„Er hat es nicht ernst genug genommen" – ehemalige Tour de France-Sieger kritisieren Vingegaard nach EM-Aus 100 km vor dem Ziel

Es war ein Moment, der nach Erklärung verlangte: Jonas Vingegaard, der dänische Tour-de-France-Sieger und einer der Favoriten bei der Straßen-Europameisterschaft, wurde bei noch 110 zu fahrenden Kilometern plötzlich abgehängt – am ersten großen Anstieg, als das Peloton unter dem frühen Druck zerbrach und Vingegaard bald völlig aus dem Rennen war.

Während Tadej Pogacar zu einem weiteren atemberaubenden Solosieg fuhr, mussten die dänischen Radsportmedien die frühe Implosion ihres größten Stars verarbeiten – und nicht alle zeigten Mitleid.

Der ehemalige Tour de France-Sieger Bjarne Riis kritisierte Jonas Vingegaard nachdrücklich: Der Däne habe einfach nicht die nötige Arbeit geleistet, um konkurrenzfähig zu sein.

„Er hat nicht trainiert. Er hat nicht das getan, was nötig gewesen wäre, um für die Europameisterschaft bereit zu sein“, sagte Riis. „Es waren noch 80 Fahrer im Feld, als er abgehängt wurde – und das bei der ersten richtigen Anstrengung bergauf. Wenn das passiert, liegt es daran, dass er nicht vorbereitet war.“

Riis, der schon lange fordert, dass Vingegaard Eintagesrennen ernster nimmt, bezeichnete das Ergebnis als vorhersehbar: „Seit der Vuelta hat er nicht genug Zeit auf dem Rad verbracht. Vielleicht gibt es eine andere Erklärung, aber ich glaube, er hat es nicht ernst genug genommen und die spezifische Vorbereitung vernachlässigt, die nötig ist, um um Medaillen zu fahren.“

Der Maillot Jaune von 1996 betonte jedoch, dass Vingegaard das Potenzial dazu habe: „Er ist stark genug, um es zu schaffen – keine Frage. Aber man muss sich anstrengen. Ein Eintagesrennen ist kein Etappenrennen. Es ist eine ganz andere Art von Herausforderung.“

Der Ton der Kritik mag hart gewesen sein, doch Vingegaard wies sie nicht zurück. Vielmehr räumte er ein, dass er nach seinem Gesamtsieg bei der Vuelta a España, den er trotz Krankheit errungen hatte, mit der Erholung zu kämpfen hatte.

„Ich gebe es zu – ich brauchte mehr Zeit auf dem Rad, als ich gehofft hatte“, sagte er gegenüber Feltet. „Es dauerte fast zwei Wochen, bis ich wieder richtig trainieren konnte. Es war nicht so, dass ich nicht wollte, sondern dass ich nicht konnte.“

Diese Auszeit erwies sich als kostspielig. Im Gegensatz zu Konkurrenten wie Pogačar und Remco Evenepoel, die mit voller Rennkondition und Schwung nach Frankreich kamen, war Vingegaards Vorbereitung alles andere als ideal – und das zeigte sich deutlich: „Ich weiß nicht, ob es die zwei Wochen Pause waren, die heute den Unterschied ausmachten, oder ob es nur eine Art tiefer Müdigkeit ist, die noch in meinem Körper steckt“, erklärte er. „Aber egal, was es war – ich hatte nicht die richtigen Beine.“

Das DNF vom Sonntag setzt ein frustrierendes Muster fort: Vingegaard hat seit 2022 kein Eintagesrennen mehr beendet. Seit seinem letzten Auftritt bei Il Lombardia vor drei Jahren ist er nur einmal gestartet – bei der Clásica San Sebastián 2024 – und hat auch dieses Rennen nicht beendet.

Für Bjarne Riis ist das keine Frage des Könnens. „Er ist mehr als stark genug“, betonte der ehemalige Maillot Jaune. „Aber man kann nicht einfach auftauchen und Ergebnisse erwarten. Man muss diese Rennen als die Monumente betrachten, die sie sind. You have to commit.“

Vingegaard selbst bleibt optimistisch. „Ich glaube immer noch, dass ich bei solchen Rennen mithalten kann“, sagte er. „Aber ich muss mich besser vorbereiten. Hier ging es darum, in den Nationalfarben zu fahren und mich zu testen – aber offensichtlich war ich nicht da, wo ich sein sollte.“

Ob der Zusammenbruch vom Sonntag einen Wendepunkt in Vingegaards Herangehensweise an Eintagesrennen markiert, bleibt abzuwarten. Unter seinen Landsleuten ist die Botschaft jedoch klar: Talent allein reicht nicht.