Am vergangenen Samstag fand in Kempten (Allgäu) die deutsche Kriteriumsmeisterschaft statt. Vor hunderten Zuschauern fielen auf dem Kurs durch die Innenstadt die Titelentscheidungen der Amateur- und Elite-Amateur-Klassen.
Hätte man die Verantwortlichen des RSC Auto Brosch Kempten im Vorfeld nach dem idealen Ausgang der deutschen Kriteriumsmeisterschaft
befragt, wäre ihre Antwort dem tatsächlichen Rennen am Samstag wohl erstaunlich
nahegekommen. Dario Rapps baute die Meisterschaftsserie auf vier Titel in Folge
aus, während Jonas Schmeiser den RSC-Doppelsieg mit einem fulminanten
Finalsprint perfekt machte. Doch ein Vorfall trübte den Triumph: Ein schwerer
Sturz eines RSC-Fahrers sorgte zwischenzeitlich für große Besorgnis.
Ein Tag voller Rennsport-Action begann
gegen 13 Uhr mit dem Meisterschafts-Rennen der Amateure. Nach maximalen
Punktgewinnen in den ersten Wertungsrunden wurde deutlich, dass sich Simon
Wittmann und Johannes Herrmann von der Rad-Union Wangen am Samstagnachmittag
einiges vorgenommen hatten. Als Lennart Frie (RSV Stuttgart-Vaihingen) sich
anschließend drei Punkte in Wertungsdurchgang vier sicherte und die Führung im Gesamtklassement
übernahm, kehrte Spannung zurück in die Kemptener Innenstadt.
Das Wangener Duo stellte aber
weiterhin seine starke Zusammenarbeit unter Beweis: Während Herrmann die
Verfolgergruppe kontrollierte, setzte sich Wittmann vom Feld ab und sicherte
sich in den Wertungsrunden fünf und sechs die volle Punktzahl. Obwohl sich Frie
im Finalsprint um doppelte Punkte gegen Wittmann behauptete, war dem
Gesamtführenden der Gewinn der deutschen Meisterschaft nicht mehr zu nehmen.
„Es ist unbeschreiblich, ein unfassbares Gefühl. Ich hatte zwischenzeitlich
nicht mehr daran geglaubt, aber Johannes hat mich so gut unterstützt und mich
in eine wirklich komfortable Situation gebracht“, sagte Wittmann kurz nach Überqueren
der Ziellinie. Der harte Kemptener Kurs spielte dem Wangener Team in die
Karten: „Wir sind die Berge als Allgäuer gewohnt, vor allem die kurzen Anstiege
liegen uns.“
Vierter RSC-Titel in Folge
Nachdem 30 Junioren beim
Fette-Reifen-Rennen den Asphalt auf Temperatur gehalten hatten, begaben sich
die Fahrer der Elite-Klasse in Richtung Startaufstellung. Kaum war die
Fahrerpräsentation durchgeführt und der Startschuss ertönt, lag eine erste
RSC-Spitzengruppe um Moritz Augenstein und Andreas Mayr bereits mehrere
Sekunden vor dem Hauptfeld und dominierte die ersten Wertungsrunden. In der
Vorbereitung auf die dritte Punktevergabe trat dann erstmals Titelverteidiger
Dario Rapps ins Rampenlicht, als er sich mit Laurens Huizinga (RSG Heilbronn)
in der Führung des Rennens etablierte und maximal punktete. Aus RSC-Sicht verlief
alles nach Plan – bis in Runde 33 plötzlich Unruhe im Fahrerfeld aufkam.
Die Fahrer gestikulierten wild und
verlangten nach medizinischer Unterstützung – Moritz Augenstein vom RSC Kempten
war in der finalen Kurve der Bahnhofstraße schwer gestürzt. „Eine Passantin
wollte an einem der Übergänge die Strecke überqueren. Zwei Fahrer konnten noch
ausweichen, bevor Augenstein keine Reaktionschance mehr hatte, die Passantin
erfasste und schwer in die Absperrungen stürzte“, schilderten die Zuschauer
Fabian Falk, Max Stark und Florian Beck. Organisator Karl Schlusche bestätigte
den Vorfall im Nachgang: „Wir haben es gestern im Team noch mal ausführlich
besprochen, aber auch solche Unfälle lassen sich leider nicht 100-prozentig
verhindern.“ Sowohl Augenstein als auch die Passantin wurden nach einer
örtlichen medizinischen Versorgung im Krankenwagen abtransportiert. Der
RSC-Fahrer liegt mit einer Schulter- und Schlüsselbeinverletzung im
Krankenhaus, während die Passantin laut Schlusche vor allem aufgrund eines
Schocks behandelt werden musste.
Ein Schock saß nun auch in den Knochen
der restlichen Fahrer, die das Rennen nach einer 45-minütigen Unterbrechung
wiederaufnahmen. Das Spitzen-Duo aus Rapps und Huizinga fand erstaunlich
schnell zurück in den Rennrhythmus, erhöhte binnen weniger Runden den
ursprünglichen Vorsprung von 12 auf 42 Sekunden und dominierte die folgenden
vier Wertungsrunden. Während Huizinga die Führungsarbeit stemmte, zog Rapps ein
ums andere Mal an seinem Kontrahenten vorbei, um die volle Punktzahl
einzustreichen. „Dario durfte – und das ist aus strategischer Sicht absolut
sinnvoll – aufgrund seiner Teamkonstellation keine Führungsarbeit übernehmen.
Das führte dazu, dass ich bei den Punktesprints nicht mehr ganz so frisch war“,
sagte Huizinga nach dem Rennen.
Als Rapps nach dem siebten
Wertungsdurchgang mit 26 Zählern und einem Vorsprung von elf Punkten auf
Huizinga bereits als Sieger feststand, läuteten die RSC-Fahrer aus dem
Hauptfeld das Grande Finale ein. In beachtlicher Manier hatten sie den
Rückstand auf das Führungsduo fünf Runden vor Schluss aufgeholt, um bei der
abschließenden Vergabe doppelter Punkte sogar noch einen Angriff auf den Dreifach-Sieg
zu starten. Der zweifache Titelgewinner aus den Jahren 2021 und 2022, Jonas
Schmeiser, gewann den letzten Wertungssprint im tosenden Jubel der zahlreichen
Fans, verdrängte Huizinga auf Rang drei und sicherte den RSC-Doppelsieg.
„Dieser Moment war einfach grandios. Es war eine Erlösung nach vielen Wochen
harter Arbeit und auch eine Bestätigung für uns als Team“, sagte Schmeiser.
Eine Bestätigung nach einem
komplizierten Jahr voller Höhen und Tiefen war die deutsche Meisterschaft auch
für Titelverteidiger Dario Rapps: „Hut ab vor Laurens, der seinen Motor
ausgepackt und mir sogar das Fahren im Windschatten schwer gemacht hat. Aber
sobald ich in dieser Gruppe war, musste ich in den Sprints nur noch
vorbeiziehen und hatte vermeintlich leichtes Spiel.“ Rapps erklärte, dass das
Team ursprünglich für Routinier Andreas Mayr fahren wollte, um ihn für seine
Leistungen in diesem Jahr zu belohnen. „Das ist es, was uns stark macht. Auch
wenn der Rennverlauf eine taktische Änderung erforderlich macht, steht der
Teamgedanke bei uns immer an erster Stelle.“