Dwars door Vlaanderen 2024 hätte der krönende Auftakt zum Radsportfrühling von
Visma - Lease a Bike werden können. Drei Fahrer in einer vierköpfigen Spitzengruppe –
Wout Van Aert,
Tiesj Benoot und
Matteo Jorgenson – gegen einen einzigen Gegner:
Neilson Powless. Die Rechnung schien einfach, der Sieg fast garantiert. Doch im Ziel jubelte der Außenseiter. Und bei Visma begann das große Nachdenken.
In der internen Dokumentation des Teams wird deutlich, wie sich die Entscheidung zugunsten eines Massensprints für Van Aert entwickelte – und warum sie letztlich scheiterte. Sportdirektor
Grischa Niermann gibt im Teamwagen die Verantwortung an seine Fahrer weiter: „Konsultiert euch gegenseitig.“ Benoot antwortet sofort: „Wir gewinnen mit Wout im Sprint.“ Van Aert übernimmt – ohne Widerspruch.
Im Nachhinein bleibt der bittere Beigeschmack. Zweifel waren durchaus da. „Können wir Wout nicht wegfahren lassen? Und Powless sagen, dass er Zweiter wird?“, fragt Niermann seinen Kollegen Maarten Wynants. Doch statt Eingreifen folgt Vertrauen – oder Selbstüberschätzung. „Wenn wir sagen, wir glauben nicht, dass er Powless schlagen kann, haben wir kein Vertrauen“, so Wynants. Niermann stimmt zu. Die Entscheidung steht. Sie wird zum Desaster.
Denn Powless nutzt die einzige Gelegenheit, die sich ihm bietet – und gewinnt. Ein Szenario, das an das legendäre Omloop Het Nieuwsblad 2015 erinnert, als Ian Stannard gegen drei Quick-Step-Fahrer triumphierte. Die Parallele ist unübersehbar. Und sie wird, wie es heißt, noch lange nachhallen.
„Es gab tausend Wege, das Rennen zu gewinnen, und einen, es zu verlieren“, sagt Jorgenson rückblickend. „Die eine Möglichkeit war, Neil ins Ziel zu bringen. Und genau das haben wir getan.“ Die Lektion ist klar: Respekt vor dem Gegner – und kritisches Hinterfragen der eigenen Strategie – sind unerlässlich. Sonst wird aus scheinbarer Dominanz eine bittere Niederlage.