Das bestgehütete Geheimnis im Radsport ist endlich gelüftet:
Remco Evenepoel verlässt Soudal – Quick-Step und schließt sich ab 2026 Red Bull – BORA – hansgrohe an. Nach jahrelangen Spekulationen, Dementis und einer regelrechten Transfersaga endet damit eine Ära. Der Vertrag, ursprünglich bis Ende 2026 gültig, wurde vorzeitig aufgelöst – ein Schritt, der die Radsportwelt elektrisiert.
Obwohl erst 25 Jahre alt, hat Evenepoel bei Quick-Step bereits ein beeindruckendes Palmarès aufgebaut: Weltmeistertitel, Grand-Tour-Siege, Monumente und olympisches Gold. Doch eines fehlte stets – ein Team, das ihn auf Augenhöhe mit den Superstars Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard in der Tour de France unterstützt. Bei Red Bull – BORA – hansgrohe ändert sich das nun grundlegend.
Vom Wunderkind zum Hoffnungsträger
Seit seinem Profidebüt 2019 stand Evenepoel im Fokus. Schon früh feierte er Siege bei der Hammer Stavanger und der Baloise Belgium Tour. Schnell wurde klar: Der „gescheiterte Fußballer“ war kein gewöhnlicher Neuzugang. Obwohl Quick-Step eher als Klassiker-Team bekannt war, veränderte Evenepoel die DNA des Rennstalls. Die belgischen Fans träumten plötzlich vom Toursieg.
Trotz zahlreicher Erfolge blieb die entscheidende Frage offen: Kann Quick-Step jemals die nötige Tiefe aufbauen, um Evenepoel bei einer dreiwöchigen Grand Tour ausreichend zu unterstützen? Die Antwort: ein klares Nein. Selbst mit Neuzugängen wie Mikel Landa reichte der Kader nicht an die Breite von UAE oder Visma heran. Während Pogacar und Vingegaard auf ein Heer von Edelhelfern setzen konnten, kämpfte Evenepoel meist allein.
Finanzielle Grenzen und verpasste Chancen
Quick-Step bewegte sich mit einem Budget von 30 Millionen Euro deutlich unter dem Level von UAE (50 Mio.) und Visma (über 40 Mio.). Red Bull – BORA – hansgrohe hingegen spielt nun finanziell in derselben Liga wie die Topteams. Der Wechsel war lange angelegt: Bereits 2021 versuchte Teamchef Ralph Denk, Evenepoel mit einem Fünfjahresvertrag und einem Komplettkauf von Quick-Step zu locken. Patrick Lefevere konterte persönlich und band das Talent bis 2026.
Die Entscheidung, zu bleiben, zahlte sich sportlich aus – Vuelta-Sieg 2022, Weltmeistertitel, weitere Monumente. Doch die fehlende Unterstützung in den Bergen blieb ein Problem. Bei der Vuelta 2023 kämpfte Evenepoel allein gegen die Dreifachmacht von Visma – ohne Chance auf den Gesamtsieg. Die gescheiterte Fusion zwischen Visma und Quick-Step sowie der Versuch von INEOS, ihn zu verpflichten, verdeutlichten die Unruhe im Hintergrund.
Der Red-Bull-Plan und die Kehrtwende
Im Januar 2024 legte Denk mit dem Einstieg von Red Bull den Grundstein für ein Superteam. Die Vision: Remco wird 2026 das Herzstück eines Rennstalls, der endlich mit UAE und Visma mithalten kann.
Evenepoel bestätigte bei der Tour 2024 sein Potenzial: Dritter Gesamtrang, eine Etappe, das Weiße Trikot. Mit zwei Olympiagoldmedaillen wurde er endgültig zum globalen Superstar. Doch nach dem Rücktritt Lefeveres als CEO, einer schweren Schulterverletzung und einem enttäuschenden Tour-Aus 2025 war klar: Quick-Step kann ihm keine Tour-Siege garantieren.
Journalist Daniel Benson berichtete kurz nach seinem Tour-Ausstieg, dass der Deal so gut wie fix sei. Nun ist er offiziell.
Reaktionen und nationale Kontroverse
Patrick Lefevere reagierte zurückhaltend: „Ich bin nicht mehr in Transfers involviert, bitte rufen Sie mich nicht an.“ Die belgischen Medien waren gespalten. Het Nieuwsblad sprach von „Undankbarkeit“, Het Laatste Nieuws von „feindlicher Übernahme“, De Morgen warnte gar vor einem sportlichen Abstieg wie einst beim Fußball.
Für Belgien ist es ein Schock: Das größte Radsporttalent der Generation verlässt das Heimatteam – und das zu einem deutschen Rennstall.
Ein starkes Umfeld bei BORA
Evenepoel kommt nicht allein. DS Klaas Lodewyck, ein Mechaniker und ein Soigneur folgen ihm, ebenso Sven Vanthourenhout, Architekt seiner Nationalmannschaftserfolge. Zudem bleibt Primoz Roglic 2026 an Bord, Florian Lipowitz etablierte sich 2025 als stärkster BORA-Fahrer bei der Tour. Mit Jai Hindley, Dani Martinez und Aleksandr Vlasov steht eine erfahrene Kletterfraktion bereit.
Doch auch hier wartet eine Herausforderung: Wie harmoniert Evenepoel mit Lipowitz, der 2025 Dritter bei der Tour wurde? Bevor er Pogacar und Vingegaard schlagen kann, muss Evenepoel erst das interne Leader-Duell für sich entscheiden.
Fazit: Vier Jahre Vorbereitung für den entscheidenden Schritt
Der Wechsel war unausweichlich. Nach gescheiterten Fusionen, Budgetgrenzen und fehlender Unterstützung blieb nur ein Weg: Ein Team, das die Tour gewinnen kann – und Quick-Step war es nicht.
Manche kritisieren den vorzeitigen Abgang, doch die sportliche Realität war nicht länger tragbar. Mit Red Bull – BORA – hansgrohe entsteht ein Projekt, das seit über vier Jahren vorbereitet wurde. 2026 könnte der Moment sein, in dem Evenepoel endlich auf Augenhöhe mit Pogacar und Vingegaard kämpft – und vielleicht die Tour gewinnt.