Die Saison 2026 könnte für
INEOS Grenadiers zu den prägendsten der jüngeren Vergangenheit zählen. Das Team schlägt ein neues Kapitel auf:
Geraint Thomas hat nach seinem Karriereende die Rolle des Director of Racing übernommen, und die Zielsetzung ist unmissverständlich – die Rückkehr an die Spitze der Grand Tours, mit der Tour de France als oberster Priorität. In diesem Kontext rücken Form, Entwicklung und Perspektive von Carlos Rodríguez besonders in den Fokus.
Der spanische Kletterer gilt derzeit als glaubwürdigster Gesamtklassements-Kapitän im Kader von INEOS Grenadiers. Dennoch ist der erhoffte nächste Leistungssprung in den vergangenen beiden Jahren ausgeblieben. Seine Tour de France 2025 nahm früh eine ungünstige Wendung, woraufhin Rodríguez vermehrt über Ausreißergruppen nach Chancen suchte. Zwar kämpfte er sich noch in die Top Ten vor, doch ein Sturz auf Etappe 18 zwang ihn letztlich zur Aufgabe.
Für ein Team, das die Tour einst mit Fahrern wie Chris Froome und Geraint Thomas dominierte, ist ein dauerhafter Verbleib in der zweiten Reihe keine Option. Diese strategische Dringlichkeit erklärt auch die Verpflichtung von
Kevin Vauquelin.
Der Franzose kommt nach Rang sieben bei der Tour de France 2025 aus dem früheren Arkéa-Aufgebot und gilt mit 24 Jahren als eines der größten Talente des französischen Radsports – neben Shootingstar Paul Seixas. Für INEOS ist Vauquelin sowohl eine Investition in die Zukunft als auch ein Fahrer, der schon kurzfristig helfen könnte, das Team beim größten Rennen der Welt wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Seine Ankunft wirft jedoch unweigerlich Fragen zur zukünftigen Rolle von Carlos Rodríguez auf.
Sollte sich Vauquelin schnell anpassen und als echter Grand-Tour-Leader etablieren, droht Rodríguez in eine Nebenrolle zu geraten. Für den spanischen Radsport wäre das ein empfindlicher Rückschlag, gilt er doch neben Juan Ayuso als langfristig stärkste Hoffnung des Landes für das Gesamtklassement großer Rundfahrten.
Kommt ein Wechsel zu Movistar wieder auf den Tisch?
Eine reduzierte Rolle bei INEOS könnte sich für Rodríguez am Ende dennoch als Chance erweisen. Ein Abrutschen in der internen Hierarchie kann seinen Marktwert paradoxerweise erhöhen und andernorts neue Türen öffnen. Obwohl er noch bis 2027 unter Vertrag steht, sind vorzeitige Trennungen im modernen Radsport längst keine Ausnahme mehr – der jüngste Wechsel von Juan Ayuso von UAE zu Lidl–Trek ist dafür ein aktuelles Beispiel.
Das Movistar Team bleibt in diesem Szenario die naheliegendste Adresse. Bereits 2024 standen die Spanier kurz vor einer Verpflichtung, ehe INEOS eine Vertragsklausel zog, um Rodríguez zu halten; Movistar erhielt damals eine Ausgleichszahlung von vier Millionen Euro. Da sich der Kader aktuell in einem umfassenden Umbau der Führungsstruktur befindet, könnte seine Verpflichtung diesen Übergang abrunden.
Movistar hat mit Cian Uijtdebroeks bereits einen Fahrer verpflichtet, der bei Visma hinter Jonas Vingegaard wenig Entfaltungsspielraum hatte. Enric Mas nähert sich dem Spätwerk seiner Karriere auf Topniveau, und Rodríguez würde sich altersmäßig, leistungsmäßig und mit Blick auf langfristige Stabilität nahtlos in einen klaren Nachfolgeplan einfügen.
Und selbst wenn es nicht Movistar werden sollte, dürfte ein anderes WorldTour-Team mit GC-Ambitionen kaum weit entfernt sein. Jedes Szenario, in dem Carlos Rodríguez tatsächlich verfügbar würde, hätte das Potenzial, eine der prägenden Geschichten des Transferfensters zu werden.