Nach dem dramatischen Finale des Giro d’Italia haben
Johan Bruyneel, Spencer Martin und
George Hincapie das Rennen und seine Schlüsselmomente seziert – allen voran die spektakuläre 20. Etappe. Auf dieser lieferten sich
Richard Carapaz,
Isaac del Toro und
Simon Yates einen Schlagabtausch, der in Erinnerung bleiben wird.
Im Zentrum ihrer Analyse stand der Schlüsselmoment des gesamten Rennens: Simon Yates’ dominante Vorstellung auf der Passstraße Finestre, mit der er Isaac del Toro das Rosa Trikot entriss – eine Leistung, die sowohl sportlich als auch taktisch neue Maßstäbe setzte. Alle drei Experten stimmten überein: Yates wurde im Vorfeld unterschätzt, während Carapaz eine strategische Fehlentscheidung traf.
Johan Bruyneel fand deutliche Worte zur Herangehensweise des EF-Teams:
„Am Anfang hat Carapaz alles in die Luft gejagt, und ich denke, das war ein Fehler – besonders bei einem einstündigen Anstieg“, analysierte er. „Simon Yates hat nicht sofort reagiert, vielleicht wegen seiner Beine oder Zweifel, aber je höher er kam, desto sicherer wurde er. Am Ende flog er.“
Für Bruyneel war klar: Carapaz’ frühe Attacke am Fuß der Finestre war riskant – und sie ging nicht auf. Der spätere Verlauf zeigte, wie stark Yates tatsächlich war. Er wartete, hielt sich zurück, und schlug dann im richtigen Moment zu.
„Simon Yates ist ein großartiger Radfahrer“, betonte Bruyneel. „Im zweiten Teil der Finestre ist er geflogen.“
Währenddessen verlor Isaac del Toro am Berg an Boden, ohne dass die Strategie seines Teams darauf vorbereitet war. Als Carapaz später die Zusammenarbeit verweigerte, war das Duo chancenlos – sie verloren entscheidende Minuten, die sich nicht mehr wettmachen ließen.
„Sie haben Simon Yates unterschätzt“, urteilte Bruyneel. „Er hatte zuvor Zeit verloren und schien kein direkter Rivale zu sein – ein fataler Trugschluss.“
Auch George Hincapie konnte die Taktik von EF Education-EasyPost nicht nachvollziehen:
„Sie sind in diesen Anstieg hineingegangen, als wäre es ein ein Kilometer langer Klassiker. Wenn man von unten zu hart fährt, sammelt sich zu viel Laktat in den Beinen. Yates kam zurück, roch das Blut – metaphorisch gesprochen – und nutzte es aus.“
Hincapie war besonders von der physischen wie mentalen Stärke des Briten beeindruckt:
„Was für ein unglaublicher Aufstieg. Yates hat den Rekord um über eine Minute geschlagen. Drei Wochen harte Rennbelastung, perfekte Taktik – das war eine der aufregendsten Etappen der letzten Jahre. Genau dafür lieben wir diesen Sport.“
Simon Yates bewies auf der Finestre nicht nur seine Kletterqualitäten, sondern auch Rennintelligenz. Dass ihn seine Gegner unterschätzten, machte seinen Triumph umso spektakulärer – und sorgte für eine Etappe, die in die Geschichte des Giro eingehen dürfte.