zudem ein Beweis für die außergewöhnliche Vielseitigkeit des Belgiers. Dass er Pogacar – ausgerechnet am Anstieg – distanzierte, macht diesen Sieg noch mythischer.
Die Etappe auf den regennassen Pariser Straßen, voller Kopfsteinpflaster, Chaos und einem Hauch Komödie, wird in die Geschichte eingehen – als eine der unvergesslichsten Schlussetappen der Tour de France.
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