DISKUSSION Tour de Suisse Etappe 4 | Ist Joao Almeida erneut der Topfavorit auf den Gesamtsieg?

Radsport
Mittwoch, 18 Juni 2025 um 21:30
almeida
Die vierte Etappe der Tour de Suisse war ein Tag, an dem deutliche Unterschiede zwischen den Gesamtklassement-Fahrern erwartet wurden. Ein gefürchteter Anstieg in der zweiten Hälfte der Etappe, der Splügenpass, bot das ideale Terrain, um die Beine der Fahrer auf die Probe zu stellen.
Schon kurz nach dem Start setzten sich acht Fahrer vom Peloton ab, darunter der stets angriffslustige Neilson Powless und der gestrige Etappensieger Quinn Simmons. Doch sein Traum vom zweiten Tagessieg in Folge platzte schnell, denn das Hauptfeld fuhr ein hohes Tempo, um einen weiteren Erfolg der Ausreißer zu verhindern.
UAE bestimmte das Tempo im Feld und bereitete alles für einen Angriff von João Almeida vor. Der Portugiese versuchte es das erste Mal am Splügenpass, konnte sich jedoch noch nicht entscheidend absetzen. Sein zweiter Angriff hingegen war nicht mehr zu kontern – er fuhr solo davon, obwohl noch viele Kilometer bis ins Ziel verblieben.
Die übrigen GC-Favoriten fanden sich in der Abfahrt zwar wieder zusammen, konnten Almeida aber nicht mehr einholen. Der Portugiese jubelte im Ziel und machte über 40 kostbare Sekunden gut, während Oscar Onley und Ben O’Connor das Podium vervollständigten.
Nach dem Etappenende baten wir einige unserer Redakteure, ihre Eindrücke und wichtigsten Erkenntnisse zum heutigen Renntag zu teilen.

Víctor LF (CiclismoAlDía)

Wir haben endlich João Almeida in Bestform gesehen. Wir hatten es erwartet, wir waren besorgt – aber das UAE Team Emirates XRG hat rechtzeitig den Schalter umgelegt, und sein Kapitän hat ein klares Ausrufezeichen gesetzt.
Er liegt nun nur noch gut zwei Minuten hinter Romain Grégoire und etwas über einer Minute hinter Ben O'Connor. Es sieht ganz danach aus, als könne er diese Rückstände schon bald – vielleicht sogar ab Etappe 5 – in aller Ruhe wettmachen.
Was Grégoire betrifft: Sehr stark, dass er das Gelbe Trikot noch einen weiteren Tag verteidigen konnte. O'Connor hat sich ebenfalls gut geschlagen und liegt jetzt weniger als eine Minute zurück.
Und was die Spanier und das Movistar Team angeht: Pablo Castrillo zeigt eine brillante Leistung und darf langsam vom Podium träumen.

Carlos Silva (CiclismoAtual)

João Almeidas Comeback begann gestern – und setzte sich heute eindrucksvoll fort. Sollten noch Zweifel bestanden haben, wer der stärkste Mann bei der Tour de Suisse 2025 ist, wurden sie heute restlos ausgeräumt. Das Rennen begann mit einem irren Tempo: Fast 55 Kilometer wurden in der ersten Stunde zurückgelegt. Kein Wunder also, dass sich die Ausreißergruppe erst in der Verpflegungszone bildete.
Dann warteten 37 Kilometer Anstieg auf die Fahrer, die letzten davon äußerst anspruchsvoll. João Almeida explodierte das Rennen nicht mit einem Pogacar-artigen Angriff, sondern drehte systematisch die Schraube an – mit einem gnadenlos hohen Tempo, dem seine Konkurrenten einer nach dem anderen zum Opfer fielen. 44 Kilometer vor dem Ziel war er schließlich allein vorne. Auch in der Abfahrt verlor er keine Zeit, fuhr aber kontrolliert – nicht im Alles-oder-Nichts-Modus.
Hinter ihm konnte Romain Grégoire dank eines beherzten Antritts und mit Hilfe von Julian Alaphilippe das Gelbe Trikot gerade so verteidigen. O’Connor und Onley hielten ihre Verluste in Grenzen, aber der Australier spürt den Portugiesen jetzt schon im Nacken.
Ein Wort zu Jan Christen: Wenn man will, kann man arbeiten. Das UAE-Team ist in der Tiefe in der Schweiz zwar dünn besetzt, aber heute haben sie geliefert. Wäre der Anstieg noch härter gewesen, wären die Abstände wohl deutlicher ausgefallen. Doch man spielt mit den Steinen, die man hat.
Bitter: Geraint Thomas, Michael Woods und sogar Pelayo Sanchez mussten das Rennen aufgeben. Lorenzo Fortunato ist zwar noch im Rennen, aber ob er morgen überhaupt antritt, bleibt abzuwarten.

Félix Serna (CyclingUpToDate)

Das war ein echter Wendepunkt bei dieser Tour de Suisse – und einer, der João Almeidas Klasse eindrucksvoll unterstrichen hat. Nach dem eher bescheidenen Teamauftritt der UAE-Mannschaft zu Beginn war es heute endlich ein geschlossener Auftritt: klug eingefädelt, stark kontrolliert, und Almeida hat geliefert, als es drauf ankam. Genau das wollte man von einem Top-Favoriten sehen – und genau das hat er gezeigt.
Dass er trotz seines Rückstands von über zwei Minuten auf Grégoire wieder als Favorit gilt, ist gerechtfertigt. Die kommende Zeitfahr-Etappe kommt ihm entgegen, und mit weiteren Bergetappen im Profil wird er noch mehr Gelegenheiten haben, Zeit gutzumachen. Was besonders auffiel: Er wirkte taktisch reif, kontrolliert, keineswegs hektisch – das lässt auf eine stabile Form und einen klaren Plan schließen.
Was Romain Grégoire betrifft: absolut zustimmend. Wer gedacht hat, er würde heute durchgereicht, wurde eines Besseren belehrt. Dass er mit den besten Kletterern mithält – und das nach mehreren Tempoverschärfungen – ist beeindruckend. Dass er zudem im Zeitfahren konkurrenzfähig ist, macht ihn zu einem echten Podiumskandidaten, wenn nicht sogar mehr.
Und Julian Alaphilippe? Man kann ihn gar nicht genug loben für seine Rolle heute. Ohne ihn hätte Grégoire vermutlich Gelb verloren. Es war fast ein nostalgischer Moment – der Altmeister hilft dem aufstrebenden Landsmann. Diese französische Allianz könnte in den nächsten Tagen noch spannend werden.
Insgesamt: Das Rennen ist völlig offen. Almeida ist zurück, Grégoire kämpft wie ein Champion, und mit Fahrern wie O’Connor und Onley lauern starke Allrounder auf ihre Chance.
Was denkst du – schafft Almeida die Wende oder hält Grégoire durch?
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