Nach drei Etappen hat
Primoz Roglic beim Giro d’Italia 2025 nahezu alles richtig gemacht: Er hat Zeit auf seine direkten Rivalen gutgemacht, bereits das Maglia Rosa getragen und es kurz vor dem ersten Ruhetag bewusst abgegeben – inklusive der damit verbundenen medienwirksamen Pflichten. Für den ehemaligen slowenischen Meister Kristijan Koren ist klar: Der
Red Bull - BORA - hansgrohe-Kapitän hat seine Ausgangsposition mit Bedacht gewählt und ist derzeit der große Favorit auf den Gesamtsieg.
„Ich habe anfangs gedacht, sie würden eine Ausreißergruppe wegfahren lassen, ohne dass sich jemand die Mühe macht, sie einzuholen. Aber LIDL–Trek hat schnell klargemacht, dass sie an einem Massensprint interessiert sind – und das bedeutete Bonussekunden“, erklärte Koren im Gespräch mit Siol zur dritten Etappe, auf der Roglic das Führungstrikot an
Mads Pedersen abgab. „Da die beiden in der Gesamtwertung nah beieinander lagen, ergab es Sinn, das Rosa Trikot abzugeben.“
Ein Schritt, der für Außenstehende möglicherweise verwirrend wirkt, für erfahrene Beobachter aber taktisch klug ist. Die Führungsrolle in einer dreiwöchigen Rundfahrt bringt mehr als nur Ruhm mit sich: „Pressekonferenzen, Interviews, Medienrummel – das alles zehrt an den Kräften“, so Koren. „Für LIDL–Trek ist das Maglia Rosa ein Geschenk. Pedersen bekommt die Aufmerksamkeit, die Sponsoren sind glücklich, und das Team kann ihn über mehrere Tage im Rampenlicht halten. Er ist der schnellste Sprinter im Feld und wird das Trikot vorerst verteidigen.“
Für Roglic dagegen bedeutet der Rückzug aus der Führungsrolle vor allem Ruhe – und das Vertrauen in seine Form wächst stetig. „Er hat in Katalonien gewonnen, danach ein Höhentrainingslager absolviert. Jetzt steigert er sich von Tag zu Tag. Wenn er gesund bleibt und nicht stürzt, sehe ich niemanden, der ihn schlagen kann“, so Koren. „Er ist der einzige der ‘Big Four’, der sich für den Giro entschieden hat – die Tour de France wäre eine viel größere Herausforderung gewesen.“
Doch gerade Roglic' Anfälligkeit für Stürze bleibt ein Unsicherheitsfaktor. „Man hat bei Mikel Landa gesehen, wie schnell es vorbei sein kann“, erinnert Koren an den folgenschweren Crash des Soudal - Quick-Step-Kapitäns am ersten Tag. „All die Vorbereitung, das Training – alles umsonst. Das ist eine Verletzung, von der man sich nicht einfach wieder aufrappelt. Er wird seine Form verlieren, vielleicht sogar die ganze Saison.“
Damit Roglic sicher durch die drei Wochen kommt, muss sein Team präzise arbeiten. Koren erklärt, wie die Helferrollen im Team verteilt sein dürften: „Einer führt das Feld an, zwei bleiben in Roglic' Nähe, ein anderer kümmert sich ums Flaschenholen – so wie ich es früher gemacht habe. Die Kletterer müssen geschont werden, damit sie in der dritten Woche noch frisch sind. Auf den Flachetappen übernehmen jetzt die Rouleure den Großteil der Arbeit.“ Als Beispiel nennt er das frühere Management von Domenico Pozzovivo: „Damals hieß es: Pozzo darf nur in absoluten Notfällen Flaschen holen. Wir mussten ihn für die Berge aufsparen.“
Kristijan Koren ist überzeugt: Wenn das Team seine Rolle erfüllt und Roglic sturzfrei bleibt, ist der Weg zum Gesamtsieg geebnet. Der Start beim Giro verlief jedenfalls so kontrolliert und souverän, wie es sich ein Anwärter auf das Rosa Trikot nur wünschen kann.