ANALYSE | Wie Tom Pidcock erstmals ein Grand-Tour-Podium eroberte

Radsport
durch Nic Gayer
Montag, 15 September 2025 um 11:30
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Tom Pidcock hat bei der Vuelta a Espana 2025 geliefert, was ihm viele nicht zugetraut hätten: Er stand auf dem Podium und erinnerte damit an Enric Mas. Seine Karriere war bislang eher von Glanzmomenten als von konstanten Erfolgen geprägt, doch wenn er gewinnt, dann auf großer Bühne. Mit seinem ersten Podiumsplatz bei einer Grand Tour wirkt seine Zukunft als Gesamtfahrer plötzlich viel überzeugender. Endlich, GC Pidcock ist angekommen.
Pidcocks Talent stand nie infrage. Abseits der Straße glänzte er außergewöhnlich: Olympiasieger und Weltmeister auf dem Mountainbike, Weltmeister im Cyclo-Cross – auch wenn er dort nie auf dem Niveau von Wout Van Aert oder Mathieu van der Poel fuhr. Auf der Straße feierte er bislang nur zehn Siege, aber fast alle bei prestigeträchtigen Rennen: Strade Bianche, Amstel Gold Race, Brabantse Pijl und eine Etappe der Tour de France. Qualität war immer da, auch wenn die Zahl der Siege bescheiden wirkt.

Vom kritisierten Hoffnungsträger zum Grand-Tour-Podium

Mit 26 Jahren hätte Pidcock auf der Straße eigentlich mehr erreichen müssen. Sein eigener Ehrgeiz erklärt einiges: Er will Etappenfahrer sein. Diese Besessenheit führte nach enttäuschenden Auftritten bei der Tour, bei denen sein hohes Gehalt und die Erwartungen an ihn nicht gerechtfertigt schienen, schließlich zum Bruch mit INEOS. In Spanien mussten sich auch Fans mit Juan Ayuso auseinandersetzen, der trotz 16 Karrieresiegen – vier mehr als Pidcock – bereits Kritik für denselben Ehrgeiz erntete. Genau an diesem Punkt schlugen Pidcocks Kritiker gerne zu.
Tom Pidcock erzielte bei der Vuelta seine bisher besten Kletterergebnisse
Tom Pidcock erzielte bei der Vuelta seine bisher besten Kletterergebnisse
Doch die Vuelta 2025 brachte die Wende. Pidcock kletterte mit den Besten, wurde Dritter der Gesamtwertung und sicherte sich damit sein erstes Grand-Tour-Podium. Er vollbrachte den Durchbruch, den Enric Mas bereits mit 23 Jahren geschafft hatte. Nun stellt sich die Frage: Schlägt Pidcock denselben Weg ein? Alles deutet darauf hin. Die Tour de France bleibt seine große Obsession. Er muss sie nicht unbedingt gewinnen – doch ein Platz in den Top fünf oder sogar ein Podium scheint möglich, wenn die Umstände passen.
Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Pidcock lag nur etwas mehr als drei Minuten hinter Jonas Vingegaard. Sicher, der Kurs bot keine brutale Abfolge von Hochgebirgsetappen, und Vingegaard wirkte nach der Tour angeschlagen und kämpfte mit körperlichen Problemen. Aber das ändert nichts am Resultat. Dritter ist Dritter. Sollte Q36.5 im kommenden Jahr eine Einladung zur Tour erhalten, wird Pidcock zweifellos erneut die Gesamtwertung ins Visier nehmen.
Und dennoch bleibt ein Rest an Frustration. Nach seinem reinen Talent wäre Pidcock prädestiniert für die großen Eintagesrennen. Der Vergleich mit Alejandro Valverde drängt sich auf: Auch er ließ sich von Spaniens Fixierung auf Etappenrennen treiben und wurde nie der Klassiker-König, der er hätte sein können. Pidcock ist noch nicht auf Valverdes Niveau, doch mit einer klaren Ausrichtung auf Eintagesrennen wären zehn Straßensiege mit 26 Jahren wohl kaum alles, was seine Karriere hergäbe.
Im Moment aber verdient er Anerkennung. Pidcock hat bei der Vuelta das Podium erreicht und den Anschluss an Enric Mas gefunden, der bereits drei weitere Podiumsplätze besitzt. Ob er den Weg als Rundfahrer konsequent weitergeht oder sich eines Tages als Klassikerspezialist neu erfindet – sicher ist: Er hat die Klasse, mehr aus seiner Karriere zu machen, als die nackten Zahlen bisher vermuten lassen.
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