Kaum ein Fahrer verkörpert 2025 die Kraft menschlicher Widerstandsfähigkeit so sehr wie
Michael Matthews. Der Australier von Jayco AlUla, lange bekannt für seine Vielseitigkeit und seinen Kampfgeist, stand noch im Sommer am Abgrund – eine Lungenembolie zwang ihn nicht nur zur Absage der
Tour de France, sondern stellte auch sein Leben infrage.
Heute, wenige Monate später, sitzt er wieder im Sattel – mit einem neuen Blick auf den Sport, das Leben und seine Zukunft.
Zwischen Leben und Tod
„Ich wusste nicht, ob ich jemals wieder fahren oder überhaupt überleben würde“, erinnert sich Matthews. Die Diagnose traf ihn nach einem intensiven Trainingslager unmittelbar vor der Tour. Ärzte stellten eine Lungenarterien-Blockade fest – eine potenziell tödliche Komplikation, die sofortige Ruhe und Behandlung erforderte.
Wo zuvor nur Formpläne und Rennkalender zählten, trat plötzlich die schlichte Frage nach dem Überleben in den Vordergrund. Matthews musste alles abbrechen – Training, Rennen, Ambitionen. „Es war, als würde jemand den Stecker ziehen“, sagte er. „Ich fühlte mich leer.“
Der Weg zurück
Erst Wochen später, nach mehreren Kontrolluntersuchungen, durfte Matthews wieder leicht trainieren. Das Comeback war schmerzhaft, körperlich wie mental. „Ich hatte das Gefühl, dass ich in einem fremden Körper stecke. Aber ich wollte kämpfen – für mich, für meine Familie, für meinen Sport.“
Im Spätsommer zeigte sich, dass der 35-Jährige nicht nur zurück-, sondern stärker denn je war. Beim Bretagne Classic zeigte er erste Lebenszeichen, bei Il Lombardia schließlich die volle Rückkehr: ein aggressiver Angriff aus der Ausreißergruppe, getragen von altem Instinkt und neuem Lebenshunger.
„Ich war wieder ich selbst“, sagte er. „Es war, als würde ich das Radfahren neu entdecken.“
Neue Perspektive – alter Hunger
Matthews betrachtet seine Rückkehr als zweite Karrierephase. „Ich hätte aufhören können. Stattdessen habe ich etwas gewonnen: die Freude, einfach wieder da zu sein.“
Er glaubt, dass die Krise seine Karriere verlängert hat. „Ich bin jetzt dankbarer, bewusster. Ich habe das Gefühl, wieder Spaß am Wettkampf zu haben – und das ist vielleicht das größte Geschenk.“
Sein Ziel bleibt klar: Mailand–Sanremo – das Monument, das ihm seit Jahren entgleitet. „Ich war nah dran, ich glaube immer noch daran. Jetzt sogar mehr denn je.“
Ein Veteran in einer neuen Ära
Matthews schmunzelt über seine lange Laufbahn: „Ich habe gegen Boonen gekämpft, dann gegen Sagan – und jetzt gegen Pogacar. Drei Generationen, ein Sport.“
Doch auch in dieser neuen Ära, dominiert von jugendlichen Phänomenen, zeigt Matthews, dass Erfahrung und Herz noch immer zählen. „Ich bin 35, aber die Ärzte sagen, ich habe den Körper eines 25-Jährigen“, lacht er.
Nach allem, was er durchgemacht hat, klingt das nicht überheblich – sondern wie ein Versprechen. Ein Versprechen, dass Michael Matthews noch lange nicht fertig ist.