DISKUSSION Tour de France 2025| Wer waren die größten Überraschungen der Tour?

Radsport
Dienstag, 29 Juli 2025 um 21:30
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Die Tour de France hat uns unvergessliche Momente beschert. Von Pogačars Dominanz in den Bergen bis hin zu Van Aerts beeindruckendem Solosieg in Paris – das Rennen war voll von historischen Leistungen, die für immer in den Geschichtsbüchern bleiben werden. Während einige dieser Szenen vorhersehbar waren, erlebten wir auch unerwartete Auftritte von Fahrern, die zuvor kaum jemand auf dem Radar hatte.
Die größten Stars stehen stets im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit, doch auch Helferrollen und kleinere Teams verdienen Anerkennung. Ohne sie wäre das Rennen in seiner heutigen Form undenkbar.
In dieser Ausgabe der Tour de France gab es zahlreiche Fahrer im Hintergrund, die mit beeindruckenden Leistungen auf sich aufmerksam machten. Aus diesem Grund möchten wir uns in diesem Meinungsartikel den größten Überraschungen des Rennens widmen. Dafür haben wir einige unserer Autorinnen und Autoren gebeten, ihre Einschätzungen zu diesem Thema mit uns zu teilen.

Pascal Michiels (RadsportAktuell)

Für mich war die größte Entdeckung dieser Tour de France ganz klar Oscar Onley – mit Florian Lipowitz dicht dahinter auf Platz zwei. Während sich der Medienfokus auf Pogačar, Vingegaard und Evenepoel richtete, fuhr der 22-jährige Schotte still und leise mitten ins Herz des Rennens – und in die Herzen vieler Radsportfans.
Onleys Konstanz in den Bergen, seine Ruhe unter Druck und seine Fähigkeit, auch in der dritten Woche noch auf höchstem Niveau zu fahren, waren schlichtweg beeindruckend. Er brauchte keinen Etappensieg, um zu überzeugen. Die Art und Weise, wie er mit den Allerbesten mithielt, zeigte: Er ist nicht nur ein Talent – er ist jetzt schon bereit.
Direkt hinter ihm lieferte auch Florian Lipowitz eine ebenso bemerkenswerte Tour ab. Der Fahrer von Red Bull – BORA – hansgrohe bewies, dass er weit mehr ist als nur ein Kletterhelfer. Mit einem starken Zeitfahren, kluger Renntaktik und roher Bergkraft machte Lipowitz klar, dass mit ihm als ernstzunehmendem Gesamtklassementfahrer in Zukunft zu rechnen ist.
Warum also liegt Onley für mich vorn? Beide Fahrer haben alle Erwartungen übertroffen – doch Onleys Aufstieg wirkt auf mich noch erstaunlicher. Lipowitz hatte in dieser Saison bereits sein Potenzial angedeutet, während Onley außerhalb des britischen Radsports noch weitgehend unbekannt war.
Ihn dann während der schwersten Etappen Schulter an Schulter mit Pogačar und Vingegaard klettern zu sehen, war ein echter Aha-Moment. Bei Lipowitz wussten wir bereits, dass er das kann.
Diese Tour hat meine Sicht auf beide Fahrer verändert. Für mich waren sie die spannendste Entwicklung der Tour de France 2025. Und sie haben eine klare Botschaft an Pogačar und Vingegaard gesendet: Wenn ihr einmal schwächelt, sind wir bereit, das Ruder zu übernehmen.

Rúben Silva (CyclingUpToDate)

Oscar Onley was definitely one of them, for the first time performing as a Grand Tour contender and right away with a 4th place at the whole damn Tour de France. At age 22, with 19 days of brutal racing (+1 slow and one neutralized) this was a Tour that brutalized all riders and it's not common for a young rider to emerge in such conditions. Onley showed great form and talent at the Tour de Suisse but this was definitely a step up and he will be a podium contender in any Grand Tour he starts after this.
In the Top10 we've had the confirmation of Tobias Johannessen and Kévin Vauquelin as Grand Tour riders, both are not as strong climbers as those above but managed their races very well, both were even in the front echelon on stage 1 and rode a brilliant 1st week, and then survived until the end to finish in very respectable positions.
Jordan Jegat for me was the absolute surprise of the Tour, a rider I got to know only this year through a few modest but quality performances in the months leadout up to the Tour. A Top15 at the Dauphiné was strong, but this 10th place is a career highlight.
TotalEnergies had no GC team to back him up, he did this almost all by himself through good climbing legs and immense bravery as he went for several successful breakaways in which he won time to his rivals, including a glorious finale for him on stage 20. The new Guillaume Martin I could say, albeit he packs much less of a name than every single rider around him.
Jhonatan Narváez and Victor Campenaerts impressed with how much they evolved as climbers, supporting UAE and Visma perfectly throughout the Tour; Callum Scotson confirmed his part as one of the World Tour's most underated climbing domestiques after the brilliant work he's done for Felix Gall; And Bruno Armirail showed how good of a climber he can be when on his day, not just a rouleur/time-trialist.
TadejPogacar_JonasVingegaard_FlorianLipowitz_TourDeFrance

