„Ich hatte Angst, alles zu verlieren“: Remco Evenepoel über das Trauma nach seinem schweren Sturz

Radsport
Samstag, 29 November 2025 um 8:00
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Remco Evenepoel hofft vor allem auf eine ruhige, störungsfreie Off-Season. Der belgische Superstar kennt den Weg zurück nur zu gut: Im vergangenen Winter musste er sich erneut an den Profialltag herankämpfen, nachdem er im Training mit einem Postauto kollidiert war. Für den erst 24-Jährigen war es bereits die dritte schwere Verletzung seiner Karriere – nach dem folgenschweren Sturz bei der Lombardei-Rundfahrt 2020 und dem Massensturz bei der Baskenland-Rundfahrt 2024.
Gerade die jüngste Verletzung hat tiefe Spuren hinterlassen. Evenepoel räumte ein, dass er sich in den vergangenen Wintermonaten in einem mentalen Tief wiederfand.
„Ich hatte zunächst Angst, dass meine Karriere wegen der physischen Schäden an Muskeln und Sehnen in meiner rechten Schulter vorbei sein könnte“, sagte Evenepoel im Podcast Café Koers.
Diese Sorge erwies sich zwar als unbegründet, doch der Sturz hatte auch psychische Folgen. „Ich war damals wirklich niedergeschlagen. Im Winter zu rehabilitieren – mit kurzen Tagen und wenig Tageslicht – hat mich nicht glücklich gemacht.“
Ob er depressiv gewesen sei, könne er rückblickend schwer beurteilen. „Das ist schwierig, über sich selbst zu sagen, aber vielleicht war ich es unbewusst“, erklärte er offen.
Evenepoel beschrieb eine Phase des sozialen Rückzugs: „Ich saß ganze Tage auf dem Sofa. Wenn mich jemand anrief oder mir schrieb, empfand ich das eher als Störung oder als Einmischung. Ich begann, mich zu isolieren. Selbst auf eine Nachricht zu antworten, fühlte sich nach zu viel an.“
Erst mit der Rückkehr in den Alltag änderte sich das Empfinden. „Zum Glück verschwand dieses Gefühl schnell, als ich wieder rausgehen konnte – spazieren, trainieren. Das hat mir sehr geholfen.“

Vom Sturz noch verfolgt

Trotz eines verspäteten Saisoneinstiegs krönte sich Evenepoel 2025 mit dominanten Auftritten sowohl bei der Weltmeisterschaft in Kigali als auch eine Woche später bei der Europameisterschaft in der Ardèche zum besten Zeitfahrer der Welt. Tatsächlich blieb der Belgier in der gesamten Saison in regulären Einzelzeitfahren ungeschlagen.
So eindrucksvoll seine Leistungen in der physisch extrem fordernden Disziplin sind, räumt Evenepoel ein, dass die Folgen der Verletzung ihn im Rennalltag wie auch im täglichen Leben weiterhin begleiten.
„Ich habe immer noch Probleme, schwere Dinge mit der rechten Hand zu heben“, erklärt er. „Einen Koffer anzuheben oder vom Gepäckband zu nehmen, geht nur noch mit links. Selbst Riegel oder Gels aus der Trikottasche ziehen – auch das ausschließlich mit der linken Hand.“
Dass ihm das überhaupt möglich sei, verdanke er einem Zufall: „Zum Glück bin ich von Natur aus Linkshänder.“

Neustart bei Red Bull

Für die Saison 2026 traf der inzwischen 25-Jährige eine weitreichende Karriereentscheidung: Remco Evenepoel verlässt Soudal–Quick-Step und schließt sich dem ambitionierten Projekt Red Bull–BORA–hansgrohe an. Obwohl sein Vertrag beim belgischen Team noch ein Jahr gelaufen wäre, fanden alle Beteiligten eine einvernehmliche Lösung. So kann sich Evenepoel frühzeitig in seine neue sportliche Umgebung integrieren und mit den neuen Teamkollegen einspielen.
Die ersten Eindrücke beschreibt der Belgier mit einem Augenzwinkern. „Beim Teambuilding mussten wir so schnell wie möglich einen Autoreifen wechseln und ein Blind-Tasting verschiedener Red-Bull-Geschmacksrichtungen bestehen“, erzählt er lachend. „Mein Deutsch braucht noch etwas Arbeit – zum Glück ist die Hauptsprache Englisch.“
Remco Evenepoel gratuliert Tadej Pogacar zu dessen fünftem Il-Lombardia-Titel in Folge
Remco Evenepoel gratuliert Tadej Pogacar zu seinem fünften Il-Lombardia-Titel in Serie
Mit Blick auf die kommende Saison sieht Evenepoel im Amstel Gold Race womöglich seine beste Gelegenheit, Tadej Pogacar zu schlagen. Ein wichtiges Ziel – nicht zuletzt, weil zwischen beiden noch eine offene Rechnung besteht: Der Slowene setzte sich 2025 sowohl in den Straßenrennen der Meisterschaften als auch bei Il Lombardia klar durch.
„Ich glaube aber auch, dass ich Pogacar in Lüttich schlagen können sollte – vorausgesetzt, ich bin wirklich in Topform“, fügt Evenepoel hinzu. Klar ist für ihn dabei eines: Zurückhaltung ist keine Option. „Ich habe jedenfalls nicht vor, Pogačar 2026 aus dem Weg zu gehen. Ich werde mein Rennprogramm nicht an ihm ausrichten.“
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