„Ein 19-jähriger Bernard Hinault - das ist das Niveau, von dem wir sprechen": Marc Madiot schwärmt vom französischen Wunderkind Paul Seixas

Radsport
Sonntag, 19 Oktober 2025 um 18:30
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Nur wenige Persönlichkeiten im französischen Radsport verkörpern Erfahrung und Leidenschaft wie Marc Madiot. Seit fast vier Jahrzehnten prägt der Chef von Groupama-FDJ den Sport – als Fahrer, Teamchef, Mentor und unermüdlicher Verfechter französischer Radsportkultur. Doch selbst ein Mann, der alles gesehen hat, klingt aufgeregt, wenn das Gespräch auf einen Namen kommt: Paul Seixas.
Im Gespräch mit Cyclism’Actu geriet Madiot ins Schwärmen über den 19-jährigen, der 2025 mit Top-10-Platzierungen bei der Lombardei, der Welt- und Europameisterschaft für Furore sorgte. „Ich halte ihn für einen phänomenalen Fahrer“, sagte Madiot. „Er hat seine Klasse bei den Junioren bewiesen und sie sofort auf Profi-Ebene bestätigt. Wenn man einen 19-jährigen Bernard Hinault in den heutigen Kontext stellt, hätte er dieselben Fähigkeiten wie Paul Seixas – das ist das Niveau, von dem wir sprechen.“

Der neue Maßstab

Ein solcher Vergleich ist nicht leichtfertig. Bernard Hinault, der fünffache Tour-de-France-Sieger, bleibt das Symbol französischer Radsportgröße – kompromisslos, vielseitig, siegeshungrig. Dass Madiot Seixas in dieser Tradition sieht, zeigt, wie außergewöhnlich hoch das Vertrauen in das junge Talent ist.
„Das Phänomen der Jugend ist Teil des modernen Radsports“, erklärt Madiot. „Die Fahrer sind heute früher bereit, besser vorbereitet, besser geführt. Das gilt nicht nur im Radsport, sondern auch im Fußball oder in anderen Sportarten. Körperlich und mental sind sie mit 19 schon da, wo man früher mit 24 war.“
Seixas steht damit stellvertretend für eine neue Generation französischer Fahrer – ausgebildet, wissenschaftlich trainiert und selbstbewusst. Eine Generation, die Madiot seit Jahren aufbaut und die Frankreich wieder an die Weltspitze bringen soll.

Zwischen Hoffnung und Sorge

Doch während Madiot begeistert über Seixas spricht, wird sein Ton ernster, sobald es um die strukturelle Zukunft des französischen Radsports geht. Der Zusammenbruch von Arkéa–B&B Hotels, der nach dem Rückzug von Sponsorengeldern in dieser Woche offiziell wurde, trifft ihn spürbar.
„Es ist traurig für alle – für die Fahrer, die Mitarbeiter, für Manu (Hubert) selbst“, sagte Madiot. „Frankreich befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Der Radsport verändert sich schnell, und traditionelle Nationen wie Frankreich und Belgien haben Mühe, mit dem globalen Wachstum Schritt zu halten. Ich hoffe, dass die UCI Schutzmaßnahmen ergreift, damit alle überleben können – sonst steuern wir auf echte Probleme zu.“
Der 65-Jährige spricht mit der Gelassenheit eines Mannes, der schon viele Krisen überstanden hat – und mit der Nostalgie für eine Zeit, in der der französische Radsport noch geschlossen auftrat. „Früher hatten wir Kohäsion – Fahrer, Teams und Organisatoren zogen an einem Strang. Das hat uns über Jahrzehnte getragen. Heute fehlt dieses Gleichgewicht.“

Die Realität der Superteams

Während Frankreich um seine Struktur kämpft, blickt Madiot auch auf die internationale Bühne – und zeigt Verständnis für die Dominanz des UAE Team Emirates - XRG, das 2025 fast 100 Siege feierte.
„Die größten Teams haben immer die meisten Rennen gewonnen“, sagt er nüchtern. „Diejenigen mit den größten Budgets sind auch am besten aufgestellt. Dass die VAE alles dominieren, ist fast logisch. Von 30 Fahrern könnten 26 oder 27 auch anderswo Leader sein.“
Es ist die Stimme eines Pragmatikers. Madiot weiß, dass Nostalgie keine Rennen gewinnt. „Die Fans empfinden vielleicht Müdigkeit, aber im Januar geht es wieder los. Mit Australien, mit der Tour Down Under – der Sport hat die Fähigkeit, sich ständig zu erneuern.“

Zukunft aus eigener Kraft

Während andere Teams schrumpfen oder fusionieren, bleibt Groupama-FDJ seinem langfristigen Konzept treu – der Nachwuchsförderung. Madiots Entwicklungsstruktur, einst als zu riskant belächelt, gilt heute als eines der stabilsten Modelle im internationalen Radsport.
„Man hat uns vor 30 Jahren kritisiert, weil wir auf junge Fahrer setzten“, erinnert sich Madiot. „Vielleicht waren wir unserer Zeit voraus. Aber das ist unser Fundament. Wir entwickeln Talente, die wir Schritt für Schritt an die Spitze führen. Alle paar Jahre kommt eine neue Generation – und das ist unser Überlebensmodell.“
Nach Namen gefragt, bleibt Madiot diplomatisch. „Wir wollen keinen Einzelnen hervorheben. Wichtig ist, dass mehrere nachkommen. Wir brauchen einen starken, ehrgeizigen Kern.“

Von Hinault bis Seixas

Am Ende bleibt Madiots Botschaft eine Mischung aus Realismus und Glaube – an Strukturen, an Geduld, an Charakter. „Wenn Bernard Hinault heute 19 wäre, hätte er dieselben Fähigkeiten wie Paul Seixas“, wiederholt er.
Für ein Land, das seit Jahren auf den nächsten echten Superstar wartet, ist das mehr als nur ein Kompliment. Es ist ein Versprechen – dass Frankreich, trotz aller Krisen, immer noch die Talente hervorbringt, die eines Tages wieder ganz oben stehen können.
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