Víctor LF (CiclismoAlDía)

Dass Tadej Pogačar und Jonas Vingegaard die Tour de France auf den ersten beiden Plätzen beenden würden, war alles andere als überraschend. Doch die endgültige Gesamtwertung hat vor allem in den Top 10 für einige echte Aha-Momente gesorgt.
Wer das Critérium du Dauphiné gesehen hat, wusste, dass Florian Lipowitz ein großartiger Fahrer ist. Aber ich glaube nicht, dass viele ihn vor Beginn der Tour auf dem Podium erwartet hätten. Oscar Onley hat seine Klasse mit Platz 4 bestätigt, Felix Gall in den Top 5 überrascht mich persönlich nicht allzu sehr – aber selbstverständlich war das auch nicht. Dass Tobias Halland Johannessen nun, vier Jahre nach seinem Sieg bei der Tour de l’Avenir, so durchstartet, ist ebenfalls bemerkenswert.
Am Ende der Top 10 hat Kévin Vauquelin bewiesen, dass er eine dreiwöchige Rundfahrt in den Top 10 abschließen kann. Ben Healy hat gezeigt, dass er mehr ist als nur ein Klassikerjäger und Ausreißerkönig. Und Jordan Jegat war für viele vor dieser Tour ein völlig unbeschriebenes Blatt.
Auch abseits der Gesamtwertung gab es Überraschungen auf Etappenebene: Wer hätte gedacht, dass Thymen Arensman gleich zwei Etappensiege holen würde? Für mich persönlich war das ein echtes Highlight – ich habe seine Fahrweise sehr genossen.
Ebenso unerwartet war der Etappensieg von Kaden Groves auf der 20. Etappe. Ein Sprinter, der auf einem derart kräfteraubenden Terrain gewinnt – das war ein Tag für ganz andere Fahrertypen. Groves hat damit gezeigt, dass er mehr kann als nur auf den letzten 200 Metern schnell sein.

Carlos Silva (CiclismoAtual)

Ich mochte die Jungs wie Felix Gall, Oscar Onley, Jordan Jegat, Florian Lipowitz und Kévin Vauquelin – da steckt unglaublich viel Talent drin. Es ist einfach ein Vergnügen, diesen jungen Fahrern zuzusehen. Und natürlich Pogačar: Vielleicht war er mental etwas müde – seine Saison begann früh, lief lange, dazu kam der ganze Medienrummel, die Feiern, Anti-Doping-Kontrollen usw. –, aber er hatte trotzdem noch die Beine.
Genug Beine, um sich seine vierte Trophäe zu holen. Der Fahrer, der mir am meisten Spaß gemacht hat, war Quinn Simmons. Er hat gearbeitet, attackiert, sich abgesetzt. Lidl-Trek hat da einen echten Schatz. Und das „Ja“ seiner Freundin in Paris war wahrscheinlich der größte Sieg von allen.
Und der Junge von EF? Ben Healy – genau. Der spielt in derselben Liga wie Simmons, hat aber auch schon die Arme zum Jubel heben können. Ein echter Angriffsfahrer. Ein Langstrecken-Angreifer. Ich mag solche Typen, die keine Angst haben, Risiken einzugehen.
Auch MvdP (Mathieu van der Poel) hat mir gefallen. Er hat das Gelbe Trikot getragen – und das zu Recht. Dieser Alpecin-Zug war beeindruckend: Philipsen, van der Poel, Groves... Der Sieg war fast vorprogrammiert.

