Mathieu van der Poels spektakulärer Triumph bei Mailand-Sanremo 2025 war mehr als nur ein weiterer großer Sieg. Er hat eine der spannendsten Debatten im modernen Radsport neu entfacht: Welcher der drei dominierenden Eintagesfahrer – Tadej Pogacar, Mathieu van der Poel oder Remco Evenepoel – wird als Erster alle fünf Monumente gewinnen?
Bis heute haben nur drei Fahrer dieses Kunststück vollbracht: Eddy Merckx, Rik Van Looy und Roger De Vlaeminck. Angesichts der Tatsache, dass 17 der letzten 20 Monumente, Weltmeisterschaften oder Olympischen Straßenrennen von Pogacar, van der Poel oder Evenepoel gewonnen wurden, geht es nicht mehr um die Frage, ob jemand den „Grand Slam“ der Monumente anstrebt – sondern wer es tatsächlich schafft.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Seit 2022 haben nur sechs verschiedene Fahrer ein Monument, eine Weltmeisterschaft oder ein Olympisches Straßenrennen gewonnen. Neben Pogacar, van der Poel und Evenepoel konnten nur Matej Mohoric, Dylan van Baarle und Jasper Philipsen in diese Dominanz eingreifen.
Diese drei Superstars beherrschen den Radsport – und das mit völlig unterschiedlichen Stärken: Van der Poel mit explosiver Kraft, Pogacar mit taktischem Genie und Evenepoel mit seiner enormen Ausdauer. Doch trotz ihrer Erfolge bleibt die ultimative Herausforderung bestehen: Wer schafft es, alle fünf Monumente zu gewinnen?
Der aktuelle Stand:
Wer wird also als Erster alle fünf Monumente gewinnen?
Der klare Favorit in dieser Debatte ist Tadej Pogacar. Er zählt zu den komplettesten Fahrern, die der Radsport je hervorgebracht hat. Mit taktischem Gespür, herausragenden Kletterfähigkeiten und beeindruckender Ausdauer kann er auf nahezu jedem Terrain gewinnen – und sein Palmarès beweist es. Pogacar ist der einzige aktive Fahrer, der Monumente auf Kopfsteinpflaster (Flandern), in den Ardennen (Lüttich) und in den Bergen (Lombardei) gewonnen hat. Zudem hat er sowohl in Sprints als auch mit Solo-Attacken triumphiert.
Doch zwei Monumente fehlen ihm noch: Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix. Und beide scheinen außerhalb seiner Reichweite zu liegen.
Mailand-Sanremo gilt zwar als „Sprinterklassiker“, doch in den letzten Jahren haben Puncheure und Angreifer zunehmend ihre Chancen genutzt. Pogacar war bereits nah dran: Bei der letzten Ausgabe erzwang er eine Selektion an der Cipressa und stellte dabei einen jahrzehntealten Kletterrekord ein. „Neue Taktiken sind erfolgreich“, analysierten Experten nach dem Rennen. Wäre da nicht das perfekte Timing von Mathieu van der Poel und der brillante Ritt von Filippo Ganna gewesen, hätte Pogacar das Rennen vielleicht schon gewonnen.
Doch genau hier liegt das Problem: Mailand-Sanremo bleibt eine Herausforderung für Pogacar. Die Strecke ist nicht hart genug, um seine größten Stärken auszuspielen. So sehr er es versuchte, er konnte van der Poel am Poggio nicht abschütteln – und verlor das Rennen genau dort erneut.
Noch größer ist die Fragezeichen hinter Paris-Roubaix – dem „Elefanten im Raum“ für jeden kletterstarken Fahrer. Aber ist Pogacar wirklich nur ein Bergfahrer? Bei der Tour de France 2022 meisterte er die Kopfsteinpflasterpassagen wie ein Veteran. Er hat sich in Roubaix zwar noch nie richtig ausprobiert, doch sein Motor, seine Leistungswerte und sein Fahrstil sind auf absolutem Top-Niveau. Selbst van der Poel glaubt, dass Pogacar eines Tages Paris-Roubaix gewinnen wird. Doch passiert das schon in diesem Frühjahr – oder irgendwann in der Zukunft?
Genau diese zeitliche Komponente könnte entscheidend sein. Wenn Pogacar Roubaix mit derselben Fokussierung angeht wie die Flandern-Rundfahrt, ist ein Sieg nicht ausgeschlossen. Doch wird ein Fahrer mit Gesamtklassement-Ambitionen bei der Tour de France wirklich bereit sein, im Frühjahr in Roubaix volles Risiko zu gehen?
Fazit: Alles deutet darauf hin, dass Pogacar alle fünf Monumente gewinnen wird – nicht nur, weil er am nächsten dran ist, sondern weil ihm im Radsport scheinbar nichts unmöglich ist.
Es gibt keinen Zweifel: Mathieu van der Poel ist einer der talentiertesten und faszinierendsten Fahrer seiner Generation – wenn nicht aller Zeiten. Sein siebter Monument-Sieg bei Mailand-Sanremo 2025 bestätigt, was viele längst wussten: Er ist ein außergewöhnliches Ausnahmetalent. Mit sieben Weltmeistertiteln im Cyclocross und Erfolgen auf dem Mountainbike zählt sein Palmares zu den vielseitigsten im modernen Radsport.
Doch der Weg zu allen fünf Monumenten erfordert mehr als nur Klasse – er verlangt Vielseitigkeit.
Van der Poel fehlen noch Siege bei Lüttich-Bastogne-Lüttich und die Lombardei-Rundfahrt. Beide Rennen sind nicht außerhalb seiner Reichweite, doch sie passen am wenigsten zu seinem Stil. In den letzten Jahren wurden sie meist von Kletterern und Puncheuren dominiert – Fahrern wie Pogacar und Evenepoel.
