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Tour de France wird am Freitagnachmittag die 19. Etappe in Angriff nehmen, aber die Fahrer werden eine verkürzte Etappe vorfinden. Die Änderung wurde von den Organisatoren am späten Abend offiziell bekannt gegeben, nachdem sich am Col des Saisies, der zu Beginn der Etappe in Angriff genommen werden sollte, eine extreme Situation entwickelt hatte.
Ein Ausbruch ansteckender nodulärer Dermatitis bei Rindern zwang die Behörden zum Handeln. Die Krankheit war in einer Herde nachgewiesen worden, die sich direkt am Col des Saisies aufhielt. Als Folge mussten die betroffenen Tiere gekeult werden. „Die Entdeckung eines Ausbruchs von ansteckender nodulärer Dermatitis bei Rindern in einer Herde, die sich speziell auf dem Col des Saisies befindet, hat die Keulung der Tiere erforderlich gemacht. Angesichts der Notlage der betroffenen Landwirte und um den reibungslosen Ablauf des Rennens zu gewährleisten, wurde in Absprache mit den zuständigen Behörden beschlossen, die Strecke der 19. Etappe (Albertville–La Plagne) zu ändern und den Anstieg zum Col des Saisies zu vermeiden“, teilten die Organisatoren in den sozialen Medien mit.
Dies ist ein großer Schock für das Peloton, wenn man bedenkt, wie stark die Etappe von den äußeren Bedingungen beeinflusst wird. Der Col des Saisies war ein elementarer Bestandteil des ursprünglichen Profils und hätte bereits früh für Selektion sorgen können. Die kurzfristige Entscheidung erforderte jedoch rasches Handeln – mit der Folge, dass die ersten Anstiege des Tages komplett gestrichen wurden.
Stattdessen führt die Route die Fahrer nun über eine verkürzte Anfahrt direkt zum Fuß des Col du Pré. Die letzten drei Anstiege des Tages – darunter der Col du Pré, der Cormet de Roselend und der Schlussanstieg nach La Plagne – bleiben unangetastet und versprechen weiterhin Spannung. Dennoch wird es durch das fehlende Terrain zu Beginn der Etappe deutlich schwieriger, markante Veränderungen in der Gesamtwertung zu erzielen. Auch eine erfolgreiche Fluchtgruppe wird es unter diesen Bedingungen schwerer haben, sich entscheidend abzusetzen.
Der feierliche Start erfolgt wie geplant am Ortsausgang von Albertville. Nach einer sieben Kilometer langen neutralisierten Phase beginnt das Rennen offiziell auf der D925. Kurz vor Beaufort – bei Kilometer 52,4 des ursprünglichen Zeitplans – kehren die Fahrer auf die vorgesehene Strecke zurück. Durch die Anpassung, insbesondere den Wegfall des Col des Saisies, verkürzt sich die Etappenlänge von 129,9 Kilometern auf nur noch 95 Kilometer. Der neutralisierte Start verschiebt sich daher um eine Stunde nach hinten und erfolgt um 14:30 Uhr.
Die Streckenverkürzung dürfte sich unterschiedlich auf die Chancen von Florian Lipowitz und Oscar Onley auswirken
Florian Lipowitz
Im Gegensatz zu vielen jungen Kletterern sucht Lipowitz nicht aktiv die frühe Flucht. Er agiert meist als Bergfahrer im letzten Renndrittel und bleibt lange im Dienst der Teamtaktik – etwa an der Seite von Primoz Roglic. Gerade auf langen Etappen mit gestaffelter Belastung kann er seine Tempohärte ausspielen und sich bis weit ins Finale in der Favoritengruppe halten. Die verkürzte Etappe mit reduziertem Anlauf und ohne den Col des Saisies nimmt dem Rennen jedoch jene langsame Eskalation, die ihm normalerweise liegt.
- Nachteil für Lipowitz: Die Etappe wird von Beginn an intensiver. Seine Fähigkeit, über viele Stunden hinweg konstant Leistung zu bringen, wird dadurch weniger wichtig. Auch taktisch verliert Red Bull - BORA – hansgrohe mit der Streichung des ersten Berges eine potenzielle Staffelstation, in der Lipowitz später hilfreich hätte eingebunden werden können.
Oscar Onley
Der jüngere Schotte bringt mehr Explosivität mit, ist technisch gewandt und wird von seinem Team regelmäßig mit Eigenverantwortung ausgestattet. Er hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er auf kompakteren, aggressiveren Etappen bestehen kann – besonders wenn die Favoritenteams zögern oder sich neutralisieren. Die verkürzte Etappe dürfte seinem Rennstil eher entgegenkommen.
- Möglicher Vorteil für Onley: Sollte sich eine kleinere Gruppe am Col du Pré oder im Anstieg nach La Plagne absetzen, könnte Onley dort agieren – nicht als offensiver Fluchtspezialist, sondern als cleverer Profiteur taktischer Freiräume.
- Dennoch bleibt die Frage offen, wie viel Freiheiten Team Picnic PostNL ihm tatsächlich gibt – bei starker Konkurrenz von Lipowitz wird auch seine Rolle defensiver ausfallen.
Fazit
Für Lipowitz ist die Streckenverkürzung eher ungünstig, weil seine Mut auf einer langen Bergetappe an Bedeutung verliert. Für Onley dagegen könnte sich ein kleines Fenster öffnen, falls er von einem taktisch offenen Rennverlauf profitiert – doch ein Vorteil ist auch für ihn alles andere als garantiert.