„Shirin tut mir leid“ – Ten Dam ringt nach chaotischem WM-Finale um Erklärungen

Gravel
Sonntag, 12 Oktober 2025 um 8:00
anrooijkastelijn
Die heimische UCI Gravel Weltmeisterschaft in Limburg waren einerseits eine Demonstration der überwältigenden Stärke der niederländischen Nationalmannschaft – andererseits aber auch ein Sinnbild für die Spannungen innerhalb des Teams. Besonders auf dem letzten Kilometer wurde deutlich, dass die Harmonie unter den Oranje-Stars brüchig ist.
Shirin van Anrooij setzte zehn Kilometer vor dem Ziel die entscheidende Attacke und schien auf direktem Weg zum Sieg. Ihr Vorsprung stabilisierte sich bei rund 15 Sekunden auf eine Verfolgergruppe, in der die Tschechin Julia Kopecky unermüdlich für die niederländische Sprinterin Lorena Wiebes arbeitete. Doch die SD Worx-Fahrerin konnte die Lücke nicht mehr schließen – bis Yara Kastelijn plötzlich aus dem hinteren Teil der Gruppe angriff. Mit Wiebes und Marianne Vos an ihrem Hinterrad schloss sie zu Van Anrooij auf – und danach war der Ausgang klar: Im Sprint war Wiebes nicht zu schlagen.
„Zwei Kilometer vor dem Ziel dachte ich: Shirin hat es geschafft“, sagte Nationaltrainer Lars ten Dam im Gespräch mit NOS. „Aber das stellte sich als falsch heraus. Wie ich mich fühle? Ich leide wirklich mit Shirin mit. Ich bin enttäuscht für sie – man hätte ihr diesen Sieg so gegönnt, nach dem Rennen, das sie gefahren ist.“
Ten Dam erklärte, warum die Teamtaktik in Limburg kaum funktionieren konnte:
„Es waren zehn von zwölf Fahrerinnen aus den Niederlanden am Start – und natürlich wollten alle Weltmeisterin werden. Ich habe sie nicht mit einem klaren Auftrag nominiert, weil sie sich über die nationale Qualifikation selbst qualifizieren. So lässt sich kein perfekter Mannschaftsplan umsetzen, wie etwa letzte Woche bei den Straßen-Europameisterschaften, wo Demi Vollering gewonnen hat. Dort habe ich acht Fahrerinnen gezielt Aufgaben gegeben. Wer damit nicht einverstanden war, startete eben nicht.“
In Limburg, so Ten Dam weiter, habe ein solcher Ansatz keine Gültigkeit mehr gehabt:
„Hier fährt im Prinzip jede für sich. Im Finale muss man nur sicherstellen, dass am Ende eine Niederländerin gewinnt – was ja auch passiert ist. Aber das ändert nichts daran, dass ich unglaublich traurig für Shirin bin. Natürlich freue ich mich auch für Lorena – für sie war es eine fantastische Meisterschaft. Doch wenn man wie Shirin alles im Griff hat und der Sieg einem auf den letzten Metern entgleitet, kann ich verstehen, dass sie am Boden zerstört ist.“
shirinvananrooij

Es wird ein strenges Gespräch geben

Für Shirin van Anrooij war der Ausgang der Schotter-Weltmeisterschaften besonders bitter. Dass ausgerechnet ihre eigene Landsfrau Yara Kastelijn ihre wohl beste Chance auf einen Weltmeistertitel vereitelte, traf die 23-Jährige sichtlich hart. Van Anrooij, die sich selten als Anführerin in den Vordergrund drängt, hatte sich in den vergangenen Wochen sowohl bei den Europa- als auch bei den Weltmeisterschaften bedingungslos in den Dienst ihrer Teamkolleginnen gestellt.
„Das kann ich gut verstehen“, sagte Nationaltrainer Lars ten Dam. „Wir sind ohne klaren Teamauftrag in dieses Rennen gegangen – und dann kann es eben so enden. Ich werde noch mit Yara sprechen, ich bin neugierig auf ihre Sicht. Soweit ich weiß, haben sich die beiden als Zimmergenossinnen bei der WM sehr gut verstanden. Ich glaube, sie hat am Ende einfach alles gegeben, um ihre eigene Chance zu nutzen. Schließlich hatte sie dort keine Teamkollegin aus ihrem Trade-Team, auf die sie sich hätte verlassen können.“
Trotz des unglücklichen Finales sieht Ten Dam auch Positives: Das Hauptziel – ein Heimsieg – wurde erreicht. Zwar mischte sich mit Silvia Persico noch eine Italienerin aufs Podium, doch Lorena Wiebes ließ sich im entscheidenden Sprint nicht beirren und holte sich souverän das Regenbogentrikot. Dennoch betonte Ten Dam, dass auch Van Anrooij eine würdige Weltmeisterin gewesen wäre.
„Natürlich freue ich mich für Lorena“, sagte er. „Aber ich muss ehrlich sein – ich bin zuerst zu Shirin gegangen. Wir haben mit Lorena hart auf diese Schotter-WM hingearbeitet. Dass sie und Marianne Vos Erster und Zweiter wurden, zeigt, wie stark sie an den Anstiegen gefahren sind. Insofern ist das Ergebnis sportlich verdient. Aber wie es auf den letzten Kilometern lief, war für Shirin einfach unglücklich.“
Im Gespräch mit WielerFlits betonte Ten Dam nochmals sein Verständnis für Van Anrooijs Enttäuschung:
„Sie war in den letzten zwei Wochen ein fantastischer Teamplayer. Ich verstehe völlig, dass das frustrierend ist. Deshalb bin ich nach dem Zieleinlauf auch als erster zu ihr gegangen.“
Ten Dam, der auch Nationaltrainer des niederländischen Straßen-Teams ist, will das Thema bald intern ansprechen:
„Das darf sich nicht auf die Straße übertragen. Wir werden darüber reden. Solche Dinge passieren, aber sie dürfen kein Nachspiel haben. Das wird keinen Einfluss auf das Straßenteam im nächsten Jahr haben.“
Klatscht 0Besucher 0
loading

Gerade In

Beliebte Nachrichten

Loading