RED-S-Debatte nach Pauline Ferrand-Prévots Tour-Sieg

Radsport
Donnerstag, 14 August 2025 um 12:45
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Zwei Wochen nach dem historischen Sieg von Pauline Ferrand-Prévot bei der Tour de France Femmes 2025 sorgt ihr deutlicher Gewichtsverlust für eine breite Debatte im Profiradsport. Die Cyclists' Alliance (TCA), die Gewerkschaft der Fahrerinnen, fordert nun ein verpflichtendes jährliches Screening auf RED-S (Relative Energy Deficiency in Sport) sowie eine Untersuchung der Knochendichte.

TCA fordert strukturelle Gesundheitsstandards

TCA-Präsidentin Grace Brown stellte in einer Erklärung klar: „Wir wollen den Profiradsport zu einer nachhaltigen und erfüllenden Karriere für Frauen machen. Gesundheit und Wohlbefinden sind entscheidend für eine lange Laufbahn. Das aktuelle System schützt Frauen nicht ausreichend. Deshalb müssen wir weiter aufklären und für Standards eintreten, die starke, gesunde Körper fördern.“
In ihrer offiziellen Mitteilung forderte die TCA den Weltverband UCI auf, frühere Vorschläge neu zu bewerten. „Wir laden die UCI ein, unseren Vorschlag erneut zu prüfen, und bieten unsere Expertise an. Eine durchdachte Umsetzung braucht Zeit – aber sie ist die Mühe wert. Ein verbindliches Protokoll für alle Fahrerinnen und Fahrer im UCI-System sollte etabliert werden.“
Für Herbst plant die Organisation eine Informationskampagne, die das Bewusstsein für Gesundheit im Radsport stärken soll.

Körperdebatte überschattet sportliche Leistung

Ferrand-Prévots Triumph – als erste Französin seit Jahrzehnten im Gelben Trikot – wurde international gefeiert. Gleichzeitig sorgte ihre körperliche Transformation für Unruhe im Peloton. Einige Konkurrentinnen zeigten sich kritisch.
Marlen Reusser erklärte offen: „Wir haben insgeheim gehofft, dass sie keinen Erfolg haben würde. Wenn jemand durch extremes Abnehmen gewinnt, setzt das uns alle unter Druck.“
Zweitplatzierte Demi Vollering betonte, dass ihre Gesundheit oberste Priorität hat: „Jede Entscheidung in meiner Karriere orientiert sich daran – und das wird auch so bleiben.“
Die achtplatzierte Cédrine Kerbaol warnte: „Wir stehen an einem gefährlichen Punkt, was das Thema Körpergewicht betrifft.“

Ferrand-Prévot verteidigt Vorbereitung

Ferrand-Prévot wies die Kritik zurück. „Ich habe nur für dieses Rennen abgenommen – mit viel Unterstützung meines Teams“, sagte sie gegenüber Sporza. Sie arbeitete mit einem Ernährungsberater, einem Koch und einem Coach zusammen. „Alles wurde analysiert.“
Die Kritik an ihrem Vorgehen ließ sie nicht gelten: „Mein Gewichtsverlust war kontrolliert und durchdacht. Es wurde viel darüber geredet, aber ich nehme das nicht persönlich. Wir sind Berufssportler. Ich habe mich optimal auf das größte Rennen der Welt vorbereitet.“
Angesichts der harten letzten Etappen sei die Watt-pro-Kilogramm-Leistung entscheidend gewesen. „Das ist einfach Teil des Prozesses.“

RED-S: Risiko für Gesundheit und Karriere

RED-S entsteht, wenn dem Körper dauerhaft zu wenig Energie zur Verfügung steht – etwa durch zu geringe Nahrungsaufnahme bei gleichzeitig hoher Trainingsbelastung. Folgen sind hormonelle Störungen, reduzierte Knochendichte und erhöhtes Verletzungsrisiko.
Der Radsport kennt das Problem, doch verbindliche Vorsorgemaßnahmen fehlen. Die TCA fordert, RED-S-Screenings samt Knochendichtemessung als Standarduntersuchung zu etablieren – wie Blut- oder EKG-Tests.
Ohne solche Kontrollen droht laut TCA ein gefährlicher Trend: Fahrerinnen könnten sich durch extremes Abnehmen Vorteile erhoffen – zulasten der Gesundheit und Karriere.

Zwischen Vorbild und Warnung

Ferrand-Prévot setzte auf kontrollierte Gewichtsreduktion. Doch das sichtbare Ergebnis schafft einen Maßstab, an dem sich andere messen. Für junge Fahrerinnen oder Athletinnen ohne medizinische Betreuung kann das riskante Erwartungen wecken.
Die zentrale Frage lautet: Handelt es sich um marginale Leistungsoptimierung – oder ist hier eine Grenze überschritten worden?

Wo ziehen wir die Grenze?

Ferrand-Prévots Erfolg steht außer Frage. Doch ihre Vorbereitung stellt den Sport vor ein strukturelles Dilemma. Wenn Gesundheit nicht geschützt wird, werden Siege zum Maßstab – unabhängig vom Preis.
Die Debatte ist eröffnet. Die TCA fordert: Jetzt ist der Moment, um klare Grenzen zu ziehen.
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