„Es ist ein großartiges Gefühl, wieder Teamchef zu sein" - Jai Hindleys Grand-Tour-Träume leben nach einer schwierigen Saison mit einem starken Start bei der La Vuelta 2025 wieder auf

Radsport
Samstag, 30 August 2025 um 18:15
JaiHindley (2)
Nach anderthalb schwierigen Jahren voller Rückschläge, Verletzungen und Operationen meldet sich Jai Hindley eindrucksvoll zurück. Der Giro-Sieger von 2022 ist wieder dort, wo er hingehört: bei einer Grand Tour, mitten im Wettbewerb und als klarer Kapitän seines Teams.
Nach sieben Etappen der Vuelta a España 2025 belegt der 29-jährige Australier den siebten Gesamtrang. Sein Rückstand auf den Überraschungsführenden Torstein Traeen beträgt 2:53 Minuten – eine Lücke, die auf den ersten Blick groß wirkt. Doch entscheidender ist der kleine Abstand von nur 20 Sekunden auf Jonas Vingegaard, den zweifachen Toursieger und wohl härtesten Rivalen im Feld. Für Hindley ist es die perfekte Ausgangsposition – und die Chance, auf die er seit Monaten wartet.
„Es ist ein großartiges Gefühl, wieder Teamchef zu sein", sagte Hindley in einem Interview mit Bici.Pro. „Wir haben ein starkes Team mit mehreren Fahrern, die in die Offensive gehen können. Da muss man jede Gelegenheit nutzen. Ich habe mich seit Anfang des Jahres auf die Vuelta fokussiert, weil ich wusste, dass ich hier Freiheiten bekomme. Nach meinem Giro-Sturz stand die Erholung im Mittelpunkt – und ich wollte unbedingt in Topform an den Start gehen.“
Hindley ist ein ehemaliger Giro-Sieger
Hindley ist ein ehemaliger Giro-Sieger

Ein emotionaler Start in Italien

Für Hindley begann die Vuelta auf vertrautem Terrain. Der Auftakt in Turin hatte für ihn eine besondere Bedeutung – sportlich wie privat ist Italien seit Jahren ein wichtiger Fixpunkt. Sein Teamkollege Giulio Pellizzari unterstrich diesen Aspekt: „Jai liebt Italien. Der Start hier hat ihm sichtlich Energie gegeben. Er wirkte sehr fokussiert und gleichzeitig entspannt.“
Diese Ruhe unterscheidet Hindley von früheren Auftritten. Nach Monaten voller Verletzungen und Krankheiten strahlt er eine neue Form von Entschlossenheit aus. Sein Tiefpunkt lag im Jahr 2023, als ihn immer wieder Infekte und körperliche Probleme aus dem Rhythmus brachten. Am Ende der Saison entschied er sich für eine Operation an der Nasenscheidewand – ein Eingriff, der längst überfällig war.

Operation, Rückschlag, Neubeginn

Seine Verlobte Martina Centomo begleitete Hindley in dieser schwierigen Phase hautnah. „Das letzte Jahr war wie ein ständiger Rückschlag“, sagt sie. „Er war vor fast jedem Rennen krank und fand keinen Rhythmus. Die OP hat aber alles verändert. Jetzt kann er endlich frei atmen und trainieren.“
Gerade als sich alles zum Besseren wendete, folgte jedoch der nächste Tiefschlag. Auf der sechsten Etappe des Giro d’Italia 2025 stürzte Hindley schwer und musste aufgeben. Wieder Genesung, wieder Geduld, wieder der lange Weg zurück. Centomo erinnert sich: „Im Krankenhaus war er am Boden zerstört. Er hatte so hart gearbeitet, um fit für den Giro zu sein, und dann war alles vorbei. Aber das Team hat ihn unglaublich unterstützt. Im Red Bull Athlete Performance Center in Österreich bekam er ein klares Reha-Programm, und ab Juli trainierte er wieder in Livigno.“
Centomo ist selbst ehemalige Radsportlerin und kennt die Höhen und Tiefen dieses Sports. Beim Vuelta-Start in Italien war sie nicht nur als Betreuerin, sondern auch als Dolmetscherin für internationale Medien dabei. Heute glaubt sie fest an Hindleys Chancen: „Jai ist ruhiger, aber gleichzeitig voller Energie. Dieses Mal weiß er, dass er alles richtig gemacht hat. Die Nominierung für die Weltmeisterschaften hat ihm zusätzlich Motivation gegeben.“

Humor und neue Leichtigkeit

Neben dem sportlichen Fokus zeigt sich auch Hindleys lockere Seite. Centomo verrät: „Er tut immer so, als wäre er schüchtern. Aber er spricht mehr Italienisch, als er zugibt. Neulich hat er sogar über den Rennfunk auf Italienisch eine Gefahr angekündigt: ‚Occhio a sinistra!‘ – da mussten alle lachen.“
Diese kleine Anekdote verdeutlicht, wie wohl sich Hindley im Team fühlt. Pellizzari bestätigt: „Wir ziehen gemeinsam an einem Strang. Jai weiß, dass er jetzt seine Chance hat.“

Die entscheidende Phase beginnt

Mit dem Übergang in die Berge tritt die Vuelta in ihre heiße Phase. Für Hindley bedeutet das: jetzt oder nie. Die kommenden Etappen werden nicht nur über seine Position in der Gesamtwertung entscheiden, sondern auch über seine Rolle im Team für die kommenden Jahre.
Red Bull – BORA – hansgrohe plant langfristig: Remco Evenepoel hat einen Vertrag über mehrere Jahre unterschrieben, während die Zukunft von Primoz Roglic unklar bleibt. Hindley könnte sich mit einem starken Vuelta-Auftritt als feste Größe für die Grand Tours etablieren.
„Die Strecke bietet einige großartige Bergankünfte, bei denen ich meine Stärken ausspielen kann“, sagt Hindley. „Mein Ziel ist ein Topresultat im Gesamtklassement. Vingegaard ist in überragender Form, sein Comeback nach dem Sturz war beeindruckend. Aber wir werden jeden Tag kämpfen – und sehen, wo wir am Ende in Madrid stehen.“
Pellizzari Hindley
Pellizzari und Hindley sind beide noch im Rennen um den Sieg

Vom Giro-Sieger zum Hoffnungsträger

Für Hindley ist die Vuelta 2025 mehr als nur ein weiteres Rennen. Es ist der Beweis, dass er nach Rückschlägen stärker zurückkehren kann. Von außen betrachtet könnte man meinen, er habe alles erreicht. Doch der Australier denkt längst weiter: Er will wieder ganz oben stehen – nicht irgendwann, sondern jetzt.
Sein Weg vom Giro-Sieger 2022 zum Comeback-Hoffnungsträger 2025 zeigt, wie schnell sich das Rad im Profi-Radsport dreht. Heute kämpft Hindley nicht nur mit – er führt. Und das könnte erst der Anfang einer neuen Ära sein.
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