Die zehnte Etappe der Vuelta a España fand nach dem ersten Ruhetag statt und führte ähnlich wie am Sonntag zu einer Bergankunft.
Der Beginn war alles andere als einfach – nicht wegen harter Steigungen, sondern wegen des enorm hohen Tempos im Feld. Jeder wusste, dass eine Ausreißergruppe sehr gute Chancen haben würde, und so entwickelte sich ein zäher Kampf, bis endlich eine größere Gruppe wegkam.
Nach rund 100 Kilometern konnten sich 30 Fahrer absetzen, nahezu jedes Team war vertreten. Unter ihnen: Jay Vine, Pablo Castrillo, Junior Lecerf, Kevin Vermaerke, Alec Segaert und Archie Ryan.
Lecerf war in der Gesamtwertung der bestplatzierte Fahrer der Gruppe, weniger als fünf Minuten hinter Leader Torstein Træen. Deshalb übernahm Bahrain Victorious Verantwortung, konnte den Rückstand aber nicht entscheidend eindämmen – die Lücke wuchs bis auf 3:30 Minuten.
Vor dem Schlussanstieg nach Larra Belagua (9,4 km à 6,1 %) attackierte Alec Segaert, wurde jedoch rasch wieder gestellt. Auch Movistar versuchte es mit Javier Romo und Pablo Castrillo. Doch niemand war stärker als Jay Vine: Der Australier setzte sich souverän durch und feierte bereits seinen zweiten Etappensieg bei dieser Vuelta.
Im Feld testete UAE Team Emirates die Konkurrenz.
Juan Ayuso bereitete mit hohem Tempo am Berg eine Attacke von João Almeida vor. Der Portugiese setzte mehrmals an, konnte Vingegaard aber nicht abschütteln – der Däne kontrollierte die Situation. Immerhin mussten Fahrer wie Egan Bernal und Felix Gall reißen lassen und verloren Sekunden.
Jonas Vingegaard übernahm durch den Einbruch von Torstein Træen wieder das Rote Trikot.
Zum Abschluss baten wir unsere Autoren, ihre Eindrücke und Erkenntnisse zu schildern:
Rúben Silva (CyclingUpToDate)
Es war ein interessanter Tag – mit der ersten langen Ausreißerschlacht, die ich immer sehr schätze, und mit Jonas Vingegaards merkwürdiger Attacke, die zumindest für Spannung sorgte. Doch insgesamt wurde das erwartete Drehbuch abgespult: Eine starke Ausreißergruppe kämpfte um den Sieg, Bahrain kontrollierte im Feld, und die GC-Favoriten kamen geschlossen ins Ziel. Hinzu kam der erwartbare Verlust des Roten Trikots durch Torstein Træen.
Die VAE griffen überraschend an. Für mich wirkte das vor allem wie ein Signal von Juan Ayuso an Almeida und das Team, dass er bereit ist, seinen Beitrag zu leisten. Almeida startete die Attacken, aber der Anstieg war schlicht nicht selektiv genug. Jonas Vingegaard hätte vielleicht für Unterschiede sorgen können, war aber offensichtlich nicht daran interessiert. So rollten die Favoriten zusammen ins Ziel – genau wie man es erwarten durfte.
Jonas Vingegaard hatte keine Probleme, Joao Almeida zu folgen und holte sich das rote Trikot zurück
Ivan Silva (CiclismoAtual)
Eine klassische „Unipuerto“-Etappe – anders als am Sonntag ohne Überraschung. Normalerweise fallen hier keine großen Abstände, und genau so kam es. Klar war auch, dass eine Ausreißergruppe durchkommt – nur die Frage war: mit wem. Ich hatte mir vorab drei Namen notiert:
- Antonio Tiberi, da ich ohnehin erwartete, dass Træen das Rote Trikot verlieren würde, und er eventuell Freiheiten bekäme.
- Sergio Higuita, weil er bislang unauffällig war und XDS Astana womöglich Punkte sammeln wollte.
- Pablo Castrillo, der am Ende tatsächlich Zweiter wurde.
Jay Vine hatte ich nicht auf der Rechnung, gerade wegen der Unruhe im Team. Doch als ich ihn am Start sah, war sofort klar: Er ist der Topfavorit – und er wurde seiner Rolle gerecht.
