In den vergangenen Monaten wurden die Saisons aller World Tour-Teams im Jahr 2024 ausführlich analysiert. Es gab Höhen und Tiefen, begleitet von einer Bewertung, was jedes Team tun sollte, um entweder auf Erfolgen aufzubauen oder sich neu zu formieren, um 2025 wieder auf Kurs zu kommen. Jetzt bleibt nur noch ein Team übrig, das betrachtet werden muss: UAE Team Emirates und Tadej Pogacar, der eine der besten Saisons aller Zeiten hingelegt hat. Doch wo soll der Rückblick beginnen?
Das Team beendete das Jahr erneut auf Platz eins der UCI-Rangliste, wie bereits 2023, diesmal mit beeindruckenden 37.407,6 Punkten. Zum Vergleich: Die 20.428 Punkte des zweitplatzierten Teams Visma | Lease a Bike wurden fast verdoppelt. Mit unglaublichen 81 Siegen setzte sich UAE Team Emirates deutlich von der Konkurrenz ab, und es gab keinen engen Wettbewerb mit Visma oder anderen Teams.
Doch wie wurde diese Dominanz erreicht? Was machte die Saison 2024 so außergewöhnlich? Ein Blick auf die Details gibt Aufschluss.
Das 2017 gegründete UAE Team Emirates hat sich dank hervorragendem Management und gezielten Investitionen in Weltklasse-Fahrer schnell zu einer der führenden Kräfte im Radsport entwickelt. Unter der Leitung von Mauro Gianetti und Matxin Fernandez, unterstützt von Sponsoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, verfolgt das Team eine klare langfristige Vision: den Radsport auf allen Terrains und in allen Disziplinen zu dominieren. Nach Pogacars zweitem Sieg bei der Tour de France 2021 schien das Team unaufhaltsam. Doch mit dem Aufstieg von Jonas Vingegaard im Jahr 2022 und den darauffolgenden Niederlagen bei der Tour de France musste das Team seine Strategie überdenken.
Die Saison 2023 war ein Wechselbad der Gefühle. Pogacar dominierte das Frühjahr und gewann Rennen wie Amstel Gold und die Flandern-Rundfahrt. Doch ein Sturz bei Lüttich-Bastogne-Lüttich führte zu einer Handgelenksverletzung, die seine Vorbereitung auf die Tour de France stark beeinträchtigte. Trotz aller Anstrengungen unterlag er im Juli 2023 Jonas Vingegaard in den Bergen, was Zweifel aufwarf, ob UAE Team Emirates die Vorherrschaft im Radsport zurückgewinnen könnte. Gleichzeitig triumphierte Visma bei allen drei großen Rundfahrten, was die Vermutung stärkte, dass das Pendel endgültig zu Gunsten von Vingegaard und Visma ausgeschlagen sein könnte.
Im Jahr 2024 wurden sämtliche Kritiker eindrucksvoll widerlegt. Es war nicht nur Pogacar, der herausragte; die gesamte Mannschaft trug zu einer Saison bei, die zweifellos als eine der größten in die Radsportgeschichte eingehen wird.
Das UAE Team Emirates setzte früh in der Saison 2024 ein starkes Zeichen, und die ersten Siege ließen nicht lange auf sich warten. Den Auftakt machte Isaac Del Toro bei der Santos Tour Down Under, als er mit dem Gewinn der 2. Etappe den ersten Sieg des Jahres einfuhr. Kurz darauf übernahm Brandon McNulty das Kommando bei der Volta a la Comunitat Valenciana, wo er sowohl die 4. Etappe als auch die Gesamtwertung für sich entschied. Adam Yates fügte bei der Tour of Oman einen weiteren Gesamtsieg hinzu und untermauerte die Stärke des Teams bei Etappenrennen in der frühen Saisonphase.
Mit dem Start von Tadej Pogacar auf den weißen Straßen Italiens begann eine neue Dominanzphase. Sein Saisonauftakt bei Strade Bianche war ein Vorgeschmack auf das, was folgen sollte. Mit einem Soloangriff über 81 Kilometer deklassierte Pogacar das gesamte Feld und erreichte das Ziel mit fast drei Minuten Vorsprung auf den nächsten Verfolger. Es war das vierte Jahr in Folge, dass Pogacar sein Auftaktrennen gewann – der Beginn einer Reihe beeindruckender Langdistanzangriffe, die die Saison prägten.
Pogacars Dominanz setzte sich bei der Volta a Catalunya nahtlos fort. Er triumphierte auf den Etappen 2, 3, 6 und 7 und sicherte sich zusätzlich die Gesamtwertung. Seine 250 Punkte aus diesem Rennen gaben dem Team-Ranking in den ersten Monaten des Jahres 2024 einen erheblichen Schub.
