Jonas Vingegaards Auftritt bei der
Vuelta a Espana verläuft bislang überraschend unspektakulär. Zwar trägt der Däne das Rote Trikot und konnte bereits eine Etappe für sich entscheiden, doch die erwarteten Attacken blieben aus. Der Topfavorit auf den Gesamtsieg fährt bislang kontrolliert, ohne seine Rivalen ernsthaft unter Druck zu setzen. Angesichts seiner bisherigen Dominanz im Grand-Tour-Sport hatten viele Fans und Experten mit einem aggressiveren Auftreten gerechnet. Doch Vingegaard wirkt, als würde er abwarten – wohl auch, weil die schwersten Anstiege erst in den kommenden Wochen auf ihn warten.
Diese zurückhaltende Strategie sorgt in der Radsportwelt für Diskussionen. Emil Axelgaard zeigte sich im Gespräch mit dem dänischen Sender TV 2 irritiert: „Vingegaard hat keinerlei Anzeichen von Schwäche gezeigt, aber auch nicht das Gegenteil. Es überrascht mich, dass er so defensiv fährt – das entspricht überhaupt nicht seiner Art. In Kombination mit seiner Fahrweise am Donnerstag wirkt er nicht so, als sei er bei 100 Prozent.“
Abwarten oder fehlende Form?
Axelgaard sieht dennoch plausible Gründe für die defensive Gangart. Angesichts der extrem anspruchsvollen Bergetappen in der zweiten und dritten Woche könnte Vingegaard bewusst Energie sparen. „Wenn man bedenkt, was noch kommt, und dass er gleichzeitig Müdigkeit vermeiden muss, ist sein vorsichtiges Vorgehen nachvollziehbar. Sein Favoritenstatus ist unangefochten, doch er scheint noch nach seiner Bestleistung zu suchen“, erklärte Axelgaard.
Christian Moberg betonte wiederum die Unsicherheit rund um den Titelverteidiger. „Wir wissen schlicht nicht, wie es Jonas geht. Es könnte sein, dass das Team Informationen hat, die wir nicht kennen – vielleicht gibt es einen Grund für seine defensive Fahrweise.“ Diese Unklarheit macht die Vuelta für Zuschauer wie Konkurrenten gleichermaßen spannend.
Spannung im Peloton
Auch Emil Vinjebo sieht darin eine neue Dynamik. „Für viele Fahrer muss es interessant sein zu beobachten, wie Visma die Vuelta kontrolliert. Solange sie das Rennen nicht straff in den Griff bekommen, eröffnen sich Chancen für Ausreißergruppen“, sagte er. Dass das Team des Dänen bislang Zurückhaltung zeigt, könnte anderen Mannschaften Tür und Tor öffnen, ihre eigenen Ambitionen zu verfolgen.
Gleichzeitig zweifelt Vinjebo nicht an Vingegaards Stärke. „Wenn man ihn mit anderen Fahrern vergleicht, liegt er immer noch klar vorne. Hätte er gewollt, hätte er heute einen großen Vorsprung herausfahren können. Er bevorzugt offenbar Kontrolle statt Spektakel – und spart seine Kräfte für die entscheidenden Momente.“
Auch Moberg blickt optimistisch auf den weiteren Verlauf. „Wir dürfen nicht vergessen, dass eine Vuelta drei Wochen dauert. Ich habe großes Vertrauen in ihn. Er sieht sehr gut aus, auch wenn es schwer ist, seine wahre Verfassung zu beurteilen. Ich denke, dass Visma auf ihn setzt – vor allem in den kommenden Schlüssel-Etappen.“