Positiv fand ich, dass Juan Ayuso heute eine andere Haltung gezeigt hat. Nach all dem Theater wirkte es, als wolle er zumindest seinen Ruf retten. Am Berg war er ein Schlüsselhelfer für Almeida, gemeinsam mit Mikkel Bjerg. Almeida versuchte es zweimal, aber der Berg war nicht hart genug.
Vine hätte theoretisch zurückfallen können, um Almeida zu unterstützen, aber der Etappensieg war in diesem Fall wertvoller. Insgesamt dürfte die Stimmung im Emirates-Bus heute Abend etwas entspannter sein.
Jorge P. Borreguero (CiclismoAlDía)
Die Ausreißer retteten heute eine Etappe, die für die GC-Favoriten erneut unspektakulär verlief. Am letzten Anstieg kam es kaum zu Attacken – mit einer Ausnahme: Juan Ayuso. Nach all den Schlagzeilen um seinen Abgang aus UAE konzentrierte er sich heute ganz auf Almeida. Mit seiner Tempoarbeit am Berg fiel Torstein Træen zurück und verlor das Rote Trikot. Daran gibt es nichts auszusetzen.
Hervorheben möchte ich auch Movistar. Pablo Castrillo und Javier Romo zeigten eine starke Leistung, Castrillo wurde Zweiter. Doch am Ende blieb es wie so oft: Movistar fährt engagiert, ist aber den Topteams wie UAE klar unterlegen. Vine gewann souverän, ohne überhaupt zu explodieren.
Juan Ayuso tätigte vor Beginn der Etappe überraschende Aussagen
Miguel Marques (CiclismoAtual)
Die „Unipuerto“-Etappe nach Valdezcaray erwies sich erneut als spannend. Schon der Start war lebhaft, fast 30 Fahrer bildeten die Fluchtgruppe – darunter Jay Vine und Mikkel Bjerg von UAE.
Bahrain hielt den Rückstand auf Lecerf unter Kontrolle. Doch die Gruppe teilte sich, Segaert attackierte, Castrillo blieb stark – aber am Ende war Vine unschlagbar.
Im Feld setzte UAE alles auf Almeida: Ayuso arbeitete vorne, Bjerg kam aus der Gruppe zurück, und Almeida attackierte zweimal. Doch Vingegaard und Pidcock reagierten mühelos. Almeida konnte keinen Unterschied machen.
Sollte UAE Vine zurückhalten, um Almeida zu helfen? Nein, einen Etappensieg darf man nicht verhindern. Aber man hätte ihn gar nicht erst so oft in Fluchtgruppen fahren lassen dürfen. Taktisch bleibt Emirates anfällig – mit Pogacar wäre das sicher anders gelaufen.
Im Gesamtklassement gab es kleine Verschiebungen: Træen verlor Rot, Fortunato fiel aus den Top 10, während Riccitello überraschend hineinsprang. Beeindruckend, was der junge Amerikaner zeigt. Morgen wartet eine große Etappe – bota lume, João!
Félix Serna (CyclingUpToDate)
Die größte Geschichte des Tages war für mich Juan Ayuso. Nach all den Eskapaden und harten Worten half er heute tatsächlich Almeida – zum ersten Mal bei dieser Vuelta. Vor dem Schlussanstieg positionierte er ihn, dann zog er das Tempo an. Ein ungewohnter, aber erfreulicher Teamgeist. Hoffen wir, dass das so bleibt.
Kritischer sehe ich dagegen Marc Soler. Während Ayuso heute seine Pflicht tat, blieb Soler erneut passiv. Als Almeida Unterstützung gebraucht hätte, fehlte er – wie schon mehrfach in dieser Vuelta. Stattdessen fährt er offenbar auf eigene Rechnung, um ein ordentliches GC-Ergebnis einzufahren.
UAE scheint das egal zu sein. Vine darf auf eigene Etappenjagd gehen, Ayuso durfte bislang sein Ding machen, und Soler verfolgt sein persönliches Ergebnis. Leidtragender ist Almeida: Er kämpft um die Gesamtwertung, aber bekommt oft zu wenig Unterstützung. Heute immerhin der Etappensieg durch Vine – während Soler wieder nur Zeit verlor.
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