Félix Serna (CyclingUpToDate)

Wenn man sich die Top 10 der Gesamtwertung der Tour de France anschaut, erkennt man sofort einige der größten Überraschungen dieser Rundfahrt. Florian Lipowitz, Oscar Onley und Felix Gall galten zwar durchaus als Kandidaten für die Top 10, aber dass sie am Ende Dritter, Vierter und Fünfter wurden, hätte wohl kaum jemand erwartet.
Das Wort, das ihre Leistung am besten beschreibt, ist Konstanz. Diese drei Fahrer zeigten über die gesamten drei Wochen hinweg ein durchgehend hohes Niveau. Abgesehen von ein oder zwei schwächeren Tagen waren sie stets bei den Besten dabei.
Besonders beeindruckend finde ich Lipowitz und Onley. Sie sind erst 24 bzw. 22 Jahre alt, haben aber eine Reife und Konstanz bewiesen, die man sonst eher bei erfahrenen Grand-Tour-Fahrern sieht. Beide hatten schon zuvor ihr Talent angedeutet (Lipowitz wurde etwa Dritter beim Critérium du Dauphiné), aber in einer dreiwöchigen Rundfahrt auf diesem Level zu performen, ist noch einmal ein anderes Kaliber.
Lipowitz war zu Beginn sogar nur Co-Kapitän an der Seite von Roglič, was die Situation für ihn erschwerte – es war zunächst nicht klar, wer die Rolle des Kapitäns übernehmen würde. Seine Leistung bei der Tour dürfte ihn nun aber zur unangefochtenen Führungsfigur für kommende Rundfahrten machen – sofern Evenepoels Wechsel zu Red Bull daran nichts ändert…
Bei den übrigen Fahrern in den Top 10 – Tobias Johannessen, Kévin Vauquelin, Ben Healy und Jordan Jegat – hätte im Vorfeld wohl kaum jemand auf einen solchen Erfolg gewettet. Bei Vauquelin und Healy ist nicht einmal sicher, ob sie zu Beginn der Tour überhaupt auf die Gesamtwertung fuhren. Doch als sie sich in guter Position wiederfanden, nutzten sie die Chance.
Jordan Jegat war für mich die größte Überraschung und der Fahrer, den ich am liebsten gesehen habe. Der Franzose fuhr nicht nur in die Top 10, sondern war extrem aktiv und angriffslustig – er hätte den Preis für den kämpferischsten Fahrer verdient gehabt. Taktisch clever agierte er auch, besonders auf der 20. Etappe, als er Ben O’Connor aus den Top 10 verdrängte.
Auch außerhalb der Top 10 gab es einige bemerkenswerte Leistungen. Besonders hervorheben möchte ich Domestiken wie Victor Campenaerts, Tim Wellens und Jhonatan Narváez. Auch wenn sie nicht der Hauptgrund für Pogacars oder Vingegaards Erfolg waren, hatten sie doch großen Einfluss auf das Rennen – insbesondere im Dienst von Visma und UAE.
Campenaerts war ursprünglich nicht als wichtigster Helfer Vingegaards in den Bergen eingeplant. Doch auf einigen Etappen war er Jonas’ stärkster Unterstützer, sei es durch Präsenz im Hauptfeld oder durch taktisches Agieren in Ausreißergruppen. Die Tour de France scheint sich zu seiner Bühne zu entwickeln – 2023 gewann er die Super Combatif-Wertung, und im selben Jahr eine Etappe für Lotto Dstny.
Auch Tim Wellens und Jhonatan Narváez übertrafen die Erwartungen. Besonders in Erinnerung bleibt mir Etappe 12 nach Hautacam, als Wellens ein unglaubliches Tempo anschlug, das Pogacars siegbringende Attacke vorbereitete.
Eine weitere positive Überraschung war das Team EF Education–EasyPost. Sie stellten nicht nur einen Fahrer in die Top 10, sondern zeigten sich auch sehr kampf- und ausreißerfreudig. Fahrer wie Harry Sweeny, Neilson Powless, Alex Baudin, Vincenzo Albanese und Kasper Asgreen sorgten dafür, dass das Team stets im Rennen präsent war.
Zum Schluss noch einige Fahrer, die sich eine lobende Erwähnung verdient haben: Thymen Arensman, Bruno Armirail, Jonas Abrahamsen, Iván Romeo, Kaden Groves und Quinn Simmons.
Und Sie? Wer waren Ihrer Meinung nach die größten Überraschungen bei der Tour? Hinterlassen Sie einen Kommentar und beteiligen Sie sich an der Diskussion!
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