Tim Wellens befindet sich in der Form seines Lebens – das zeigte sich eindrucksvoll bei den belgischen Meisterschaften, wo er sich in einem taktisch anspruchsvollen Rennen gegen
Remco Evenepoel durchsetzte. Der UAE-Profi, der zuvor bereits beim Critérium du Dauphiné eine Schlüsselrolle für
Tadej Pogacar spielte, blickt auf ein unerwartetes, aber verdientes Meisterstück zurück.
"Ich habe die nationalen Meisterschaften nicht als ideale Vorbereitung für die Tour gesehen. Ein zusätzlicher Reisetag ist nie gut", erklärte Wellens gegenüber Wielerflits. "Deshalb habe ich dem Team gesagt, dass ich nicht nach Binche komme." Doch als er erfuhr, dass sein Team bereits Personal nach Belgien geschickt hatte, änderte er spontan seine Meinung: „Jungs, ich komme.“
Neues Trikot für die Tour de France
Was folgte, war ein bärenstarker Soloangriff und ein prestigeträchtiger Sieg, mit dem sich Wellens zum ersten Mal in seiner Karriere das belgische Meistertrikot im Straßenrennen sichern konnte. In Lille wird er somit am kommenden Wochenende mit einem neuen Look an den Start der Tour de France gehen.
Am Tag vor dem Rennen stimmte sich Wellens mit Landsmann Victor Campenaerts telefonisch ab. "Ich habe mit einigen Fahrern gesprochen, um einen Plan zu erstellen, wie wir die belgische Meisterschaft in unsere Richtung lenken können. Allianzen zu schmieden ist nie eine schlechte Sache. Aber man braucht gute Beine, um davon zu profitieren", so Wellens – und genau diese Beine hatte er.
"Ich war noch nie so scharf"
Der 34-Jährige spricht offen über seine Entwicklung: „Ich war noch nie so scharf, ich bin noch nie so schnell bergauf gefahren. Das gibt mir viel Selbstvertrauen.“ Die Trainingslager mit
UAE Team Emirates - XRG haben ihn auf ein neues Level gehoben – und gleichzeitig eine andere Perspektive eröffnet.
"Früher hatte ich mehr eigene Chancen. Aber es macht keinen Spaß, unter Druck zu fahren, wenn man nicht immer die Beine hat, um es zu Ende zu bringen. Das war keine schöne Zeit", blickt er zurück. „Jetzt bin ich in einer Situation, in der ich den anderen helfen kann. Wenn das im besten Team der Welt mit dem besten Fahrer ist, macht das natürlich noch mehr Spaß.“
Die Mischung aus eigener Verantwortung und Helferrolle scheint Wellens zu liegen. In der ersten, oft chaotischen Woche der Tour de France wird er eine zentrale Rolle in Pogacars Schutztruppe einnehmen – besonders auf hügeligen Etappen.
"Manchmal stelle ich fest, dass ich früher etwas zu konzentriert war, vielleicht sogar zu professionell. Es geht mehr darum, die Balance und das Gleichgewicht zu finden", sagt Wellens. Und er sieht Pogacar nicht nur als Kapitän, sondern auch als Vorbild: "Tadej ist ein geistig sehr intelligenter Mensch. Und weil er der beste Fahrer der Welt ist, hört jeder auf ihn."
Mit einem realistischen, aber zuversichtlichen Blick geht Wellens in die kommenden Wochen: „Tadej wird sicher gut sein, aber er ist nicht der einzige, der gut ist. Ich freue mich darauf, habe aber auch ein wenig Angst, denn ich weiß, dass die ersten Tage oft sehr hektisch sind. Zum Glück sind wir ein Team, das viel vorne mitfährt – hoffentlich können wir uns so aus der Gefahr heraushalten.“