Auch bei den Kopfsteinpflaster-Klassikern, die traditionell nicht zur Stärke der VAE zählen, glänzte das Team. Nils Politt beeindruckte mit einem dritten Platz bei der Flandern-Rundfahrt und einem vierten Platz bei Paris-Roubaix. Filippo Baroncini fügte dem Erfolg mit einem Sieg beim SUPER 8 Classic einen weiteren Meilenstein hinzu. Juan Ayuso sorgte bei der Itzulia-Baskenland-Rundfahrt für Aufsehen, indem er die Gesamtwertung gewann. Ein schwerer Sturz seiner Konkurrenten Jonas Vingegaard, Remco Evenepoel und Primoz Roglic ebnete ihm den Weg.
Pogacar beendete das Frühjahr mit einem herausragenden Sieg bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, dem Rennen, das seine Saison 2023 stark beeinträchtigt hatte. Dieses Mal blieb er sturzfrei und attackierte über 30 Kilometer vor dem Ziel. Mit seinem zweiten Triumph bei diesem Monument, nach seinem ersten Sieg im Jahr 2021, demonstrierte er erneut seine Klasse.
Das UAE Team Emirates blickt mit großem Selbstvertrauen auf die bevorstehende Grand-Tour-Saison und ist bereit, den Thron zurückzuerobern.
Wenn der Frühling bereits spektakulär war, setzte die Grand-Tour-Saison noch neue Maßstäbe und wurde zu einer der legendärsten Kampagnen in der Geschichte des Radsports. Das UAE Team Emirates demonstrierte in beeindruckender Weise seine Dominanz und schrieb Geschichte.
Die Entscheidung von Tadej Pogacar, das seltene Giro-Tour-Double anzugehen, sorgte zunächst für Skepsis. Seit mehr als 25 Jahren hatte kein Fahrer dieses Kunststück vollbracht, zuletzt Marco Pantani im Jahr 1998. Viele Experten hielten es in der modernen Ära des Radsports für nahezu unmöglich, den Giro erfolgreich zu beenden und innerhalb von nur fünf Wochen bei der Tour de France konkurrenzfähig zu sein. Doch Pogacar widerlegte alle Zweifel mit Leistungen, die noch über Jahrzehnte hinweg in Erinnerung bleiben werden.
Beim Giro d'Italia dominierte Pogacar von Beginn an. Nach einem frühen Etappensieg auf der 2. Etappe übernahm er das Rosa Trikot, das er bis zum Ende nicht mehr abgab. Mit weiteren Siegen auf den Etappen 7, 8, 15, 16 und 20 sicherte er sich die Gesamtwertung mit einem Vorsprung von nahezu zehn Minuten – einer der beeindruckendsten Siege bei einer Grand Tour, die je gesehen wurden. Während seine Konkurrenten mühsam versuchten, Schritt zu halten, setzte Pogacar ein klares Zeichen.
Die nächste Herausforderung war die Erholung innerhalb von fünf Wochen, um bei der Tour de France gegen Jonas Vingegaard anzutreten. Im Vorjahr hatte Pogacar seinen dänischen Rivalen geschlagen. Die Frage war, ob die Belastungen des Giro seine Leistung in Frankreich beeinträchtigen würden.
Parallel dazu blieb das Team dominant, insbesondere bei der Tour de Suisse. Adam Yates gewann dort die Gesamtwertung vor Joao Almeida, wobei sich die beiden UAE-Fahrer auch die Etappensiege sicherten. Das Tour-de-France-Aufgebot des Teams, bestehend aus Pogacar, Juan Ayuso, Adam Yates, Joao Almeida, Pavel Sivakov, Marc Soler, Nils Politt und Tim Wellens, war eines der stärksten Teams, das je zusammengestellt wurde. In den Bergen, wo Pogacar in den vergangenen Jahren oft isoliert war, sollte es diesmal anders laufen.
Pogacar setzte bei der Tour ein starkes Zeichen, als er die 4. Etappe auf dem Galibier gewann und dabei Vingegaard, Evenepoel und Roglic distanzierte. Mit diesem Sieg übernahm er das Gelbe Trikot und baute seinen Vorsprung auf fast eine Minute aus. Zwar verlor er das Trikot kurzzeitig auf der 11. Etappe an Vingegaard, konterte jedoch eindrucksvoll. Mit Siegen auf den Etappen 14, 15, 19, 20 und 21 ließ er keine Zweifel an seiner Klasse und sicherte sich seinen dritten Tour-de-France-Titel. Diese Leistung wird zweifellos als eine der größten in der Geschichte der Tour de France eingeordnet.
