Zwei Monate ohne Sieg – für
Remco Evenepoel eine Seltenheit. Umso größer war die Erleichterung, als er sich bei der Tour of Britain auf The Tumble souverän durchsetzte: Mit einem explosiven Angriff ließ er die Spitzengruppe stehen, gewann die Etappe und sicherte sich obendrein Rang zwei in der Gesamtwertung. Ein Signal, dass der Belgier pünktlich vor den Weltmeisterschaften in zwei Wochen zumindest wieder in Reichweite seiner Bestform ist.
Ex-Profi
Jan Bakelants ordnet den Erfolg in seiner Het Laatste Nieuws-Kolumne jedoch nüchtern ein: „Der Etappensieg ist gut für Remco, aber er verändert seine Ausgangslage bei den Weltmeisterschaften nicht. Er bleibt ein Anwärter, aber nicht der Top-Favorit. Jeder weiß, wer das ist –
Tadej Pogacar.“
Deutlich optimistischer bewertet Bakelants Evenepoels Chancen im Einzelzeitfahren. Dort kann der Titelverteidiger glänzen – auch weil Pogačar den Kampf gegen die Uhr auslässt und stattdessen die kanadischen Klassiker bestreitet.
„Belgiens größte Chance auf Gold liegt im Zeitfahren, denn im Straßenrennen fürchte ich, dass wir Remco nicht in Bestform sehen werden“, so Bakelants. „Seine Vorbereitung war zu lückenhaft. Nach Krankheit und dem Wirbel um seinen Teamwechsel hat er erst sehr spät wieder strukturiert trainiert.“
Nach dem vorzeitigen Tour-Ausstieg gönnte sich Evenepoel eine Pause, in der sein Wechsel publik wurde. „Das hat viele Zweifel geweckt“, meint Bakelants. „Pogačar hingegen konnte auf die Euphorie seines Toursieges bauen – das ist ein riesiger Unterschied.“
Zwar absolvierte der Belgier anschließend ein Höhentrainingslager und kehrte in Großbritannien in den Rennrhythmus zurück, doch Bakelants bleibt skeptisch: „Es war zu wenig und zu spät. Der Sieg in Großbritannien schließt die Lücke zu Pogačar nicht – schon gar nicht, da das Rennen nicht auf WorldTour-Niveau stattfand.“
Für Bakelants ist klar: In Kigali wird die Konkurrenz ungleich härter. „Der Unterschied zwischen dem Feld in Großbritannien und den Weltmeisterschaften in Ruanda wird gewaltig sein. Und der Mann, den es dort zu schlagen gilt, heißt nicht Romain Grégoire, sondern Tadej Pogacar.“
Primoz Roglic im Angriff bei den Weltmeisterschaften 2024 in Zürich
Schlüsselrolle von Primoz Roglic
Der Analyst sucht zwar nach Szenarien, wie Tadej Pogacar bei der WM in Kigali ausmanövriert werden könnte, doch die Realität spricht gegen jede halbherzige Taktik. „Theoretisch könnte es passieren, dass Pogačar in eine Situation gerät, in der er nicht mehr fahren darf – etwa, weil sein zukünftiger Teamkollege
Primoz Roglic in einer aussichtsreichen Position ist. Aber ich glaube, dass Pogačar darübersteht. Er ist einfach zu stark, um sich von den Plänen anderer einfangen zu lassen“, so Bakelants.
An Roglic allerdings hat der Belgier Zweifel. Der Slowene erreichte bei der Tour de France nicht seine gewohnte Klasse und musste sich mit Rang acht zufriedengeben. „Ehrlich gesagt denke ich, dass Roglič eher zur WM fährt, weil er Ruanda erleben möchte. Auch für Radsportprofis ist das schließlich eine außergewöhnliche Reise.“