Die 6. Etappe des Giro d’Italia war die bislang chaotischste der laufenden Rundfahrt. Ein erbitterter Kampf um die Fluchtgruppe, ein aufziehender Regen, ein folgenschwerer Sturz rund 50 Kilometer vor dem Ziel und eine neutrale Zeitnahme bestimmten das Geschehen. Auch wenn am Ende mit Kaden Groves ein starker Sieger hervorging, überlagerte die Etappe das sportliche Geschehen mit Kontroversen, Ausfällen und fragwürdigen Jury-Entscheidungen.
Ivan Silva (CiclismoAtual)
Das Hauptthema heute? Der Sturz. Und die Frage: Warum passierte er? Für mich war es eine dieser Situationen, die man im Peloton kaum verhindern kann. Nasse, rutschige Straßen in der Abfahrt, das Tempo war nicht einmal besonders hoch. Die Fluchtgruppe war klein und unter Kontrolle – trotzdem führte ein Sturz im vorderen Bereich zu einem Dominoeffekt.
Ich erinnere mich an einen Fahrer im hinteren Teil, der nur bremsen wollte, um einen Zusammenstoß zu vermeiden – und dabei selbst zu Boden ging. Vielleicht wird das eines Tages die Diskussion auslösen, ob man bei solchen Bedingungen verpflichtend auf griffigere Reifen wechseln sollte. Aber das liegt wohl noch in weiter Ferne.
Die Neutralisation des Rennens war aus Sicherheitsgründen nachvollziehbar. Primož Roglič soll in Rücksprache mit der Rennleitung die Interessen vieler Teams vertreten haben. Aus Zuschauersicht war das enttäuschend – die Etappe verlor ihren Reiz.
Ob Groves der verdiente Sieger war, lässt sich schwer sagen. Mads Pedersen verzichtete durch die Neutralisation bewusst auf den Sprint, um sich ganz auf das Maglia Ciclamino zu konzentrieren. Insgesamt war es ein turbulenter Tag, den wohl niemand in bester Erinnerung behalten wird.
P.S.: Doppelt bitter für Red Bull – Hindley verloren und drei Fahrer fast gleichzeitig in Ungarn. Da war das „Red Bull-Kilometer“-Konzept heute kein Glücksbringer. (Wortspiel beabsichtigt.)
Rúben Silva (CyclingUpToDate)
Endlich sahen wir wieder einen echten Kampf um die Ausreißer. Es ist schön zu sehen, wie sich INEOS Grenadiers aktiver ins Renngeschehen einmischt – das hatte ich in den ersten Etappen vermisst.
Schade, dass man die Gruppe mit Tarling wieder eingefangen hat. Rückblickend hätte eine größere Gruppe durchaus Siegchancen gehabt. Der Sturz war bei diesen Bedingungen fast unausweichlich – bitter für alle Beteiligten. Roglič hatte Glück, nicht zu Boden zu gehen.
BORA steht jetzt doppelt unter Druck. Martínez in schwacher Form, Hindley ausgeschieden – das wiegt schwer, wenn es bald in die Alpen geht. Die UAE übernehmen damit endgültig das Kommando. Auch Richard Carapaz wirkte angeschlagen – ich fürchte, er wird morgen Schwierigkeiten bekommen.
Im Finale hat Visma vielleicht zu früh zu viel investiert. Alpecin nutzte das klug aus. Van Aert ging in Führung, statt Kooij ideal zu platzieren – der war im Sprint blockiert. Ein bitterer Tag für ein Team, das so viel investiert hat.
Groves war der klar Schnellste. Niemand hätte ihn heute schlagen können – unter keinen Bedingungen. Dass für das Maglia Ciclamino keine Punkte vergeben wurden, ist für mich unverständlich. Ein Massensprint ohne den Führenden dieser Wertung ist dennoch ein Sprint.
Félix Serna (CyclingUpToDate)
Wieder eine heikle Entscheidung der Jury. Natürlich hat die Sicherheit der Fahrer Priorität – und bei Regen, Massensturz und schwierigen Bedingungen war die Neutralisation verständlich.
Was ich aber nicht verstehe: Es gab keinen Red Bull-Kilometer, keine Punkte fürs Maglia Ciclamino, keine Zeiten fürs GC – aber ein Etappensieg. Warum wurde also nicht ganz abgebrochen? Wenn ein Sprint möglich war, warum dann keine Punkte oder Zeiten?
Die Sprinter kämpften um den Sieg, waren also offenbar nicht in Gefahr. Aber die Klassementfahrer schon? Das ergibt für mich keinen Sinn. Entweder man fährt oder man fährt nicht – ein Zwischending sollte es nicht geben.
Wie Javier Ares bei Eurosport sagte: Diese Entscheidung war wohl die konservative Variante, um Ärger zu vermeiden. GC-Fahrer mussten keine Risiken eingehen, Sprinter bekamen ihren Showdown. Auch die Sponsoren dürften glücklich sein – ein Etappensieg in Neapel verkauft sich besser als ein neutralisierter Abbruch.
Ondřej Zhasil (CyclingUpToDate)
Viel Diskussion gab es heute um Moschetti. Letztlich finde ich die Rückstufung gerechtfertigt – aber damit endet mein Verständnis für die Jury.
Vor zwei Tagen wurde Kanter disqualifiziert, weil er mit Pedersen kollidiert war. Doch wenn man diese Linie konsequent anwendet, müsste man regelmäßig die halbe Sprintelite aus dem Rennen nehmen.
Heute war es Zijlaard, der – zusammen mit Moschetti – gefährlich nach links zog. Kanter musste ausweichen und hatte Glück, dass er genug Platz hatte. Die Jury sagt: „Er fuhr nur hinterher.“ Für mich ist das zu einfach. Man sollte nicht nur bestrafen, was die TV-Kameras einfangen.
Carlos Silva (CiclismoAtual)
Der Etappenbeginn versprach Spannung – endlich mal ernsthafte Attacken. Doch am Ende blieben nur zwei Ausreißer übrig. Tapfer zwar, aber bei 200 Kilometern Strecke war das zu wenig.
Der Sturz überschattete den Tag. Viele Fahrer gingen zu Boden, einige wichtige Namen waren dabei. Welche Folgen das für die kommenden Tage haben wird, bleibt abzuwarten.
Ohne diesen Sturz wäre es eine langweilige, ereignislose Etappe gewesen. Warum wurden eigentlich die Teamzahlen bei Grand Tours erhöht? Die Rennen bleiben gleich zäh. 227 Kilometer ohne Reiz – das war heute einfach schwach.
Und Sie? Was denken Sie über die heutigen Ereignisse? Hinterlassen Sie gern einen Kommentar und diskutieren Sie mit!