Nach Informationen der Kolleginnen und Kollegen von
Il Corriere steht in Frankreich eine Substanz im Fokus, die zwar potenziell medizinisch nutzbar ist, aber auch in der Dopingwelt Interesse weckt. Es handelt sich um eine alternative Hämoglobinform, gewonnen aus dem Wattwurm, der als starker Sauerstoffträger im menschlichen Körper wirken könnte.
Das ruft die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) auf den Plan, die aufgrund möglicher Dopingimplikationen genauer hinsieht. Eine Verbindung zum Radsport oder zu anderen Sportarten besteht bislang nicht, doch die Behörden sind alarmiert und überwachen die Substanz folgerichtig.
Das Projekt entsteht bei Hemarina, einem biopharmazeutischen Unternehmen mit Sitz in Morlaix an der Küste der Bretagne, Frankreich. Die Firma wurde von Hochschulforschenden gegründet und arbeitet seit fünfzehn Jahren nahezu ausschließlich daran, das Hämoglobin dieses Meeresorganismus zu analysieren und anzupassen, der in großen Becken gezüchtet wird. Ziel ist es, eine natürliche Alternative zu bestimmten Standardtherapien anzubieten, insbesondere bei schweren Erkrankungen mit hohem Bedarf an Gewebeoxygenierung.
Laut vorliegender Studien hätte dieses Hämoglobin, einmal an das menschliche Kreislaufsystem angepasst, eine bis zu vierzigfach höhere Sauerstofftransportkapazität als die natürliche Version, ohne relevante Nebenwirkungen. Damit käme es als Blutersatz für Transfusionen in Frage, mit dem Zusatznutzen, wirksamer und leichter verfügbar zu sein als Spenderblut. Hemarina hat sechs verschiedene Produkte auf Basis dieser Technologie patentiert, alle gestützt durch umfangreiche wissenschaftliche Literatur.
Sportliches Interesse entstand nach einem Interview von Dr. Franck Zal, Gründer und CEO von Hemarina, in der französischen Tageszeitung L’Équipe. Er berichtete, dass vor drei Jahren ein sehr bekannter Fahrer eines WorldTour-Teams eine Lieferung des Produkts angefragt habe. Hauptgrund sei die sehr kurze Halbwertszeit, die eine schnelle Eliminierung aus dem Körper erlaube.
Nach Angaben des Unternehmens war dies kein Einzelfall. Hemarina informiert eigenen Angaben zufolge umgehend Oclaesp, die auf
Doping- und gesundheitsbezogene Delikte spezialisierte Einheit der französischen Polizei. Oclaesp bestätigte ein laufendes Ermittlungsverfahren, nannte jedoch kein Ergebnis der vor drei Jahren eingeleiteten Schritte.
Doping belastet den Radsport und andere Sportarten
Substanz unter Beobachtung
Die Welt-Anti-Doping-Agentur erklärte, die Substanz stehe unter Beobachtung und könne direkt in Tests nachgewiesen werden, sofern die Analyse zwischen vier und acht Stunden nach der Verabreichung erfolgt. Dieses sehr enge Zeitfenster erschwert den Nachweis im Wettkampfkontext.
Ihr Einsatz könnte sich auch im biologischen Pass von Athletinnen und Athleten widerspiegeln. Es gibt jedoch keine jüngeren Fälle sanktionierter Spitzenathleten wegen longitudinaler Auffälligkeiten, die mit dieser Substanz in Verbindung stehen. Einige Forschende verweisen darauf, dass wissenschaftliche Studien nahelegen, dieses Hämoglobin verändere den Hämatokrit nicht, einen der zentralen Parameter in Modellen des biologischen Passes. Das schürt die Sorge, dass neue Dopingpraktiken schneller voranschreiten als die darauf ausgerichteten Nachweissysteme.