ANALYSE | Die Momente, die Geraint Thomas zu einer britischen Sportlegende machten

Radsport
durch Nic Gayer
Montag, 08 September 2025 um 20:30
Chris Froome/Geraint Thomas
Gestern verabschiedete sich Geraint Thomas in seiner walisischen Heimat von der großen Bühne des Profiradsports. Bei der Tour of Britain 2025 absolvierte der 39-Jährige sein letztes Rennen – eine Etappe, die passender kaum hätte gewählt sein können. Damit endet eine 19-jährige Laufbahn, die von der Bahn bis zur Straße führte, vom stillen Helfer bis zum Tour-de-France-Sieger.
Thomas, bekannt für seinen trockenen Humor, spielte den Trubel gewohnt herunter. Doch die Aufmerksamkeit galt zu Recht einem Fahrer, der unermüdlich zum Erfolg anderer beitrug und zugleich selbst große Siege feierte. Dieser Rückblick zeichnet seinen Weg vom ehrgeizigen Schüler aus Cardiff zum Olympiasieger, Tour-Champion und Publikumsliebling nach – mit allen Höhen und Tiefen, die seine Karriere prägten.

Die Anfänge

Geraint Howell Thomas kam am 25. Mai 1986 in Cardiff zur Welt und wuchs unweit der Maindy-Radrennbahn auf. „Wenn ich nicht so nah an Maindy oder in Cardiff gelebt hätte, wäre ich vielleicht nie Rad gefahren und hätte nie die Karriere gemacht, die ich habe, das Leben, das ich habe“, sagte er einst der BBC.
Geraint Thomas verabschiedete sich am Sonntag vom Peloton
Geraint Thomas verabschiedete sich am Sonntag vom Peloton
2006 gehörte er bereits der British Cycling Academy an und sammelte beim Profiteam Saunier Duval erste Erfahrungen auf der Straße. Ein Jahr später unterschrieb er seinen ersten Profi-Vertrag beim Team Barloworld – der Auftakt für das nächste Kapitel.

Goldene Ära auf der Bahn

Bevor er sich ganz dem Straßenradsport widmete, prägte Thomas die erfolgreichste Phase des britischen Bahnradsports mit. Als Mannschaftsverfolger gewann er drei Weltmeistertitel und zweimal olympisches Gold. 2008 in Peking und 2012 in London führte er das britische Quartett jeweils zum Weltrekord. Auch bei den Commonwealth Games holte er Medaillen, darunter Gold für Wales.
Für seine Leistungen erhielt er 2009 den MBE, 2019 nach seinem Tour-Sieg das OBE. Damit war Thomas längst mehr als nur ein Talent – er war einer der Eckpfeiler einer goldenen Generation auf der Bahn.

Team Sky und der Aufstieg auf der Straße

Sein Durchbruch auf der Straße kam mit dem Start des Teams Sky 2010. Schon bei der Tour de France desselben Jahres trug er das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers. Es folgten Jahre als zuverlässiger Helfer, etwa 2013, als er trotz Beckenbruchs die Tour beendete und Chris Froome unterstützte.
Parallel reifte er zum Allrounder. 2015 gewann er als erster Brite das Eintagesrennen E3 Harelbeke und spielte eine Schlüsselrolle bei Froomes Toursieg. Ein Jahr später triumphierte er bei Paris-Nizza. Spätestens da galt Thomas als legitimer Rundfahrt-Kapitän.

Der Traum vom Gelben Trikot

2018 erlebte er das Jahr seines Lebens. Nach dem Sieg beim Critérium du Dauphiné startete er als Co-Leader in die Tour de France – doch bald war klar: die Führung gehörte allein ihm. Er gewann die Bergetappen nach La Rosière und Alpe d’Huez, verteidigte das Gelbe Trikot bis Paris und schrieb am 29. Juli 2018 Geschichte: als erster Waliser gewann er die Tour.
Die Bilder von Thomas mit der walisischen Flagge auf den Champs-Élysées machten ihn endgültig zum Nationalhelden. BBC Sportpersönlichkeit des Jahres, 8.000 Fans bei seiner Ehrung in Cardiff Castle, ein nach ihm benanntes Velodrom – der Champion wurde gefeiert wie selten ein Radsportler in Großbritannien.

Rückschläge und Comebacks

Doch seine Laufbahn war nie frei von Dramen. Ob Beckenbruch 2013, Stürze beim Giro und der Tour 2017 oder der bittere Giro-Verlust 2023 gegen Primoz Roglic – Thomas erlebte immer wieder Rückschläge. Doch er kam stets zurück, kämpfte sich 2019 als Zweiter hinter Egan Bernal aufs Tour-Podium und siegte 2022 bei der Tour de Suisse.
Selbst in der Spätphase blieb er konkurrenzfähig, etwa als er beim Giro 2023 im Rosa Trikot bis zur vorletzten Etappe führte. Am Ende fehlten 14 Sekunden zum Gesamtsieg – eine Niederlage, die dennoch seine Kämpfernatur unterstrich.

Abschied auf eigenen Bedingungen

Sein Team – vom ursprünglichen Sky über Ineos bis zu den heutigen Grenadiers – blieb über 16 Jahre hinweg sein sportliches Zuhause. Als Mentor und Leitfigur prägte er Generationen. Dass er 2025 seine Karriere bei der Tour of Britain beenden würde, kündigte er früh an. „Ich fühle mich so glücklich, dass ich meine Karriere zu meinen eigenen Bedingungen beenden kann – und noch glücklicher, dass ich entscheiden kann, wo“, sagte er.
Am 7. September 2025 rollte Thomas in Cardiff ein letztes Mal über die Ziellinie. Mit Tränen in den Augen, im eigens gestalteten roten Drachentrikot mit einer Zeichnung seines Sohnes, drehte er eine Ehrenrunde durch die walisische Hauptstadt. Es war ein Abschied, wie er würdiger nicht sein konnte.
Thomas und Cavendish waren auch abseits des Radsports eng befreundet
Thomas und Cavendish waren auch abseits des Radsports eng befreundet

Eine Legende des britischen Radsports

Geraint Thomas tritt ab als einer der einflussreichsten Radsportler Großbritanniens. Seine Karriere überbrückte Generationen – von Hoy und Wiggins bis hin zu Vingegaard und Pogacar. Was ihn aber besonders auszeichnete: Er war nicht nur Champion, sondern auch Teamplayer. Unvergessen bleibt, wie er 2023 nach seiner bitteren Giro-Niederlage Mark Cavendish zum Etappensieg führte.
Sein Vermächtnis reicht weit über Resultate hinaus. „All die Briten – wie G, Wiggins, Froome und Cav – waren im Fernsehen zu sehen und haben uns inspiriert. Es ist etwas Besonderes, jetzt mit G im Rennen zu sein... Man lernt von ihm, indem man beobachtet, was er tut“, sagte Teamkollege Sam Watson.

Vielen Dank, Geraint

Sein eigener Blick zurück bleibt bodenständig: „Ich habe davon geträumt, die Tour zu fahren, sie zu gewinnen, aber ich habe nicht eine Sekunde gedacht, dass ich das schaffen würde. Kinder aus Cardiff fahren nicht die Tour.“ Doch er fuhr sie 14-mal und gewann eine.
Danke, Geraint Thomas – für deine Siege, deine Bescheidenheit und den Beweis, was ein Athlet erreichen kann. Diolch, G!
Geraint Thomas in Pontypool Park, Wales
Geraint Thomas in Pontypool Park, Wales
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