Charlie Tanfield steht kurz vor einer der größten Herausforderungen seiner Karriere. Am Donnerstag will der 26-Jährige im türkischen Konya den prestigeträchtigen Stundenweltrekord angreifen. Das Ziel: die Marke von 56,792 Kilometern, die
Filippo Ganna 2022 aufgestellt hat, zu überbieten.
Für Tanfield, Silbermedaillengewinner in der Mannschaftsverfolgung bei den Olympischen Spielen in Paris 2024, ist dieser Versuch die Erfüllung einer jahrelangen Vision. „Seit 2018 beschäftigt mich dieser Gedanke“, erinnert er sich. Damals saß er mit seinem damaligen Mitbewohner Dan Bigham über Tabellenkalkulationen, analysierte Daten und träumte davon, Bradley Wiggins’ Bestmarke zu brechen. „Das klingt vielleicht traurig, aber es hat in mir den Funken entfacht.“
Vorbereitung in Hitze und Höhe
Seine Vorbereitung auf Konya ist alles andere als gewöhnlich. Tanfield setzte auf eine Mischung aus Höhentraining in Andorra und gezieltem Hitzetraining zu Hause in Großbritannien. In der Wohnung von British-Cycling-Coach Cameron Meyer fuhr er täglich den Berg hinab, trainierte auf dem Turbotrainer und kehrte wieder auf 2.200 Meter Höhe zurück.
Zurück in England richtete er sich im Garten ein provisorisches „Atent“ ein – eine Hitzekammer, in der Temperaturen von bis zu 45 Grad herrschen. „Sobald deine Kerntemperatur auf 38, 39 Grad steigt, verlierst du 20 oder mehr Watt. Das kann den Unterschied zwischen Erfolg und Scheitern ausmachen“, erklärt er.
Allein gegen die Uhr – und sich selbst
Interessanterweise hat Tanfield für diesen Versuch keine direkten Ratschläge von Dan Bigham eingeholt, der selbst 2022 den Stundenrekord kurzzeitig hielt. „Ich lerne gern selbst. Das ist Teil des Prozesses, mich als Fahrer weiterzuentwickeln.“
Er gibt offen zu, dass die monatelange Vorbereitung ihn mehrfach an seine Grenzen brachte. „Es gab viele Momente, in denen ich dachte: Was zum Teufel mache ich hier eigentlich? Es ist so schwierig, das Ziel überhaupt zu erreichen. Aber je näher der Tag rückt, desto sicherer werde ich.“
Die Faszination der Stunde
Für Tanfield ist der Stundenrekord weit mehr als ein sportlicher Messwert. Er sieht ihn in einer Reihe mit den größten Leistungen des Radsports. „Es ist ein ikonisches Ereignis. Jeder, der ihn gebrochen hat, war ein Fahrer auf dem Höhepunkt seiner Generation. Sich mit diesen Namen zu messen, wäre einfach unglaublich.“
Am Donnerstag wird er in Konya nicht nur gegen die Uhr antreten, sondern auch gegen die Geschichte – und gegen die Grenzen seines eigenen Körpers. Ob er Filippo Gannas Rekord übertrifft oder nicht, eines steht schon fest: Der Versuch allein macht ihn zu einem Teil der Legende.