Selbst Mathieu van der Poel schätzt seine Chancen nüchtern ein. „Lüttich und die Lombardei zu gewinnen, scheint mir unmöglich, wenn Pogacar und Remco Evenepoel am Start sind“, sagte er gegenüber La Dernière Heure. „Es geht nicht nur darum, die fünf Monumente zu gewinnen, sondern auch darum, mit welchen Fahrern man im Rennen konfrontiert wird.“
Dennoch schließt er dieses Ziel nicht aus. „Es wäre schön, alle fünf Monumente zu gewinnen. Aber ich weiß, dass ich bereits viel erreicht habe – ich kann darüber nachdenken und es weiterverfolgen.“
Van der Poel besitzt die nötige Power, seine technischen Fähigkeiten und Abfahrtskünste sind unübertroffen. Doch um in Lüttich oder der Lombardei zu triumphieren, braucht er das perfekte Szenario – oder er muss hoffen, dass Pogacar und Evenepoel nicht am Start stehen.
Tatsächlich könnte sein nächstes großes Ziel in diesem Jahr auf dem Mountainbike liegen. Ein weiteres Regenbogentrikot würde seine außergewöhnliche Sammlung ergänzen.
Fazit: Van der Poel hat das Talent und den Ehrgeiz, aber die hügeligen Monumente erfordern eine ideale Vorbereitung, eine auf ihn zugeschnittene Strecke – und womöglich eine weniger hochkarätige Konkurrenz. Weniger wahrscheinlich als bei Pogacar, aber nicht ausgeschlossen.
Auf dem Papier hat Remco Evenepoel die weiteste Strecke zu den fünf Monumenten. Er hat noch kein Kopfsteinpflaster-Monument gewonnen und Mailand-Sanremo bisher nicht ernsthaft in Angriff genommen. Doch wenn es eine Konstante in seiner Karriere gibt, dann diese: Man sollte ihn niemals abschreiben, wenn das Terrain zu seiner explosiven Kraft und seinem aggressiven Rennstil passt.
Seine Siege sprechen für sich. Zwei Erfolge bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, ein dominanter Weltmeistertitel 2022 und Olympiagold 2024 – und das alles mit seinen gefürchteten Solo-Attacken aus der Distanz. Sobald er erst einmal 30 Sekunden Vorsprung hat, wird es für die Konkurrenz fast unmöglich, ihn wieder einzuholen.
Denken wir zurück an das olympische Straßenrennen 2024 in Paris. Es ist leicht zu vergessen, wie überragend Remco Evenepoel an diesem Tag fuhr. Manche würden sogar sagen, dass selbst Tadej Pogacar große Mühe gehabt hätte, ihm die Goldmedaille streitig zu machen.
Doch genau hier liegt das Problem: Paris-Roubaix und die Flandern-Rundfahrt sind Rennen, die nicht die Art von kontrollierter Solo-Performance ermöglichen, auf die Evenepoel spezialisiert ist. Er hat noch nicht bewiesen, dass er auf Kopfsteinpflaster bestehen kann – anders als Pogacar oder Mathieu van der Poel. Und hat er wirklich die rohe Kraft, um mit van der Poel oder Wout Van Aert mitzuhalten?
Dazu kommt, dass ihm im Vergleich zu den größeren Fahrern oft der entscheidende Kick im Sprint fehlt. Das macht ein Rennen wie Mailand-Sanremo noch schwieriger – es sei denn, er schafft es, solo anzukommen. Doch van der Poel hat gezeigt, wie anspruchsvoll genau das sein kann.
Aber Evenepoel ist erst 25 Jahre alt. Sein taktisches Gespür hat sich 2024 deutlich verbessert, und er kennt die Bedeutung seines Platzes in der Radsportgeschichte. Als leidenschaftlicher Schüler des Sports könnte er seine gesamte Saison eines Tages genau darauf ausrichten, das Monument-Set zu vervollständigen.
Fazit: Seine Chancen auf alle fünf Monumente sind gering, aber nicht ausgeschlossen. Wenn jemand seine eigenen Grenzen verschieben kann, dann ist es Remco Evenepoel.
Der Traum, alle fünf Monumente zu gewinnen, galt lange als Relikt aus einer vergangenen Ära. Doch mit Pogacar, van der Poel und Evenepoel ist diese Herausforderung wieder greifbar.
Es scheint fast unfair, Wout Van Aert in dieser Debatte kaum erwähnt zu haben. Trotz seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten steht für ihn bislang nur ein einziger Monument-Sieg zu Buche. Dabei besitzt er vielleicht das beste Allround-Profil, um das Set zu vervollständigen – vor allem, wenn man seine Kletterstärke berücksichtigt, die er bei der Tour de France bewiesen hat.
Pogacar ist der kompletteste Fahrer und dem Ziel am nächsten. Wenn er Paris-Roubaix gezielt angeht, kann er gewinnen. Mailand-Sanremo bleibt unberechenbar, doch er war bereits mehrfach nah dran.
Van der Poel besitzt die Vielseitigkeit, das Talent und die Rennintelligenz, um fast jedes Rennen zu gewinnen. Doch die kletterlastigen Monumente bleiben für ihn eine besondere Herausforderung.
Evenepoel ist der Außenseiter, aber vielleicht derjenige mit dem größten Potenzial. Wenn er seinen Stil weiterentwickelt, könnte er auf lange Sicht alle überraschen.
Wer wird der nächste Fahrer sein, der alle fünf Monumente gewinnt und sich unsterblich macht? Im Moment spricht alles für Pogacar. Doch wenn es eines gibt, was dieses Trio bewiesen hat, dann ist es, dass man das Unerwartete erwarten muss.