Deutsche Kriteriumsmeisterschaft 2024: Der vierte Streich des RSC Kempten

Radsport
durch Nic Gayer
Montag, 23 September 2024 um 18:00
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Am vergangenen Samstag fand in Kempten (Allgäu) die deutsche Kriteriumsmeisterschaft statt. Vor hunderten Zuschauern fielen auf dem Kurs durch die Innenstadt die Titelentscheidungen der Amateur- und Elite-Amateur-Klassen.
Hätte man die Verantwortlichen des RSC Auto Brosch Kempten im Vorfeld nach dem idealen Ausgang der deutschen Kriteriumsmeisterschaft befragt, wäre ihre Antwort dem tatsächlichen Rennen am Samstag wohl erstaunlich nahegekommen. Dario Rapps baute die Meisterschaftsserie auf vier Titel in Folge aus, während Jonas Schmeiser den RSC-Doppelsieg mit einem fulminanten Finalsprint perfekt machte. Doch ein Vorfall trübte den Triumph: Ein schwerer Sturz eines RSC-Fahrers sorgte zwischenzeitlich für große Besorgnis.
Ein Tag voller Rennsport-Action begann gegen 13 Uhr mit dem Meisterschafts-Rennen der Amateure. Nach maximalen Punktgewinnen in den ersten Wertungsrunden wurde deutlich, dass sich Simon Wittmann und Johannes Herrmann von der Rad-Union Wangen am Samstagnachmittag einiges vorgenommen hatten. Als Lennart Frie (RSV Stuttgart-Vaihingen) sich anschließend drei Punkte in Wertungsdurchgang vier sicherte und die Führung im Gesamtklassement übernahm, kehrte Spannung zurück in die Kemptener Innenstadt.
Das Wangener Duo stellte aber weiterhin seine starke Zusammenarbeit unter Beweis: Während Herrmann die Verfolgergruppe kontrollierte, setzte sich Wittmann vom Feld ab und sicherte sich in den Wertungsrunden fünf und sechs die volle Punktzahl. Obwohl sich Frie im Finalsprint um doppelte Punkte gegen Wittmann behauptete, war dem Gesamtführenden der Gewinn der deutschen Meisterschaft nicht mehr zu nehmen. „Es ist unbeschreiblich, ein unfassbares Gefühl. Ich hatte zwischenzeitlich nicht mehr daran geglaubt, aber Johannes hat mich so gut unterstützt und mich in eine wirklich komfortable Situation gebracht“, sagte Wittmann kurz nach Überqueren der Ziellinie. Der harte Kemptener Kurs spielte dem Wangener Team in die Karten: „Wir sind die Berge als Allgäuer gewohnt, vor allem die kurzen Anstiege liegen uns.“

Vierter RSC-Titel in Folge

Nachdem 30 Junioren beim Fette-Reifen-Rennen den Asphalt auf Temperatur gehalten hatten, begaben sich die Fahrer der Elite-Klasse in Richtung Startaufstellung. Kaum war die Fahrerpräsentation durchgeführt und der Startschuss ertönt, lag eine erste RSC-Spitzengruppe um Moritz Augenstein und Andreas Mayr bereits mehrere Sekunden vor dem Hauptfeld und dominierte die ersten Wertungsrunden. In der Vorbereitung auf die dritte Punktevergabe trat dann erstmals Titelverteidiger Dario Rapps ins Rampenlicht, als er sich mit Laurens Huizinga (RSG Heilbronn) in der Führung des Rennens etablierte und maximal punktete. Aus RSC-Sicht verlief alles nach Plan – bis in Runde 33 plötzlich Unruhe im Fahrerfeld aufkam.
Die Fahrer gestikulierten wild und verlangten nach medizinischer Unterstützung – Moritz Augenstein vom RSC Kempten war in der finalen Kurve der Bahnhofstraße schwer gestürzt. „Eine Passantin wollte an einem der Übergänge die Strecke überqueren. Zwei Fahrer konnten noch ausweichen, bevor Augenstein keine Reaktionschance mehr hatte, die Passantin erfasste und schwer in die Absperrungen stürzte“, schilderten die Zuschauer Fabian Falk, Max Stark und Florian Beck. Organisator Karl Schlusche bestätigte den Vorfall im Nachgang: „Wir haben es gestern im Team noch mal ausführlich besprochen, aber auch solche Unfälle lassen sich leider nicht 100-prozentig verhindern.“ Sowohl Augenstein als auch die Passantin wurden nach einer örtlichen medizinischen Versorgung im Krankenwagen abtransportiert. Der RSC-Fahrer liegt mit einer Schulter- und Schlüsselbeinverletzung im Krankenhaus, während die Passantin laut Schlusche vor allem aufgrund eines Schocks behandelt werden musste.
Ein Schock saß nun auch in den Knochen der restlichen Fahrer, die das Rennen nach einer 45-minütigen Unterbrechung wiederaufnahmen. Das Spitzen-Duo aus Rapps und Huizinga fand erstaunlich schnell zurück in den Rennrhythmus, erhöhte binnen weniger Runden den ursprünglichen Vorsprung von 12 auf 42 Sekunden und dominierte die folgenden vier Wertungsrunden. Während Huizinga die Führungsarbeit stemmte, zog Rapps ein ums andere Mal an seinem Kontrahenten vorbei, um die volle Punktzahl einzustreichen. „Dario durfte – und das ist aus strategischer Sicht absolut sinnvoll – aufgrund seiner Teamkonstellation keine Führungsarbeit übernehmen. Das führte dazu, dass ich bei den Punktesprints nicht mehr ganz so frisch war“, sagte Huizinga nach dem Rennen.
Als Rapps nach dem siebten Wertungsdurchgang mit 26 Zählern und einem Vorsprung von elf Punkten auf Huizinga bereits als Sieger feststand, läuteten die RSC-Fahrer aus dem Hauptfeld das Grande Finale ein. In beachtlicher Manier hatten sie den Rückstand auf das Führungsduo fünf Runden vor Schluss aufgeholt, um bei der abschließenden Vergabe doppelter Punkte sogar noch einen Angriff auf den Dreifach-Sieg zu starten. Der zweifache Titelgewinner aus den Jahren 2021 und 2022, Jonas Schmeiser, gewann den letzten Wertungssprint im tosenden Jubel der zahlreichen Fans, verdrängte Huizinga auf Rang drei und sicherte den RSC-Doppelsieg. „Dieser Moment war einfach grandios. Es war eine Erlösung nach vielen Wochen harter Arbeit und auch eine Bestätigung für uns als Team“, sagte Schmeiser.
Eine Bestätigung nach einem komplizierten Jahr voller Höhen und Tiefen war die deutsche Meisterschaft auch für Titelverteidiger Dario Rapps: „Hut ab vor Laurens, der seinen Motor ausgepackt und mir sogar das Fahren im Windschatten schwer gemacht hat. Aber sobald ich in dieser Gruppe war, musste ich in den Sprints nur noch vorbeiziehen und hatte vermeintlich leichtes Spiel.“ Rapps erklärte, dass das Team ursprünglich für Routinier Andreas Mayr fahren wollte, um ihn für seine Leistungen in diesem Jahr zu belohnen. „Das ist es, was uns stark macht. Auch wenn der Rennverlauf eine taktische Änderung erforderlich macht, steht der Teamgedanke bei uns immer an erster Stelle.“