Auf der 19. Etappe des Giro d’Italia 2025 blieben spektakuläre Langdistanz-Attacken aus, doch der Tag hatte es in sich – zumindest in taktischer Hinsicht. Die GC-Teams bestimmten das Tempo an der Spitze des Feldes, testeten ihre Rivalen und versuchten, mit hohem Grundtempo Schwächen offenzulegen. Auch Team Visma | Lease a Bike beteiligte sich aktiv an dieser Tempoverschärfung. Doch statt Lob gab es nach der Etappe kritische Stimmen – insbesondere in Richtung
Simon Yates.
Zonneveld: „Er war den ganzen Giro über nicht in der Lage, das zu tun“
Der britische Kapitän hatte nach der Etappe in einem Interview seine Enttäuschung über die Teamtaktik geäußert. Für den niederländischen Journalisten
Thijs Zonneveld war das ein gefundenes Fressen: „Nach all der Arbeit lag es eigentlich an ihm, aber er war den ganzen Giro über nicht in der Lage, das zu tun“, sagte er im De Waaier-Podcast. „Und dann redet er ständig mit der Presse, nur um zu sagen, dass nichts nach Plan läuft. Das ist eine Mannschaftssitzung, an der ich gerne teilgenommen hätte.“
Tatsächlich hatte Visma über weite Strecken die Kontrolle übernommen. Steven Kruijswijk und Wilco Kelderman leisteten an den finalen Anstiegen Schwerstarbeit, unterstützt von Bart Lemmen, der zuvor Teil der Ausreißergruppe gewesen war. Ziel der Strategie war es offenbar, das Feld zu reduzieren und einen möglichen Angriff von Yates vorzubereiten – doch dieser blieb aus.
„Visma hat getan, was es konnte“, urteilt Zonneveld. „Sie hätten es nicht viel schwieriger machen können. Yates wollte wohl vermeiden, dass andere Fahrer attackieren und alle sich an ihn dranhängen. Aber um das zu kontrollieren, muss man als Team überragend stark sein – wie bei der Tour de France für Vingegaard. Doch das hier ist nicht die Tour-Mannschaft.“
Del Toro dominiert – Yates verliert den Anschluss
Am finalen Anstieg zum Col de Joux setzte Richard Carapaz die erste Attacke, gefolgt von Isaac Del Toro, der dem Tempo standhielt. Yates hingegen konnte nicht mehr mitgehen – und büßte entscheidende Zeit im Kampf um das Gesamtklassement ein. Ein Rückschlag, der seine Ambitionen erheblich dämpfte und offenbar auch zu internen Spannungen führte.
Zonneveld schont den britischen Teamleader nicht: „Lemmen und Kruijswijk haben das Feld auf 20 Fahrer reduziert, Kelderman dann auf 13 oder 14. Danach ist es Aufgabe des Leaders, mit den besten Fahrern mitzuhalten. Yates muss sich eingestehen, dass er bei diesem Giro nicht zu den Top drei der Kletterer gehört.“
Das Problem sieht der Journalist nicht in der Teamarbeit, sondern in der fehlenden Abstimmung: „Ich gebe Visma den Vorzug. Aber es kann nicht sein, dass Leader und Mannschaft nicht auf einer Wellenlänge sind. Wenn ich Kelderman wäre und dieses Interview von Yates sehen würde, wäre ich auch ein bisschen sauer.“
Yates’ Aussagen nach der Etappe offenbaren Brüche im Gefüge von Visma | Lease a Bike – ein seltenes Bild bei dem erfolgsverwöhnten Team. Die kommende Etappe wird zeigen, ob sich diese Spannungen legen oder ob das Team weiter mit sich selbst beschäftigt bleibt. Klar ist: Für einen ernsthaften Angriff auf das Podium braucht es mehr als gute Beine – nämlich auch ein einheitliches Verständnis von Taktik und Ziel.