"Der Radsport steht am Abgrund" - One Cycling schlägt nach UCI-Brüskierung zurück

Radsport
durch Nic Gayer
Donnerstag, 19 Juni 2025 um 11:00
pogacar vingegaard evenepoel
Der Machtkampf um die Zukunft des Profiradsports ist auf einem neuen Höhepunkt angekommen. Das von Saudi-Arabien unterstützte Projekt One Cycling hat nach der Ablehnung durch die UCI deutlich gemacht: Man gibt sich nicht geschlagen. Der Weltradsportverband hatte zuletzt beschlossen, die geplanten Rennen der Initiative nicht in den WorldTour-Kalender 2026 aufzunehmen – ein harter Rückschlag für das ambitionierte Vorhaben, den Sport kommerziell und strukturell neu zu gestalten.
One Cycling wollte mit Unterstützung des SURJ Sports Investment Fund aus Saudi-Arabien eine neue Rennserie mit 22 Events aufbauen, darunter vier neue WorldTour-Rennen in Nord- und Südamerika sowie auf der Arabischen Halbinsel. 250 Millionen Euro sollten dafür in den Sport fließen – ein Schritt, der das wirtschaftliche Fundament der bislang fast ausschließlich sponsorfinanzierten Teams dauerhaft stabilisieren sollte. Doch das UCI-Managementkomitee lehnte den Plan ab und bezeichnete ihn als „unvereinbar“ mit der aktuellen Struktur.
Trotzdem geben sich die Verantwortlichen kämpferisch. „Der Profi-Radsport steht an einem Abgrund“, erklärte ein mit dem Projekt verbundener Insider gegenüber CyclingNews. Die Botschaft ist deutlich: Wer sich dem Wandel verweigere, riskiere langfristig die Relevanz der gesamten Sportart. „Sportarten, die bereit sind, sich zu verändern, sind für Investoren attraktiv. Wer das nicht tut, bleibt zurück. Wenn man den Kopf in den Sand steckt, kann das den Tod bedeuten.“
Die UCI hatte sich in der Vergangenheit grundsätzlich offen gegenüber Investoren gezeigt. Präsident David Lappartient betonte noch vor wenigen Monaten: „Wir heißen unsere saudischen Freunde willkommen.“ Trotzdem entschied sich der Verband nun gegen die Aufnahme der One-Cycling-Rennen in den offiziellen Kalender – offenbar aus Sorge um das Gleichgewicht zwischen neuen Formaten und dem Schutz historisch gewachsener Veranstaltungen, insbesondere jener unter dem Dach der ASO, dem mächtigen Veranstalter der Tour de France.
Die ASO bleibt der lauteste Kritiker der neuen Initiative. Doch während der Veranstalter seine Vormachtstellung wahren will, finden sich unter den Teams längst prominente Unterstützer für One Cycling: Visma – Lease a Bike, Red Bull - BORA - hansgrohe und Soudal - Quick-Step stehen hinter dem Projekt. Auch soll bereits ein Großteil der Top-Fahrer für das Konzept gewonnen worden sein. Laut den Verantwortlichen seien „95 % der besten Fahrer des Sports“ Teil der Gespräche.
Der wirtschaftliche Ansatz von One Cycling ist klar: Zentralisierung der Rechte, professionelle Medienvermarktung, globale Ausweitung des Kalenders – alles mit dem Ziel, eine tragfähige Einnahmestruktur für Teams und Organisatoren zu schaffen. „Wir glauben, dass unser Modell die Einnahmen erhöht“, sagt der Insider. „Es ermöglicht es denen, die aktuell Geld verlieren, endlich Geld zu verdienen.“
Doch genau diese Logik steht im Widerspruch zum dezentralen und traditionsorientierten System des Profiradsports. Zwischen Innovation und Bewahrung hat sich ein tiefer Graben aufgetan – und der scheint vorerst unüberwindbar. Was bleibt, ist eine Branche im Umbruch, zwischen wirtschaftlichem Überlebenskampf und dem Festhalten an gewachsenen Strukturen.
Die Entscheidung der UCI markiert keinen Schlusspunkt, sondern den Beginn einer neuen Phase im Ringen um die Zukunft des Radsports. Denn klar ist: Die Debatte ist nicht vorbei – sie hat gerade erst richtig begonnen.
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