Nach einem nahezu perfekten Frühjahr erreicht
Tadej Pogacar an diesem Sonntag bei
Lüttich-Bastogne-Lüttich den Höhepunkt seines ersten Rennblocks 2025. Der zweifache Sieger des belgischen Monuments geht erneut als Topfavorit ins Rennen. Laut Eurosport-Experte
Jens Voigt müssen Pogacars Rivalen alles riskieren, um den Weltmeister zu stoppen.
"Pogacar hat die Chance, bei jedem großen Frühjahrsklassiker auf dem Podium zu stehen. Das ist unglaublich – das hat es seit Eddy Merckx nicht mehr gegeben. Und er ist in jedem Rennen der Favorit", erklärt Voigt, der 2005 selbst Zweiter in Lüttich wurde. "An einem Tag versuchen van der Poel, Ganna und Pedersen ihn zu schlagen, am nächsten ist es Evenepoel. Die Rivalen wechseln – er bleibt konstant."
Doch auch Pogacar zeigte zuletzt leichte Schwächen. Beim Amstel Gold Race scheiterte einer seiner berüchtigten Fernangriffe, und Mattias Skjelmose nutzte die Chance zum Sieg. "Nach Roubaix braucht man wirklich ein paar Tage, um sich zu erholen", so Voigt. "Das ist Neuland für Pogacar – normalerweise fährt er im Frühjahr Etappenrennen. Dieses Jahr aber konzentriert er sich ausschließlich auf die Klassiker."
Voigt weiter: "Bei Eintagesrennen geht es nur darum, die Form zu halten, nicht sie aufzubauen. Beim Amstel sah man leichte Ermüdungserscheinungen, aber bei der Flèche Wallonne hat Pogacar wieder bewiesen, dass er für Lüttich bereit ist. Es gibt keinen Grund zu zweifeln."
Hinzu kommt der ständige Druck. "Die Leute vergessen, unter welchem Druck Pogacar bei jedem Rennen steht. Und er ist erst 26 Jahre alt – er könnte mein Sohn sein", sagt Voigt. "Er muss Interviews geben, die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen, das Team zählt auf ihn. Ich würde es ihm nicht verdenken, wenn er die Tage bis Lüttich herunterzählt."
Als größter Herausforderer gilt
Remco Evenepoel. "Er ist nach seiner Verletzungspause beeindruckend stark zurückgekommen. In Amstel war er vielleicht ein wenig zu ehrgeizig im Sprint. Aber Fahrer wie Evenepoel, Vingegaard und Pogacar trainieren auf einem Niveau, das es ihnen erlaubt, sofort wieder in Topform zu sein", erklärt Voigt. "Trotzdem – ich bin ein Anhänger der alten Schule. Trainingskilometer ersetzen keine Rennerfahrung. Ohne Rennrhythmus fehlt oft das Gespür für das Peloton, und genau das könnte Evenepoel noch etwas kosten."
Evenepoel (L) & Pogacar (R) werden am Sonntag in Lüttich als die beiden Hauptkonkurrenten erwartet
Die Aufgabe, Tadej Pogacar zu schlagen, ist gewaltig – doch Jens Voigt ist überzeugt, dass Remco Evenepoel einen klaren Plan verfolgen wird. "Wenn Remco etwas aus den ersten beiden Ardennen-Rennen gelernt hat, dann, dass er Pogacar vorher abhängen muss", erklärt der Deutsche. "Er muss auf La Redoute oder an der Côte de la Roche-aux-Faucons attackieren – oder ihn an anderer Stelle überraschen."
Pogacar sei extrem schwer zu bezwingen, so Voigt weiter. "Seine Konkurrenten müssen bereit sein, alles zu riskieren – selbst auf die Gefahr hin, das Rennen zu verlieren. Sollte sich eine starke Gruppe absetzen, müssten die UAE Emirates auf sich allein gestellt reagieren. Die Rivalen sollten keinesfalls helfen, Pogacar zurückzubringen."
Der Schlüssel liegt laut Voigt darin, Pogacar früh zu isolieren: "Nach 70 oder 80 Kilometern, nach mehreren Anstiegen, muss er allein gelassen werden. Wer Pogacar schlagen will, muss das Risiko eines spektakulären Scheiterns eingehen. Nur wenige wagen das."
Das Frühjahr habe gezeigt, dass die entscheidenden Attacken immer früher kämen. "Es ist fast unmöglich geworden, jemanden spät zu überraschen. Pogacar ermüdet weniger schnell als andere und hat am Ende immer noch den besten Antritt. Wer mit ihm zusammenarbeitet, fährt letztlich nur um Platz zwei."
Voigt sieht das Rennen auf einen Zweikampf zwischen Pogacar und Evenepoel hinauslaufen. "Dahinter gibt es eine Gruppe starker Fahrer, die um den dritten Podestplatz kämpfen: Ben Healy, Tom Pidcock, Thibau Nys, Giulio Ciccone, Enric Mas und Kevin Vauquelin."
Seine Prognose fällt klar aus: "Man hofft immer auf einen heroischen Angriff eines Außenseiters – aber realistisch gesehen sehe ich niemanden, der Pogacar oder Evenepoel schlagen kann. Am Ende wird entscheiden, welcher der beiden an diesem Tag die bessere Form hat. Pogacars Niveau könnte etwas sinken, Evenepoel steigert sich – sie werden sich irgendwo in der Mitte treffen."