Am Montag erschien die neueste Folge des beliebten Podcasts „Ulle & Rick“, in dem die ehemaligen deutschen Radprofis
Jan Ullrich und
Rick Zabel als Experten die aktuellen Geschehnisse der
Tour de France analysieren. Die Folge widmete sich ausführlich den ersten beiden Etappen der Tour 2025 und enthielt neben den Einschätzungen der beiden Hosts spannende Statements von deutschen Fahrern, darunter
Pascal Ackermann und
Nils Politt, sowie Einblicke aus Fan-Perspektive durch den bekannten Fotografen Paul Ripke.
Eine Tour voller Emotionen und Herausforderungen
Jan Ullrich begann die Folge mit großer Begeisterung für den holländischen Superstar
Mathieu van der Poel, der nach seinem ersten Tour-Etappensieg seit 2021 das gelbe Trikot erobert hatte. Ullrich beschreibt eindrucksvoll, wie van der Poel seine Freude kaum zügeln konnte: „Er wollte es unbedingt. Hast du auch gesehen? Ja, und hat sich auch richtig doll gefreut, ist ja fast in die Kameraleute und Fotografen reingefahren, so euphorisch war er.“ Dabei hob Ullrich vor allem die beeindruckende Comeback-Story hervor, denn van der Poel hatte sich vor wenigen Wochen noch das Kahnbein an der Hand angebrochen – und nun ist er schon auf der Überholspur.
Rick Zabel ergänzte die Einschätzung und reflektierte über die ersten beiden Etappen, die durchaus von Chaos geprägt waren: „Es war hektisch, viel Chaos, ein paar Stürze, aber auch sportliche Highlights.“ Beide freuen sich, dass sie nun mit zwei Folgen pro Woche tief in das Renngeschehen eintauchen können. Dabei zeigte sich Zabel auch schon in Blickrichtung der nächsten Etappen: „Heute ist wieder so eine Sprintetappe mit Fragezeichen, weil Windkanten gefährlich werden könnten.“
Deutscher Meister Georg Zimmermann: Ein Meistertrikot zwischen Glanz und Sponsorenschildern
Ein besonderes Thema des Podcasts war das Design des deutschen Meistertrikots von Georg Zimmermann. Rick Zabel zeigte sich kritisch: „Ich habe die Fotos gesehen, da musste ich erstmal reinzoomen, um den schwarz-rot-goldenen Brustring zu finden. Ich hab nur ein weißes Trikot mit riesengroßen Teamsponsoren gesehen. Das einzige, was man nicht sieht, ist, dass er deutscher Meister ist.“ Jan Ullrich zeigte sich überrascht, hatte das selbst noch nicht so bewusst wahrgenommen. Beide sprechen die Zwiespältigkeit an, die viele Profiteams kennen: Die Sponsorensichtbarkeit dominiert das Design, doch das traditionelle Meistertrikot gerät dabei ins Hintertreffen. „Die Sponsoren sind natürlich wichtiger“, erklärt Ullrich, der selbst wohl etwas Mitspracherecht hat, aber die finanziellen Interessen der Teams sehen Vorrang.
Teamdynamik und Familienstreitigkeiten: Die Lage bei Jonas Vingegaard
Einen spannenden Einblick in das Innenleben des Teams
Visma - Lease a Bike gewährte Rick Zabel mit Bezug auf ein Interview von Jonas Vingegaards Frau in Dänemark. In einem Gespräch mit der renommierten Zeitung Politiken warf Hansen dem Team Visma - Lease a Bike vor, Vingegaard „zu sehr unter Druck zu setzen“. Zabel reflektiert die Konsequenzen: „Wenn du im Kampf um den Gesamtsieg bist, brauchst du keine Mediendiskussion zwischen deinem Team und deiner Frau.“ Inzwischen hat
Jonas Vingegaard selbst auf die Thematik reagiert und die Diskussion als eine "Mediengeschichte aus dem Nichts betitelt.
