Isaac Del Toro hat mit seinem furiosen Spätsaison-Endspurt nicht nur seine Bilanz aufpoliert, sondern auch die Diskussion über die Zukunft des Radsports neu entfacht. Der 21-jährige Mexikaner prägt die italienischen Herbstklassiker inzwischen nach Belieben – und seine jüngsten Erfolge geben einen Vorgeschmack darauf, was die Jahre 2026 und 2027 bringen könnten. In einer Analyse von Spencer Martin und Johan Bruyneel diente Del Toros Aufstieg als Ausgangspunkt, um die Tiefe des UAE-Teams, den eskalierenden Transfermarkt und die Frage zu beleuchten, wie man Tadej Pogacar künftig überhaupt noch schlagen kann.
Schon die nackten Zahlen zeigen die Dimensionen. „Nummer 95 für die VAE, 95 Siege in dieser Saison“, so Bruyneel. „Es kommt mir wie gestern vor, als wir darüber gesprochen haben, ob sie den HTC-Rekord von 85 knacken.“ Die 100 Siege dürften knapp verfehlt werden – doch das Team um Pogacar dominiert 2025 in bisher ungekanntem Ausmaß. Und während Pogacar pausiert, nutzt Del Toro die Bühne: explosiv, angriffslustig und kaum zu kontrollieren. „Wenn er fährt und Pogacar nicht da ist, wird es für jeden anderen schwer, ihm zu folgen“, hieß es anerkennend.
Die Rennen, die Del Toro bislang gewann, sind keine leichten italienischen Wochenendrennen, sondern knallharte Prüfungen. „Diese Rennen sind brutal – sie zu gewinnen, ist extrem schwierig“, stellte Bruyneel klar. Dass der junge Mexikaner gleich mehrere davon für sich entschied, sorgte für verblüffende Vergleiche. „Er ist ein besserer Ein-Tages-Rennfahrer, als es Pogacar im gleichen Alter war“, fasste es Martin pointiert zusammen – ein Satz, der in der Szene für Aufsehen sorgte.
Doch was passiert, wenn zwei Ausnahmetalente in einem Team aufeinandertreffen? Auch darüber herrschte Uneinigkeit. Einerseits: „Del Toro wird ehrgeiziger werden und sich vielleicht nach einem anderen Team umsehen, solange Pogacar dort ist.“ Andererseits: „Wenn er klug ist, bleibt er bei Pogacar, lernt von ihm und übernimmt irgendwann die Führungsrolle.“ Beide Szenarien sind realistisch – und beide zeigen, wie kompliziert es im Luxusgefüge der VAE geworden ist.
Parallel dazu explodieren die Marktwerte. „Die Summen sind einfach zu hoch – völlig übertrieben“, so Bruyneel. Als Maßstab gilt der Evenepoel-Deal: „Wenn es stimmt, dass sie sieben Millionen Euro für Remco bezahlt haben, obwohl er noch ein Jahr Vertrag hatte, dann war das Weihnachten für Soudal. Elf Millionen Euro Umsatz in einem Jahr – unglaublich.“ Kurzfristig mögen solche Transfers Euphorie auslösen, langfristig aber verändern sie Budgets, Erwartungen und Strategien. „Es ist ein großes Risiko, eine riesige Investition“, warnt Bruyneel.
Währenddessen sortiert sich der Radsport neu. Die angekündigte Fusion von Teams ist keine Randnotiz, sondern ein massiver Umbruch. „Sie fusionieren. Sie haben offiziell bei der UCI eingereicht – Intermarché ist erledigt“, hieß es. Doch einfach sei der Prozess nicht: „Viele Verhandlungen stehen noch bevor.“
Auch um Pogacars Rennplan ranken sich Gerüchte – vom möglichen Giro-Start bis zum Verzicht auf Paris-Roubaix. „Ich habe nichts gesehen, was bestätigt, dass er den Giro fährt“, so Martin. „Und dass er Roubaix auslässt, ist nicht sicher, auch wenn das Team es bevorzugen würde.“ Am Ende gelte: „Wenn Pogacar es will, fährt er. So einfach ist das.“ Und er wisse längst, worum es geht: „Ich kann garantieren, dass Pogacar die Strecke der Tour de France bereits in seinem Besitz hat.“
All das führt zurück zu Del Toro – dem Fahrer, über den die Szene spricht. „16 Siege für jemanden wie ihn – stellen Sie sich vor, was passiert, wenn er sich noch verbessert“, schwärmte Bruyneel. „Wenn diese Entwicklung im nächsten Jahr anhält, wird er zu einem echten Problem für viele Fahrer bei Grand Tours.“
Del Toro ist nicht mehr nur der Hoffnungsträger der Zukunft. Er ist bereits das Symbol eines Generationenwechsels – und vielleicht der erste, der das scheinbar Unschlagbare an Pogacar wirklich ins Wanken bringen kann.