Insgesamt gewann Pogacar 2024 zwölf Etappen bei Grand Tours – fünf beim Giro und sieben bei der Tour. Seine Siege bei der Tour und dem Giro brachten dem UAE Team Emirates allein 900 UCI-Punkte ein. Aber auch der Rest des Teams glänzte: Joao Almeida erreichte Platz vier in der Gesamtwertung der Tour, während Adam Yates mit einem sechsten Platz weitere wichtige Punkte beitrug. Das UAE Team Emirates hat sich nicht nur als dominierende Kraft etabliert, sondern auch neue Maßstäbe im Radsport gesetzt.
Bei der Vuelta a España übernahmen Joao Almeida und Adam Yates die Führung des Teams in Abwesenheit von Pogacar. Almeida zeigte zu Beginn starke Leistungen, musste das Rennen jedoch aufgrund einer COVID-Infektion aufgeben. Yates rettete die Kampagne mit einem beeindruckenden Sieg auf der 9. Etappe. Trotz einer soliden Teamleistung blieb das Podium in der Gesamtwertung außer Reichweite, was für die Gesamtbilanz des Teams jedoch kaum ins Gewicht fiel – Pogacar hatte schließlich noch Großes vor.
Nach einer wohlverdienten Pause nach der Tour de France erreichte Pogacars Saison ihren absoluten Höhepunkt bei den Straßen-Weltmeisterschaften in Zürich. Mit einer beeindruckenden Solo-Attacke über 100 Kilometer sicherte er sich das begehrte Regenbogentrikot. Als erst dritter Fahrer in der Geschichte, der die dreifache Krone – Tour de France, Giro d’Italia und Weltmeistertitel – errang, setzte Pogacar mit einem Sieg bei der Lombardei-Rundfahrt noch einen weiteren Glanzpunkt und krönte damit eine der besten Saisons, die der Radsport je gesehen hat.
Obwohl das UAE Team Emirates die Saison 2024 bereits dominiert hat, wurde der Kader für 2025 gezielt verstärkt:
Marc Hirschi und Finn Fisher-Black haben das Team verlassen, dafür kommt Jhonatan Narvaez von INEOS Grenadiers hinzu. Narvaez, der Pogacar auf der ersten Etappe des Giro im Mai besiegte, wird nun den weltbesten Fahrer unterstützen.
Florian Vermeersch verstärkt das Team bei den Klassikern, während Julius Johansen und Rune Herregodts zusätzliche Qualität im Zeitfahren mitbringen. Ein weiteres vielversprechendes Talent ist der 19-jährige Pablo Torres, der den Kletterrekord von Chris Froome am Colle delle Finestre gebrochen hat und als potenzieller zukünftiger Star gilt. 2025 wird er erstmals für das Team antreten.
Die Bewertung von 9,5/10 für das UAE Team Emirates zeigt, wie außergewöhnlich die Saison 2024 war. Mit 81 Siegen, Tadej Pogacars Giro-Tour-Doppel und dem Gewinn des Regenbogentrikots hat das Team eine der beeindruckendsten Saisons in der Geschichte des Radsports abgeliefert. Die Leistungen von Pogacar waren legendär, doch auch das restliche Team trug entscheidend dazu bei, Spitzenleistungen neu zu definieren und die Rivalen von Visma klar zu distanzieren.
Eine perfekte Bewertung von 10/10 wäre möglich gewesen, hätte das Team bei der Vuelta einen Podiumsplatz erreicht. Dies schien im Bereich des Möglichen, bis Joao Almeida gesundheitsbedingt aufgeben musste. Mit Blick auf das kommende Jahr könnte Pogacar das Tour-Vuelta-Doppel anstreben und versuchen, das Rote Trikot zu gewinnen – die einzige Grand Tour, die ihm noch fehlt. Gleichzeitig könnte Juan Ayuso endlich seine Chance bekommen, beim Giro d’Italia zu glänzen.
Die Herausforderung für 2025 wird darin bestehen, dieses beispiellose Niveau zu halten. Mit Pogacar auf dem Höhepunkt seiner Kräfte und einem Kader voller Talente scheint das UAE Team Emirates jedoch bestens gerüstet, seine Vorherrschaft an der Spitze der Radsportwelt fortzusetzen.
We are incredibly proud to have been crowned UCI World Tour Best Team for the second time after achieving a total of 81 wins in 2024🙌
— @UAE-TeamEmirates (@TeamEmiratesUAE) October 21, 2024
Congratulations to the entire team for an incredibly special season!🥇🏆🇦🇪#WeAreUAE pic.twitter.com/cFzqRFrAQz