Teamarbeit und technische Höchstleistung: Das Tempo an der Spitze
Ullrich lobt in der Folge die Leistung der Teams an der Spitze des Pelotons: „Red Bull - BORA - hansgrohe, Soudal - Quick-Step – die haben ihre Leute vorne gehalten, die fahren 60 km/h. Das sind Maschinen, die ihre Kapitäne schützen.“ Dabei betont er die körperlichen und taktischen Herausforderungen, die das Feld jeden Tag meistern muss, gerade bei Wind und Streckenprofil. Die Erschöpfung der Profis ist für ihn spürbar: „Ich ziehe meinen Hut vor diesen Geschwindigkeiten und dem ganzen Training.“
Stimmen aus dem Peloton – Politt und Ackermann über Windkanten, Sprinttaktik und Teamrollen
Besonders spannend ist es, wenn aktive Fahrer direkt aus dem Peloton berichten – so wie Nils Politt und Pascal Ackermann, die beide mitten im Renngeschehen stecken und in der Podcast-Folge zu Wort kommen. Schon im Vorfeld war die Stimmung in Florenz elektrisierend. Nils Politt beschreibt die Teampräsentation in der Stadt als echten Gänsehautmoment: „Extrem viele Leute am Straßenrand, am Start- und Zielbereich – echt schön zu sehen.“ Auch die Atmosphäre während der ersten Etappen sei außergewöhnlich gewesen, der Zuschauerandrang beeindruckend. Für die Fahrer sei das eine besondere Motivation: „Es waren top Wetter, viele Fans“, sagt Politt, und man spürt, wie sehr ihn das direkt zu Beginn der Tour getragen hat.
Nils Politt spricht außerdem über die intensiven ersten Etappen der Tour de France und gibt Einblick in die anspruchsvollen taktischen Vorgaben seines Teams. Bereits bei der ersten Etappe herrschte hoher Stressfaktor durch Seitenwind: „Wir mussten die ganze Zeit vorne fahren, um Tadej bestmöglich zu schützen“, sagt er über die Aufgabe, Teamleader
Tadej Pogacar in Position zu halten. Das sei gelungen – dank guter Teamarbeit mit Helfer Tim Wellens kam Pogacar ohne Zeitverlust ins Ziel. Auch am zweiten Tag war der Kurs alles andere als leicht: „Es war echt hügelig, die ganze Zeit hoch und runter. Und der Wind kam schräg von vorne – echt unangenehm“, berichtet Politt. Dennoch zeigt sich der Kölner zufrieden: Pogacar wurde Etappenzweiter, das Team liegt gut im Klassement – und Politt betont: „Wir gehen mit gutem Gewissen in die nächsten Etappen.“
Während Politt vor allem mit Teamarbeit und Taktik beschäftigt ist, schildert Pascal Ackermann den Tour-Auftakt aus Sicht eines Sprinters. Der Pfälzer war zunächst frustriert, als er bei der zweiten Etappe nicht auf eigene Rechnung fahren durfte – „Das Team hat morgens direkt gesagt: Aki, du machst heut gar nichts.“ Rückblickend war es die richtige Entscheidung, denn das Profil war anspruchsvoller als gedacht. Ackermann richtet den Blick optimistisch nach vorn: „Heute wird’s ein langer, gerader Sprint – man muss verdammt schnell sein und von hinten mit Schwung kommen.“ Dass die Tour den Fahrern schon nach wenigen Tagen alles abverlangt, bestätigt auch Pascal Ackermann. Besonders im Gruppetto, dem hinteren Teil des Feldes, sei der Kräfteverschleiß unübersehbar gewesen. „Da hat man schon gesehen, dass einige richtig, richtig Körner gelassen haben die letzten zwei Tage“, erzählt er. Für ihn selbst sei es ein Vorteil gewesen, sich auf Etappe zwei zurückzuhalten und Kräfte zu sparen – um auf den folgenden Sprintetappen wieder voll angreifen zu können.
