MEINUNG | Die Vuelta a Espana 2025 war das dunkelste Kapitel in der Geschichte des Rennens

Radsport
durch Nic Gayer
Montag, 15 September 2025 um 11:00
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Die Vuelta a Espana 2025 ist zu Ende und bleibt als vermutlich schwärzeste Ausgabe in Erinnerung. Selten endete eine Grand Tour mit einem derart bitteren Gefühl – für die Organisatoren ebenso wie für den gesamten Radsport. Statt eines Festes des Sports offenbarte sich eine schwache Veranstaltung, die ohne klares Management, ohne Unterstützung und ohne Schutzmechanismen zusammenbrach. Die Vuelta zerfiel unter dem Druck von Protesten und interner Desorganisation, unfähig, ihr Image zu verteidigen oder mit Würde abzuschließen. Unser Kollege Fin Major von CyclingUpToDate fasst seine Eindrücke der vergangenen drei Wochen in dieser Kolumne zusammen.
Diese Analyse richtet sich nicht gegen sportliche Leistungen und setzt das Rennen nicht mit dem Leid des palästinensischen Volkes gleich – dessen Tragödie ungleich größer ist. Doch die Vuelta zeigte, wie wenig sie den Entscheidungsträgern bedeutet. Die Proteste belegten, dass kaum jemand – weder Politiker noch Institutionen oder gar die UCI – für die Verteidigung des Rennens eintrat. Auch die Fans, müde vom ständigen Chaos, reagierten eher resigniert als empört.

Ein Rennen ohne Rückhalt

Die Entscheidung, das israelische Team nicht einzuladen, bleibt erklärungsbedürftig. Wie schon bei der Volta a Catalunya griff die Vuelta zum Ausschluss, doch diesmal traf das Rennen frontal auf Proteste, die alles lahmlegten. Israel tritt weiterhin bei internationalen Sportgroßereignissen an – von Fußball-Qualifikationen bis zur Euroleague im Basketball – ohne vergleichbare Ausschreitungen. Dieser Kontext verdeutlicht: Die Vuelta war weder einzigartig noch geschützt, als die Demonstrationen eskalierten.
Vonseiten des Weltverbands kam kaum Unterstützung. Stattdessen veröffentlichte Präsident David Lappartient aus seiner Schweizer Heimat eine nüchterne Erklärung, die die Teilnahme der israelischen Mannschaft im Grunde abnickte und die Vuelta sich selbst überließ. Die Botschaft war unmissverständlich: „Findet euren eigenen Weg.“ Für ein ohnehin angeschlagenes Rennen wirkte das wie pure Geringschätzung.
Auch die Platzierung im Rennkalender verstärkte den Eindruck der Missachtung. Während die Tour de France ihr Finale auf den Champs Élysées wie ein nationales Heiligtum schützt, setzte die UCI die kanadischen WorldTour-Rennen Quebec und Montreal direkt gegen die Schlussetappen der Vuelta. Wer könnte sich vorstellen, dass Tadej Pogacar am Tag von Paris ein anderes Rennen fährt? Doch Jonas Vingegaard holte sich das Rote Trikot ohne Feierlichkeiten – überschattet von italienischen Klassikern und nordamerikanischen Eintagesrennen. Die Botschaft war klar: Die Vuelta zählt kaum.
Die nationale TV-Übertragung verstärkte die Krise. RTVE lieferte chaotische Bilder: gekürzte Live-Etappen, abrupt abgebrochene Interviews, schlecht platzierte Kameras und ein ständiges Hin und Her zwischen Teledeporte, La 2 und La 1. Zuschauer wussten oft nicht, wo sie einschalten sollten. Viele Etappen liefen nicht in voller Länge – ein unverzeihlicher Fauxpas bei einer der drei großen Rundfahrten. Technisch hinkte die Übertragung Giro und Tour um Jahre hinterher, ein permanentes Signal der Vernachlässigung.
Das Rennen stand von allen Seiten unter Beschuss. Demonstranten nutzten die Bühne, die UCI blieb untätig, Politiker instrumentalisierten die Situation, Fans wandten sich ab – und selbst das israelische Team griff die Organisatoren an und forderte Maßnahmen, die die Vuelta nicht liefern konnte. Dem Rennen fehlte Kraft und Autorität, um zu reagieren.
Am Ende bleibt eine ernüchternde Erkenntnis: Die Vuelta war noch nie so verletzlich, so unfähig, sich zu behaupten. Alle wirkten gegen sie, und sie hatte keine Mittel, sich zu wehren. Das Urteil ist hart, aber unausweichlich: Das Beste an dieser Vuelta ist, dass sie vorbei ist.
Original: Fin Major (CyclingUpToDate)
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