Die Straßen-Weltmeisterschaften in Kigali waren als Showdown zwischen
Tadej Pogacar und
Remco Evenepoel angekündigt, doch das Duell blieb aus. Pogacar fuhr mit überlegener Klasse zu seinem zweiten Regenbogentrikot, während Evenepoel neben der Konkurrenz vor allem mit Defekten zu kämpfen hatte. Gleich zwei kostspielige Fahrradwechsel warfen ihn entscheidend zurück. Für die belgischen Kommentatoren Karl Vannieuwkerke und José De Cauwer bleibt die Frage nach dem wirklichen Kräfteverhältnis vorerst offen – die Europameisterschaften in Frankreich stehen bereits am Sonntag an.
Trotz der langen Diskussionen um den Parcours in Ruanda zeigten sich die belgischen Experten beeindruckt. „Viel wurde über diesen Kurs gesprochen, aber Ruanda hat die Erwartungen voll erfüllt“, analysierte Vannieuwkerke bei Sporza. De Cauwer pflichtete bei: „Dieses Rennen musste den Kletterern gehören, und genau so kam es.“ Dass Evenepoel am Ende Silber gewann, werteten beide als Erfolg. „Remco auf Platz zwei ist eine große Leistung. Das darf man nicht herunterspielen – er sollte zufrieden sein“, betonte De Cauwer.
Der Knackpunkt des Rennens lag am Mount Kigali. Dort griff Pogacar an, während Evenepoel durch Sattelprobleme gebremst wurde. „Dieser Anstieg war entscheidend“, erklärte Vannieuwkerke. „Pogacar ging, und Remco verlor den Anschluss.“ Ein zweiter Wechsel kostete Evenepoel endgültig jede Siegchance. „Das hätte nie passieren dürfen. Nicht einmal auf Amateurniveau ist so etwas zu entschuldigen“, urteilte De Cauwer scharf.
Am steilen Anstieg von Kimihurura musste Evenepoel auf sein Ersatzrad warten, weil das Begleitfahrzeug im auseinandergerissenen Feld nicht durchkam. „Dort verlor er das Rennen“, stellte De Cauwer klar. „42 Sekunden nur durchs Stillstehen – das ist zu viel.“ Vannieuwkerke sah auch die mentale Komponente. „War es Enttäuschung, die ihn beim zweiten Wechsel daran hinderte, klar zu denken?“ De Cauwer nickte: „Normalerweise glänzt Remco, wenn alles läuft. Aber diesmal fragte er sich wohl: Warum ausgerechnet ich?“
Ein weiterer möglicher Wendepunkt: der Sturz von Ilan Van Wilder. „Hätte er Remco sein Rad geben können?“, fragte Vannieuwkerke. „Absolut“, meinte De Cauwer. „Ich sage seit einem Jahr: Ilan muss immer mit Ersatz bereitstehen. Er war der zweite Mann – und er fehlte. Ob es das Ergebnis verändert hätte? Schwer zu sagen.“
Während Belgien hadert, bewies Pogacar einmal mehr seine Ruhe. „Selbst alleine verfiel er nicht in Panik“, lobte De Cauwer. „Er zweifelte nicht, sondern kontrollierte alles. Genau das macht den stärksten Fahrer der Welt aus.“
Nun richtet sich der Blick nach vorne. Am Sonntag bei den Europameisterschaften in Frankreich wartet ein noch stärkeres Feld mit
Jonas Vingegaard und
Joao Almeida. „Vielleicht kommt das Rematch schon dort“, überlegte Vannieuwkerke. De Cauwer denkt weiter: „Die wirkliche Abrechnung könnte erst in Lombardia folgen. Doch klar ist: Pogacar bleibt der Mann, den es zu schlagen gilt.“
Für Evenepoel bedeutet Silber in Kigali ein zweischneidiges Ergebnis – wertvolle Medaille und zugleich verpasste Chance. Frankreich bietet die nächste Bühne. Doch gegen einen Pogacar in dieser Form und mit zusätzlicher Konkurrenz könnte der Weg an die Spitze noch steiler werden.