Zwei Jahre nach seinem Rücktritt vom Radsport hat
Tom Dumoulin erneut für Schlagzeilen gesorgt – diesmal nicht auf dem Rad, sondern auf der Laufstrecke. Der Sieger des Giro d’Italia 2017 und ehemalige Weltmeister im Zeitfahren lief beim TCS Amsterdam Marathon in beeindruckenden 2:29:21 Stunden ins Ziel und bewies, dass sein sportlicher Ehrgeiz ungebrochen ist.
Für den 34-jährigen Niederländer war es der erste Marathon überhaupt – und das mit einer Zeit, die ihn unter die 50 schnellsten Landsleute des Jahres brachte. „Ich wollte unter zweieinhalb Stunden laufen, und das habe ich auch geschafft – aber es war schmerzhaft“, sagte Dumoulin nach dem Rennen. „Ich bin viel zu schnell losgelaufen. Auf dem Rad würde ich das nie tun – da kenne ich meine Grenzen genau. Aber beim Laufen wollte ich einfach sehen, was passiert.“
Ein explosiver Start – und ein harter Einbruch
Dumoulin, der in seiner aktiven Karriere für seine Präzision und Tempodisziplin bekannt war, begann das Rennen mit einem erstaunlichen Tempo. Nach zehn Kilometern lag er auf Kurs für eine Endzeit von 2:18 Stunden, auf Augenhöhe mit den Spitzenläufern. Eine Zeitlang lief er sogar in derselben Gruppe wie die Äthiopierin Aynalem Desta, die spätere Siegerin des Frauenrennens in 2:17:38.
Doch der enthusiastische Start sollte sich rächen. „Es ist ein großer Unterschied zwischen dem, was meine Ausdauer zulässt, und dem, was Muskeln und Sehnen verkraften können“, erklärte Dumoulin. Nach 25 Kilometern begannen die Krämpfe. „Ich musste zweimal stehen bleiben – bei Kilometer 25 und 35. Ich dachte wirklich, ich müsste aufgeben.“
Stattdessen biss sich Dumoulin durch. Mit typischem Kampfgeist schleppte er sich weiter, kämpfte gegen Schmerzen und Erschöpfung – und fand auf den letzten Kilometern noch einmal Energie, um ins Ziel zu sprinten. Das Ergebnis: Ziel erreicht, aber an der Grenze des Machbaren.
Seine Splits erzählten die Geschichte eines Debütanten mit Profi-Herz: 1:09 Stunden für die erste Hälfte, 1:20 für die zweite – ein klassischer „positive split“, den jeder Marathonläufer kennt.
Präzision trifft Chaos
Für Dumoulin war der Marathon mehr als nur ein Ausdauertest – es war ein Experiment in Selbstbeherrschung. Der Perfektionist, der einst auf dem Zeitfahrrad Millisekunden jagte, musste lernen, dass der Marathon eine andere Form von Kontrolle erfordert.
„Beim Radfahren weiß ich genau, was ich kann. Ich kenne meine Wattzahlen, ich weiß, wann ich überpace. Beim Laufen ist das anders“, sagte er. „Ich habe im Training getan, was ich konnte – aber man muss einen schmalen Grat finden zwischen genug laufen und sich nicht zu verletzen.“
Sein Marathon war kein Zufall. Dumoulin hatte gezielt trainiert, absolvierte lange Läufe über 30 Kilometer und orientierte sich an Trainingsplänen erfahrener Läufer. Doch selbst ein Körper, der für Zeitfahr-Disziplin und Explosivität gebaut ist, muss sich an die stumpfe Härte von 42 Kilometern gewöhnen.
Der Champion bleibt
Nach dem Rennen zeigte sich Dumoulin gewohnt ehrlich – und humorvoll. „Jetzt, wo es vorbei ist, fühlt sich der Marathon lustig an. Wenn Sie mich morgen fragen, ob ich das wieder mache, sage ich nein. Wenn Sie mich nächste Woche fragen, vielleicht ja“, lachte er.
Es war eine Leistung, die an seinen besten Tagen im Peloton erinnerte: kalkulierte Aggression, eiserner Wille – und das Herz eines Champions.
Ob er künftig öfter in Laufschuhen statt in Radschuhen antritt, ließ Dumoulin offen. Doch sein Auftritt in Amsterdam beweist, dass sportliche Exzellenz keine Disziplin kennt. Vom Giro-Podium bis zur Ziellinie im Olympiastadion: Tom Dumoulin bleibt, was er immer war – ein Athlet, der das Maximum aus sich herausholt.