ANALYSE | Kann Mathieu van der Poel an diesem Wochenende die Mountainbike-Weltmeisterschaft gewinnen?

Radsport
durch Nic Gayer
Montag, 08 September 2025 um 14:45
MathieuVanDerPoel (2)
Am 14. September 2025 stellt sich Mathieu van der Poel in Crans-Montana der vielleicht größten Herausforderung seiner Karriere. Das olympische Cross-Country-Rennen der Herren-Elite bei den UCI-Mountainbike-Weltmeisterschaften ist für den niederländischen Superstar mehr als nur ein weiterer Start. Es ist das einzige Regenbogentrikot, das in seiner Sammlung fehlt – und der Titel, den er selbst als den bedeutendsten bezeichnet hat. In Abwesenheit des amtierenden Olympiasiegers Tom Pidcock wirkt das Rennen offen, die Aussicht auf einen historischen Moment groß.
Doch wie realistisch sind die Chancen, dass van der Poel tatsächlich triumphiert?

„Das letzte Teil des Puzzles“

Bereits im März bekannte van der Poel seine Ambitionen offen: „Es wäre wirklich cool, eines Tages Weltmeister im Mountainbike zu werden. Das fühlt sich wie das letzte Puzzlestück meiner Karriere an“, erklärte der Alpecin-Deceuninck-Profi im Magazin Helden. „Ich würde diesen Titel wirklich gerne anpeilen. Wenn ich aufhöre und der Weltmeistertitel im Mountainbiken fehlt, wäre das Einzige, was ich im Moment denken würde: schade. Ansonsten ist das für mich nicht wirklich wichtig.“
Mathieu van der Poel hat seit 2021 nur zwei MTB-Rennen absolviert
Mathieu van der Poel hat seit 2021 nur zwei MTB-Rennen absolviert
Nur wenige Fahrer in der Radsportgeschichte können mit seinem Palmarès mithalten. Van der Poel gewann sieben Cyclocross-Weltmeisterschaften, holte 2023 den Straßen-Titel in Glasgow und 2024 die Schotter-WM. Dazu kommen acht Monumente, Etappensiege bei Tour de France und Giro d’Italia sowie Auftritte im Gelben und Rosa Trikot. Mit 30 Jahren bleiben nur wenige große Titel, doch die Mountainbike-Weltmeisterschaft gehört dazu.
Seine Geschichte in dieser Disziplin ist wechselhaft. 2019 gewann er die Europameisterschaft, doch bei Olympia in Tokio endete sein Traum nach einem schweren Sturz. Seither hielt ihn der volle Straßenkalender von regelmäßigen MTB-Einsätzen ab. In vier Jahren bestritt er nur vier Mountainbike-Rennen – und beendete davon lediglich zwei. Das zwingt ihn nun in Crans-Montana zum Start aus den hinteren Reihen.

„Die Chance ist gering“

Ende August deutete er in Les Gets sein Potenzial an, als er sich von weit hinten bis auf Rang sechs vorkämpfte. Danach schätzte er seine Chancen ehrlich ein: „Ich werde nur aus der vierten Reihe starten, und beim Mountainbiken ist der Start noch wichtiger als beim Cyclocross. Die Chance, dass ich Weltmeister werde, ist nach dieser Woche immer noch gering, aber ich denke, dass ich konditionell den Unterschied gemacht habe.“
Auch über seine Grenzen sprach er offen. „Ich bin mit meinem Rennen zufrieden. Ich spürte, dass ich mich von Runde zu Runde verbesserte, aber in der Schlussphase fehlte mir der Punch und die Beschleunigung in den Beinen, um um den Sieg zu kämpfen. Im Vorfeld wäre ich mit diesem Ergebnis zufrieden gewesen, aber im Nachhinein hätte ich vielleicht noch mehr erreichen können, wenn ich in den ersten Runden etwas aggressiver gewesen wäre.“ Mit Blick auf die Weltmeisterschaften fasste er zusammen: „Der Start wird auch dort entscheidend sein.“
Für van der Poel geht es nicht nur um Kondition, sondern auch um Geschichte. Er versucht, in einer vierten Disziplin Weltmeister zu werden – ein Kunststück, das bislang nur Pauline Ferrand-Prevot gelang. Sie sammelte Regenbogentrikots auf der Straße, im Schotter, im Cyclocross und auf dem Mountainbike und war 2015 sogar zeitgleich Weltmeisterin in drei Disziplinen. Mit Erfolgen bei der Tour de France Femmes und in Roubaix setzte sie Maßstäbe für Allround-Exzellenz. Wie sie will auch van der Poel mit dem vierten Trikot sein Vermächtnis vollenden.
Doch die Konkurrenz ist enorm. Weltcup-Führender Victor Koretzky, Silbermedaillengewinner bei Olympia 2024, fährt die konstanteste Saison. Der US-Amerikaner Christopher Blevins präsentiert sich in Topform, ebenso der Olympia-Dritte Alan Hatherly aus Südafrika. Und dann ist da noch Nino Schurter, die Schweizer Legende mit zehn Weltmeistertiteln und olympischen Medaillen in allen Farben, die in der Heimat womöglich ihr letztes WM-Rennen bestreitet.
Van der Poels Aufgabe wirkt gigantisch. Vom hinteren Startplatz bis zur Stärke der Gegner sprechen die Fakten gegen ihn. Doch wenn es einen Fahrer gibt, der das Unmögliche möglich machen kann, ist es van der Poel. Er hat bereits auf der Straße, im Schotter und im Cyclocross Siege gefeiert – drei Disziplinen mit völlig unterschiedlichen Anforderungen. Das Mountainbike-Regenbogentrikot ist die letzte Grenze. Auch wenn es unwahrscheinlich bleibt, dass er sie überschreitet, macht allein seine Anwesenheit klar: Dieses Rendezvous mit der Geschichte darf niemand ignorieren.
Wird van der Poel an diesem Wochenende das Regenbogentrikot überstreifen? Stimme in der Umfrage und in den Kommentaren unten ab!
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