Er gibt auch einen realistischen Blick auf die Herausforderungen hinter den Kulissen: Gleich an den ersten beiden Tagen hatte er technische Probleme – einmal musste er sogar das Rad wechseln und brauchte fast 20 Kilometer, um wieder ins Feld zu kommen. Seine Warnung ist deutlich: „Wenn ein GC-Fahrer einen Platten in der wichtigen Phase hat, ist das GC vorbei. Und für einen Sprinter ist der Sprint dann halt weg.“ Dennoch zeigt sich Ackermann kämpferisch – mit dem Blick auf noch 19 Etappen voller Chancen.
Die Perspektive eines Fans: Paul Ripke berichtet live von der Tour
Einen besonderen Farbtupfer bringt Paul Ripke in den Podcast ein, der als Star-Fotograf die Tour de France aus Fan-Perspektive begleitet. Er berichtet von der elektrisierenden Stimmung in der Stadt Lille vor der zweiten Etappe, wo „die Stadt untergegangen“ sei vor Zuschauermassen und wo die Fahrer auf einem Rundkurs vorgestellt wurden. Ripke beschreibt die Veranstaltung als „megageil“ und vergleicht die Tour mit der Formel 1, die mit Fahrerlager, Hospitality-Bereichen und VIP-Zonen eine luxuriöse Sportkulisse schafft.
Interessant auch seine Anekdote zu LIDL-Trek-Fahrer Milan: „Ich hab ihn auf Deutsch angesprochen, er wusste nicht ganz, was ihm passiert, aber ich wollte ihn fotografieren.“ Ripke kündigt außerdem eine kreative Ticketverlosung an, bei der Fans mit ungewöhnlichen Anreisen zu den letzten Etappen nach Paris VIP-Tickets gewinnen können.
Rick Zabel als Triathlet: Ein ehrlicher Bericht vom Langdistanz-Debüt
Der Podcast bot auch einen kleinen thematischen Abstecher weg von der Tour: Rick Zabel berichtete persönlich über seinen ersten Langdistanz-Triathlon, den er kurz vor der Tour absolvierte. Er schildert offen seine körperlichen Leiden und die mentalen Grenzen: „3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren, dann Laufen – ich hab’s nicht richtig vorbereitet, war sehr fahrlässig.“ Besonders die Schwierigkeiten im Schwimmen und die Muskelkrämpfe auf dem Rad stechen hervor: „Nach 60 Kilometern auf dem Zeitfahrrad haben meine Oberschenkel gekrampft, der untere Rücken war komplett verkrampft.“ Trotz der Schmerzen spricht Zabel von der tollen Stimmung und dem beeindruckenden Erlebnis, zeigt aber auch Respekt für die Profis, die täglich solche Leistungen bringen.
Jan Ullrich kann sich gut mit ihm identifizieren, berichtet von seinen eigenen Herausforderungen nach seinem Unfall - der 51-Jährige wurde kürzlich in der Nähe seines Wohnorts von einem Auto geschnitten und brach sich das Schlüsselbein - und dem Training in den Dolomiten und Mallorca. Beide würdigen die Leistungen der Profis und das enorme Training, das dahintersteckt.
Ausblick auf die kommenden Etappen
Abschließend blicken Ullrich und Zabel auf die kommenden Tage - auch die Frage nach der Dauer des Gelben Trikots von Mattieu van der Pool wird diskutiert. Ullrich und Zabel sind sich einig, dass van der Pool das Trikot wohl bis zum Zeitfahren auf der fünften Etappe halten kann, danach dürften Spezialisten das Kommando übernehmen.
Die ersten Etappen sind gefahren, und sie haben bereits vieles gezeigt: die neue Rolle des
Primoz Roglic, die Ambitionen eines Remco Evenepoel, die unveränderte Stärke von Tadej Pogacar. Dazu ein aufmerksames UAE-Team, das früh Präsenz zeigt – mit Helfern wie Politt in der Windkante. Ackermann sucht noch den perfekten Sprint, wirkt aber bereit. Und Zabel wie Ullrich beobachten all das mit geschultem Blick – nah dran, aber mit ausreichend Abstand, um die Geschehnisse für ihre Hörer einzuordnen.